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Für die Präsidentschaft braucht es die Mitte

Presse sieht Sarkozy nach erstem Wahlgang im Vorteil. swissinfo.ch

Die Schweizer Presse ist zufrieden mit dem ersten Wahlgang fürs französische Präsidentenamt. Das Stimmvolk habe Extremisten abgelehnt und zwei Persönlichkeiten des politischen Wandels gewählt.

Für die Kommentatoren wird der nächste Bewohner oder die nächste Bewohnerin des Elysée-Palastes jene Person sein, welche die Mitte mobilisieren kann.

“Nur ‘Ségo’ kann ‘Sarko’ noch bremsen”, titelt die Neue Zürcher Zeitung ihren Kommentar.

Der Wettkampf sei wegen der relativ starken zwei Mitstreiter zwar bis zum Schluss spannend gewesen. “Am Ende hat sich das Wahlvolk aber doch für das klassische Duell zwischen dem konservativen Bewerber der Regierungspartei und der sozialistischen Herausforderin entschieden.”

Für beide sieht die Zeitung bei der Stichwahl am 6. Mai Chancen auf den Sieg, jedoch mit Vorteil Sarkozy. Er müsse “in den kommenden zwei Wochen moderate Töne anschlagen und eine breitere Wählerschaft ansprechen”.

Für Royal bleibe abzuwarten, “wie weit den Sozialisten in den kommenden zwei Wochen nicht doch noch die Schaffung einer breiten ‘Anti-Sarkozy-Front’ gelingen könnte”.

Klassisches Duell

Auch der Tages Anzeiger spricht in seinem Kommentar vom “klassischen Duell zwischen links und rechts”. Doch für Royal werde es schwierig.

“Statt weiter zu versuchen, mit ihrem widersprüchlichen Programm zu überzeugen, muss sie den zweiten Durchgang zu einem Referendum gegen Sarkozy umfunktionieren.”

Dennoch sei zu bezweifeln, “ob die Losung ‘Alles, nur nicht Sarkozy!’ aber den Erwartungen der Wähler entspricht”.

“Wer die Stimmen der Mitte für sich gewinnt, wird sich am 6. Mai durchsetzen”, ist für die Basler Zeitung klar. Enttäuscht seien jene, die sich von der Wahl einen Systemwechsel erhofft und auf den Zentrumskandidaten Bayrou gesetzt hätten.

Schlappe ausgebügelt

“Rückenwind für Ségolène Royal”, titelt der Bund, und sieht die eigentliche Siegerin dieser Wahl in der sozialistischen Kandidatin. Ausgerechnet sie, die im Wahlkampf in diverse Fettnäpfchen getreten sei, “hat für die Sozialisten die dramatische Schlappe von 2002 gutgemacht”.

Klar sei, dass nun beide um Bayrous Wähler buhlen würden. “Denn nur wer die Mitte gewinnt, ohne die eigene Klientel vor den Kopf zu stossen, zieht ins Elysée ein.”

Die Aargauer Zeitung vermeldet zwar: “Klarer Vorteil für Sarkozy.” Doch so eindeutig wie im Titel will sich der Kommentator doch nicht festlegen. “Royal hat nun schon zu viele Hürden genommen, als dass sie noch unterschätzt werden könnte.”

Im ersten Wahlgang habe sich einmal mehr gezeigt, “dass die politische Mitte in Frankreich keinen Rückhalt geniesst”. Bis zum zweiten Wahlgang dürfte es nun “in erster Linie um die Reformen in der ‘Grande Nation’ gehen.

Demokratie siegt

Nicht nur zwei, sondern drei Sieger hat die Neue Luzerner Zeitung ausgemacht. “Zuoberst steht die Demokratie: Mit einer Rekordwahlbeteiligung von sage und schreibe 85 Prozent haben die Stimmberechtigten eindrücklich bewiesen, dass sie die Zukunft ihres Landes mitbestimmen wollen.”

Zugespitzt wie immer bringt es der Blick auf die Reihe: “Frankreich hat seinen Traumfinal: Sarko gegen Ségo. Mann gegen Frau. Rechts gegen Links.”

Das Boulevardblatt sagt für den zweiten Wahlgang ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. “Weil sein Programm klar ist, heisst es: leichter Vorteil Sarko.”

Gegen Extremismus

Für die Berner Zeitung ist das Ergebnis der ersten Runde ein “Beweis der Reife”, dass die Stimmenden mit grosser Mehrheit staatstragende Parteien und nicht radikale Extremisten unterstützt hätten.

“Hinter diesem Wandel steckt ein Wahlkampf, der wohl der spannendste in der Geschichte der V. Republik war.” Nun stünden sich am 6. Mai “zwei Geschlechter, zwei echte Persönlichkeiten, zwei Gesellschaftsmodelle und zwei Visionen gegenüber”.

Politisiertes, gespaltenes Volk

Für die Westschweizer Zeitung 24 heures markiert die hohe Stimmbeteiligung zuallererst “die Rückkehr zur Politik” und kommt zum Schluss: “Ein klares Duell für ein politisiertes Volk? Erfreulich.”

Le Temps titelt “Ein zweigeteiltes Frankreich”. Mit der Wahl Sarkozys und Royals hätten die Franzosen eine logische, rationale Auswahl getätigt. “Am 6. Mai wird über zwei Visionen der Welt, zwei unterschiedliche Zukunftsprojekte Frankreichs abgestimmt.”

Daher habe der zukünftige Präsident oder die zukünftige Präsidentin, “die schwere Aufgabe, ein zweigeteiltes Land vorwärts zu bringen.”

Auch der Corriere del Ticino legt den Finger auf die Unentschlossenheit des französischen Wahlvolks. Laut der Zeitung handelt es sich beim Resultat um “ein Symptom der Unsicherheit”, welches die Ängste und Ungewissheiten aufzeige, “die vielen Franzosen den Schlaf rauben”.

swissinfo, Christian Raaflaub

Im ersten Wahlgang um die französische Präsidentschaft sind zwölf Kandidatinnen und Kandidaten angetreten.

Vier von ihnen haben je über 10% der Stimmen erhalten: Nicolas Sarkozy, UMP (31,11%), Ségolène Royal, PS (25,84%), François Bayrou, UDF (18,55%), Jean-Marie Le Pen, FN (10,51%).

Nur die beiden Erstplatzierten, Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal, werden am 6. Mai zum zweiten Wahlgang antreten.

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