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Einbürgerungs-Kompromiss in Emmen

An der Urne wurden in Emmen Einbürgerungen verweigert, an der Urne wurde diese Praxis wieder abgeschafft. Keystone Archive

In Emmen im Kanton Luzern wird zukünftig eine gewählte Kommission Einbürgerungen behandeln und nicht mehr das Stimmvolk an der Urne.

Mit 68,4% Ja-Stimmen entschieden sich die Stimmberechtigten damit für eine Lösung, welche im Einklang mit dem Urteil des Bundesgerichts ist.

Die Gemeinde Emmen hat einen Ausweg aus dem Debakel mit den Einbürgerungen an der Urne gefunden: Neu wird eine Kommission über die Erteilung des Bürgerrechts an Ausländer befinden.

Dieser Entscheid fiel an der kommunalen Abstimmung am Sonntag klar mit 4102 gegen 1899 Stimmen. Das sind 68,4% Ja-Stimmen zu 31,6% Nein-Stimmen. Die Stimmbeteiligung betrug 40 Prozent.

SVP verlangte Abstimmung

Bis 1999 entschied das Gemeindeparlament über Einbürgerungen. Eine vom Volk angenommene Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) führte zum Systemwechsel: Fortan sollte das Emmener Stimmvolk an der Urne über die Gewährung des Bürgerrechts entscheiden. Und es stimmte vor allem gegen Einbürgerungen.

Die nach Luzern zweitgrösste Stadt der Zentralschweiz – die auch den höchsten Ausländeranteil und überdurchschnittliche Arbeitslosenzahlen aufweist – geriet in die Schlagzeilen, weil Gesuchsteller aus dem Balkan regelmässig abblitzten.

Bundesgerichts-Urteil brachte die Wende

Bis im Jahre 2003 wurden 97 Personen, davon 85 aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Schweizer Pass verweigert. 230 Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien zogen ihr Einbürgerungsgesuch in Emmen zurück. Einige der Abgewiesenen legten Rekurs ein. Die umstrittenen Abstimmungen wurden ausgesetzt.

Das Bundesgericht fällte im Juli 2003 das Aufsehen erregende Urteil, dass Einbürgerungen an der Urne diskriminierend seien. Die obersten Richter befanden, dass ablehnende Entscheide begründet werden müssten. Dies sei bei einer anonymen Volksabstimmung nicht möglich. Damit setzte das Gericht Urnenabstimmungen über Einbürgerungen ein Ende. Mehrere Gemeinden in der Schweiz mussten ihre Einbürgerungs-Verfahren anpassen.

SVP beugt sich dem Druck

Die Einsetzung einer Bürgerrechtskommission in Emmen wurde vom Gemeindeparlament klar befürwortet. Die neue Kommission umfasst neun Mitglieder und wird vom Volk im Proporzverfahren gewählt.

Selbst die SVP Emmen befürwortete deren Annahme, jedoch nur zur Verhinderung eines kantonalen Diktats – der Kanton Luzern hätte Einschreiten und einen verfassungsmässigen Zustand in der Gemeinde herstellen müssen. Die SVP Emmen kritisierte jedoch das Eingreifen des Bundesgerichts und spricht sich weiterhin für Urnenabstimmungen in Bürgerrechtsfragen aus.

swissinfo und Agenturen

Im Jahre 2000 hatten 20,5% der 7 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern keinen Schweizer Pass.
Jährlich bewerben sich rund 20’000 Menschen um das Schweizer Bürgerrecht.
Zuständig für die Erteilung des Bürgerrechts sind die Gemeinden.
440’000 Ausländerinnen und Ausländer der zweiten und dritten Generation leben in der Schweiz.
Im vergangenen September wurde die vereinfachte Einbürgerung für die zweite Generation und automatische Einbürgerung für die dritte Generation vom Schweizer Stimmvolk abgelehnt.

Die erste Einbürgerungsabstimmung in Emmen fand am 12. September 1999 statt, vorher hatte das Gemeindeparlament entschieden.
Bis im Sommer 2003 wurde 97 Personen, davon 85 aus dem früheren Jugoslawien, der Schweizer Pass verweigert.
Das Bundesgericht entschied im Juli 2003, dass Einbürgerungs-Entscheide an der Urne nicht zulässig sind, weil sie nicht begründet werden können.
Das Urteil hatte einen Präzedenzcharakter und führte zu Änderungen bei der Einbürgerung in der ganzen Schweiz.

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