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Ein Argentinien-Schweizer will Präsident werden

Néstor Kirchner, der zweite Präsident Argentiniens mit Schweizer Wurzeln? swissinfo.ch

Néstor Kirchner, dessen Vorfahren aus der Schweiz ausgewandert waren, liegt gut im Rennen für die argentinische Präsidentschaft.

Die Chancen stehen gut, dass er die Hürde für den zweiten Wahlgang schafft. Die Wahl eines neuen Staatschefs soll dem politischen Ausnahmezustand ein Ende setzen.

Nach Carlos Pellegrini, der von 1890 bis 1892 Staatschef war, könnte Argentinien mit Kirchner zum zweiten Mal einen Mann mit Schweizer Wurzeln zum Präsidenten wählen.

Diesen Sonntag ist Wahltag für die Argentinierinnen und Argentinier. Für diese Menschen also, die im Dezember 2001 ihrer Classe politique wegen Unfähigkeit die Gefolgschaft aufgekündigt hatten.

Gesucht ist ein Nachfolger für Eduardo Duhalde. Dieser war nach den Massenunruhen damals vom Kongress zum Nachfolger von Fernando de la Rúa zum Präsidenten bestimmt worden.

Stichwahl gegen Menem?

19 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um das Amt. Doch nur fünf von ihnen wird eine realistische Chance eingeräumt, in die Stichwahl zu kommen.

Gemäss Meinungsumfragen könnte es gut sein, dass sich dabei zwei Kandidaten derselben Partei gegenüberstehen werden: Die Peronisten schicken neben Ex-Präsident Carlos Menem den jetzigen Gouverneur der Provinz Patagonien ins Rennen: Néstor Kirchner.

Andere Beobachter sagen eine Stichwahl zwischen Kirchner und Adolfo Rodríguez Saá (ebenfalls Peronist) oder der Mitte-Links-Vertreterin Elisa Carrió voraus.

Der Wahlausgang ist ungewiss, denn viele Wählerinnen und Wähler sind noch unentschlossen oder wollen für keinen der Kandidierenden stimmen.

Néstor Kirchner gilt als Ziehsohn Duhaldes. Gerade in den letzten Wochen des Wahlkampfs machte er deutlich an Boden gut. Er ist der offizielle Kandidat der Peronisten und eine wichtige Figur der Schweizer Gemeinde in Argentinien.

Vom Berner Oberland nach Patagonien

Die Grossmutter von Néstor Kirchner, Berta Althaus-Kaenel, wanderte als kleines Kind mit ihrer Familie von der Schweiz nach Argentinien aus. Wegen wirtschaftlichen Schwierigkeiten mussten ihre Grosseltern ihr Leben und ihren Handel in Interlaken aufgeben und die Reise übers Meer wagen.

Am 6. Februar 1884 kam die Familie nach einigen Jahren in Südafrika in Buenos Aires an. Sie liess sich in Romang nieder, in einer der bedeutendsten Schweizer Kolonien der Provinz Santa Fe.

Berta Althaus heiratete dort Teofilo Kaenel, der ebenfalls Schweizer Wurzeln hatte (damals hiess die Familie wohl noch “von Känel”, ein weit verbreiteter Schweizer Name).

Schon im Alter von 35 Jahren verlor Berta ihren Mann, sie musste von da an ihre 4 Kinder alleine durchbringen. Zuerst führte sie ihre Familienbetriebe, eine Gerberei und eine Zigarettenfabrik, weiter. Dann zog sie ins Nachbardorf Río Gallegos zu ihrer Schwester.

Die älteste Tochter heiratete später Carlos Kirchner, einen Händler in der Region mit deutschen Vorfahren. Doch das Haus von Berta blieb der Mittelpunkt der Familie. Es war auch der Ort, an dem Néstor Kirchner einen grossen Teil seiner Kindheit verbrachte.

Von Santa Cruz nach Buenos Aires

Heute würde Berta Althaus Río Gallegos kaum wiedererkennen: Das Dorf wuchs zu einer veritablen Stadt, die während 5 Jahren von ihrem Grosssohn regiert wurde.

Der Aufschwung und Wandel von Río Gallegos ist eng verbunden mit den Einnahmen aus der Ölförderung im 20. Jahrhundert. Die Provinz Santa Cruz, wo Néstor Kirchner Gouverneur ist, produziert einen grossen Teil des argentinischen Rohöls.

Santa Cruz hat die tiefste Arbeitslosenrate des Landes. Und Kirchner will nun seine Wirtschaftspolitik auch auf nationaler Ebene weiterführen.

Wohnungsbau und gegen Korruption

Er will einerseits die am Boden liegende Wirtschaft wiederbeleben und der verarmten Bevölkerung so wieder auf die Beine helfen. Zudem verspricht er, auch gegen die Korruption in der Politik zu kämpfen.

In Zahlen bedeutet dies: Kirchner will innert 4 Jahren 3 Millionen Wohnungen bauen und damit 5 Millionen Arbeitsplätze schaffen.

Zudem will er die lukrativen Verträge im Sektor öffentlicher Dienstleistungs-Unternehmen überprüfen, welche die Regierungen unter Carlos Menem mit ausländischen Firmen (vor allem aus Frankreich und Spanien) abgeschlossen hatten.

Auch das Steuersystem hat Kirchner im Visier: Dieses soll neu aufgebaut und vereinfacht werden. Mit einem strengeren Kontrollsystem will Kirchner den Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verstärken.

Auch das bisherige System der Zahlungen an Provinzen und Gemeinden soll reformiert werden. Kirchner will die Zahlungen einstellen und durch einen neuen Finanzierungs-Mechanismus ersetzen.

swissinfo, Pierre Dumas, Buenos Aires
(Übertragung aus dem Französischen: Eva Herrmann)

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