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Die Schweiz öffnet sich für neue EU-Länder

In der Schweiz sind vor allem im Gesundheitsbereich viele ausländische Arbeitnehmer beschäftigt. Keystone

Nach dem Ja des Stimmvolks im letzten Jahr öffnet die Schweiz ihren Arbeitsmarkt schrittweise für Personen aus den neuen Ländern der Europäischen Union.

Am 1. April tritt auch das Zusatzprotokoll zum Freizügigkeits-Abkommen in Kraft, das mit verschärften flankierenden Massnahmen Lohn-Dumping verhindern soll.

Die neuen EU-Bürgerinnen und -Bürger können zwar in der Schweiz wohnen, arbeiten und studieren und ihre Familien mitbringen. Volle Freizügigkeit gibt es aber frühestens ab 2011.

Für Arbeitnehmende aus Osteuropa gelten während einer Übergangszeit Kontingente, Inländervorrang und Kontrollen von Lohn- und Arbeitsbedingungen. Selbstständigerwerbende sind bis 2007 Zulassungsbeschränkungen unterstellt.

Betroffen sind Polen, Ungarn, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien und die Slowakei. Die beiden andern Neumitglieder Malta und Zypern unterstehen den Übergangs-Bestimmungen für die “alte” EU (EU-15).

Massnahmen gegen Billiglöhne

Die neue Konkurrenz aus den neuen EU-Ländern soll auf dem Arbeitsmarkt nicht zu Lohndumping und schlechteren Arbeitsbedingungen führen. Parallel zur Ausdehnung der Freizügigkeit werden auch die flankierenden Massnahmen verstärkt.

Vorgesehen sind Meldepflichten, verstärkte Kontrollen durch Arbeitsmark-Inspektoren, verschärfte Sanktionen und eine vereinfachte Allgemeinverbindlich-Erklärung für Gesamtarbeitsverträge (GAV).

Anrecht auf Arbeitslosengeld

Verlieren EU-Bürger ihre Schweizer Stelle, haben sie unter Bedingungen Anrecht auf Arbeitslosengeld. Arbeitslose können bis zu sechs Monate in der Schweiz eine Stelle suchen. Finden sie keine, erhalten sie keine Aufenthaltsbewilligung. Fürsorgeleistungen erhalten sie nicht.

Rentner und Studierende aus der EU dürfen sich in der Schweiz niederlassen, wenn sie krankenversichert sind und selbst für ihren Unterhalt aufkommen können. Diplome werden gegenseitig anerkannt.

Die am Freizügigkeitsabkommen beteiligten Staaten behalten ihre eigenen Sozialversicherungssysteme. Eine Koordination soll den Verlust von Ansprüchen verhindern.

Gegenseitige Öffnung

Im Gegenzug öffnen sich die neuen EU-Staaten für Schweizer Arbeitnehmende, zum Teil gelten ebenfalls Übergangsbestimmungen. In der Schweiz niedergelassene Bürger von Drittstaaten erhalten dagegen nur wenig zusätzliche Bewegungsfreiheit. Nur in zwei Punkten können sie vom Abkommen profitieren.

Beim Familiennachzug können sie als Angehörige von EU-Bürgern in die Schweiz ziehen. EU-Arbeitgeber können Bürgerinnen und Bürger aus Drittstaaten bis zu 90 Tage in die Schweiz auf Arbeit schicken. Dies unter der Bedingung, dass diese seit mindestens einem Jahr eine Arbeits- und Niederlassungsbewilligung in einem EU-Staat haben.

Eine Rückzugsmöglichkeit

Bis 2014 kann die Schweiz neue Kontingente erlassen, wenn die Einwanderung aus ihrer Sicht zu stark zunimmt.

2008/2009 muss das Parlament beschliessen, ob das Abkommen grundsätzlich weitergeführt wird. Dieser Entscheid ist referendumsfähig, das heisst, er kann vom Volk an die Urne gebracht werden.

Noch in diesem Jahr dürften die Verhandlungen über die Ausdehnung des Abkommens auf Rumänien und Bulgarien beginnen.

Positive Wirkung erwartet

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) erwartet, dass sich die so genannte Osterweiterung der EU positiv auf die Schweizer Wirtschaft auswirkt. Vorsichtig geschätzt, dürfte die Wirtschaftsleistung der Schweiz bis 2010 gegenüber 2005 um bis zu 0,5 Prozent steigen. Das entspricht einem Wachstum von bis zu 2 Mrd. Franken.

Ängste vor einer Masseneinwanderung hält das seco für unbegründet. Trotz unterschiedlicher Einkommen innerhalb der Union lebten derzeit nur 1,6 Prozent der EU-Bevölkerung in einem anderen EU-Land, hält es fest.

swissinfo und Agenturen

Am 25. September 2005 hat das Schweizer Stimmvolk der Ausweitung des freien Personenverkehrs auf die zehn neuen EU-Länder zugestimmt.

Dieser besteht bereits mit den 15 alten EU-Ländern.

Die Ausweitung tritt am 1. April 2006 in Kraft, doch spürbar wird dies erst ab Ende April 2011.

Bis dahin kann die Schweiz Kontingente aufrecht erhalten (3000 langfristige Aufenthalte bis 5 Jahre, 29’000 kurzfristige bis 1 Jahr).

Im ersten Jahr sind 1700 Kontingente für Daueraufenthalter und 15’800 für Kurzaufenthalter vorgesehen.

Im Fall einer massiven Einwanderung kann die Transitions-Periode verlängert werden.

Ausserdem gibt es flankierende Massnahmen, um Lohn-Dumping zu verhindern.

Laut einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft soll die Schweiz von der Erweiterung der EU profitieren.
Die Studie erwartet eine Steigerung der Schweizer Wirtschaftsleistung um 0,5% durch die Öffnung des Arbeitsmarktes.
Dies entspricht einem Wachstum von bis zu 2 Mrd. Fr. pro Jahr.

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