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Ein monarchistisches Duell

Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal: Auge in Auge. swissinfo.ch

Rechts Nicolas Sarkozy, links Ségolène Royal: In Frankreich ist die längst erwartete Debatte mit den beiden Präsidentschaftskandidaten über die Bildschirme geflimmert.

Eine Analyse dieses wichtigsten Moments der Kampagne mit dem Fernsehmann Patrick Fischer und dem Theatermann François Rochaix.

Ein Nicolas Sarkozy, der sich nicht aufregt, der einerseits von “Respekt” spricht und Ironie einsetzt, um Gräben zwischen sich und seiner linken Kontrahentin auszuheben.

Und eine Ségolène Royal, die mit ihrem unschuldigen Lächeln einerseits und Aggressivität andererseits versucht, ihren bürgerlichen Konkurrenten zu verunsichern.

An diesem von mehreren Fernsehsendern ausgestrahlten Schauspiel nahmen am Mittwochabend während rund zweieinhalb Stunden etwa 20 Mio. Zuschauerinnen und Zuschauer teil.

“Zu Beginn der Debatte hielten sich beide zurück, wie Schauspieler, welche die Anweisungen des Regisseurs befolgen: nett bleiben, nicht unterbrechen, Distanz bewahren”, stellt der Regisseur und Direktor des Theaters von Carouge in Genf, François Rochaix fest. “Und dann wurde diese Regie-Regelung glücklicherweise durchbrochen, von Royal mehr als von Sarkozy.”

Auch Patrick Fischer, Journalist und Produzent beim Westschweizer Fernsehen, wurde vom kleinen Ausrutscher Ségolène Royals überrascht. “Jedermann erwartete prägende Sätze, aber es gab diesen Zornausbruch, mit dem sie Sarkozy mit ziemlicher Härte der politischen Unsittlichkeit bezichtigte. Bei den früheren Debatten kann ich mich nicht an solch einen Höhepunkt erinnern.”

Wie im Kino

In einem nüchternen Dekor sassen sich die Kandidierenden mit zwei Fernseh-Journalisten an einem weissen Tisch gegenüber.

“2007 – die Debatte”. Der Titel der Sendung deutete bereits auf ein Theater- oder Filmereignis hin. Und tatsächlich waren Parallelen auszumachen. Denn die politische Farbe der Kandidierenden, ihre jeweiligen Programme kennt man schon seit Ewigkeiten.

Was bringt also eine solche Debatte? Am 6. Mai werden die Stimmen gezählt und Kommentare verbreitet. Dagegen war diese Debatte unbestreitbar der Höhepunkt des Wahlkampfs, des Dramas: Das Zusammentreffen der beiden Filmhelden.

“Man erwartet viel von dieser Debatte, so etwas hat es 12 Jahre lang nicht mehr gegeben. Und sie war gut, ein richtiges Duell”, freut sich Patrick Fischer, Produzent und Präsentator der Sendung “Mise au point”.

Vom Theater zur Realität

Die grosse Debatte war sowohl Schauspiel wie auch sportliches Turnier: Dies bezeugten die allgegenwärtige Stoppuhr, die Bezeichnung des Siegers in den Medien und an den Stammtischen.

“Unter dem Gesichtspunkt der Idee bringe ich mehr Sympathie auf für Ségolène Royal. Aber unter dem Gesichtspunkt des Schauspiels meine ich, dass Sarkozy besser war”, fügt der Regisseur hinzu.

Patrick Fischer hat gemischte Gefühle: “Sarkozy ist seit Beginn der Kampagne in Führung. Die einzige Chance für Ségolène Royal zu punkten bestand darin, die Herausforderin gut zu spielen. Dies hat sie getan. Und dann, für einige Momente, gelang es ihr, Sarkozy zu verunsichern – und das im Fernsehen, wo er brilliant ist.”

Im Duell benutzten beide Kandidierende eine Phrase gemeinsam. Das “Ich will” war allgegenwärtig, damit eröffneten sowohl Royal wie auch Sarkozy viele Sätze.

“Man hat den Eindruck, es handelt sich um zwei Könige. Das ist irgendwie schockierend, denn Frankreich ist ja eine Demokratie”, schliesst Françoit Rochaix.

swissinfo, Bernard Léchot
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Die angesprochenen Themen im TV-Duell zwischen Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy:
Macht- und Präsidentschafts-Konzept
Rentenalter
Steuern
Wohnungsbau
Umwelt
Atomkraft
Bildung und Erziehung
Europa
Iran-Krise
Afrika
Immigration
Sans-Papiers
Reform der 5. Republik.

Die Fernsehdebatte Royal-Sarkozy zwischen den beiden Wahlrunden war die 5. ihrer Art. Es sind Debatten, die von prägenden Sätzen gezeichnet sind.

So zum Beispiel am 1. Mai 1974: Der Präsidentschaftskandidat der Linken, François Mitterrand, der im Zusammenhang mit der Verteilung des Wirtschaftswachstums sagte: “Das ist eine Sache des Herzens und nicht nur eine der Intelligenz.” Antwort des Kandidaten der Rechten, Valéry Giscard d’Estaing: “Sie haben nicht das Monopol des Herzens.”

1981 gab es wieder ein TV-Duell zwischen Giscard d’Estaing und Mitterrand, 1988 kreuzten Jacques Chirac und erneut Giscard d’Estaing die Klingen, 1995 hiess das Duell Chirac gegen Lionel Jospin. Nur 2002 gab es kein TV-Wortgefecht zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten: Chirac weigerte sich, zusammen mit dem Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen aufzutreten.

Seit dem 4. Februar 2007 präsentiert das Théâtre de la Madeleine in Paris Sonntags und Montags das Stück “Debatten 1974-1981”.

Es sind die Texte der Fernsehduelle zwischen Valéry Giscard d’Estaing und François Mitterrand, dargestellt von den beiden Theaterschauspielern Jacques Weber und François Balmer.

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