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Kein schnelles Ende des politischen Chaos in Sicht

Eigentlich soll die Präsidentschaftswahl in Argentinien die fast eineinhalb Jahre des politischen Ausnahmezustandes in dem Land beenden.

Doch niemand rechnet damit, dass die erste Runde der Abstimmung am Sonntag klare Verhältnisse schafft.

19 Kandidaten bewerben sich um das höchste Staatsamt, nachdem das Land seit fast eineinhalb Jahren von dem vom Kongress bestimmten Präsidenten Eduardo Duhalde geführt wird. Der 1999 vom Volk gewählte Sozialdemokrat Fernando de la Rúa war nach Massenprotesten im Dezember 2001 zurückgetreten.

Resignation und Zynismus beherrschen die Stimmung vor der Wahl in dem einst so wohlhabenden Land, in dem inzwischen mehr als die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze lebt.

Menem der Inbegriff für Korruption

«Sollen sie doch alle abhauen.» So lautet ein Slogan der von der traditionellen politischen Klasse enttäuschten Argentinier und Argentinierinnen.

Regelrechter Hass schlägt dem rechtskonservativen Kandidaten Carlos Menem von vielen Seiten entgegen, der das Land von 1989 bis 1999 schon einmal regiert hatte.

57 Prozent der Befragten geben in Umfragen an, ihn auf keinen Fall wählen zu wollen. Für sie ist der 72-Jährige Inbegriff für Korruption und rücksichtslosen Neoliberalismus.

Dennoch führte der Peronist mit rund 18 Prozent lange die Meinungsumfragen an.

Statt an die Skandale scheinen sich etliche Menschen in dem südamerikanischen Land lieber an die niedrige Arbeitslosigkeit und den erfolgreichen Kampf gegen die Hyperinflation unter Menem zu erinnern.

Kandidaten mit Chancen

Neben Menem haben vier weitere Kandidaten Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Es könnte sogar sein, dass Menem am 18. Mai gegen einen Vertreter seiner eigenen Partei antreten muss: Die Peronisten schicken neben dem Ex-Präsidenten noch Néstor Kirchner und Adolfo Rodríguez Saá ins Rennen.

Saá war ebenfalls schon einmal Präsident – für eine Woche auf dem Höhepunkt der Unruhen im Dezember 2001. Er war es, der ankündigte, dass Argentinien die Bedienung seiner Auslandsschulden einstellen werde.

Nach Menem und Kirchner sehen Demoskopen den in den USA ausgebildeten Ökonomen Ricardo López Murphy auf Platz drei. Dank wachsender Unterstützung aus Unternehmerkreisen und Mittelschicht konnte der 52-Jährige in den Umfragen beständig zulegen.

Unter de la Rúa war er bereits Minister, verliess aber nach dessen Sturz die Radikale Bürgerunion und gründete eine eigene Partei.

Die wirtschaftspolitischen Ansätze des ehemaligen Beraters von Weltbank und Internationalem Währungsfonds unterscheiden sich nicht wesentlich von Menems neoliberalem Kurs. Doch belasten Murphy keine Korruptionsvorwürfe.

In letzten Umfragen lag Menem schliesslich praktisch gleichauf mit seinem Parteikollegen Néstor Kirchner und Ricardo López Murphy.

Elisa Carrió

Vor allem als Kämpferin gegen die Korruption tritt Elisa Carrió auf – auch sie ein ehemaliges Mitglied der Bürgerunion. Die 46-Jährige versuchte, eine ähnliche Bewegung für einen Kurswechsel wie im Nachbarland Brasilien im Gefolge von Luíz Inacio «Lula» da Silva loszutreten.

Ihre Versprechen, alle bisherigen Privatisierungen zu überprüfen und die Ölindustrie zu verstaatlichen, brachten Carrió auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Desasters im vergangenen Jahr grosse Popularität bei Arbeitern und Armen ein. Umfragen sehen sie aber nur bei zwölf Prozent der Stimmen.

swissinfo und Agenturen

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