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Eine WM der anderen Art

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Wo einst Sportlerinnen und Sportler einmarschierten, nehmen nun junge Berufsmenschen den Platz ein: Am 12. September wurden im Olympiastadion im südkoreanischen Seoul die 36. Berufs-Weltmeisterschaften eröffnet.

Sie sind Coiffeur und Landschaftsgärtner, Koch und Mechatroniker, Damenschneiderin und Stukkateur. Sie haben dieses Jahr die Berufslehre abgeschlossen und krönen nun ihren Erfolg eventuell mit einer Medaille internationaler Bedeutung. Sie, das sind drei Schweizerinnen und 34 Schweizer in Seoul.

Hohe Erwartungen, grosse Nervosität

Die 37 kämpfen in 35 Disziplinen um Medaillen. Ein Schweizer Exploit sollte eigentlich möglich sein. Vor zwei Jahren in Montreal, Kanada, holte die Schweiz fünf goldene, sechs silberne und vier bronzene Medaillen. Die Erwartungen sind gross, die Nervosität hoch: “Es ist mein erster Flug, das erste Mal, dass ich so weit weg gehe”, erklärt der Mechatroniker (ehemals Elektromechaniker) Stefan Schmid sein Kribbeln im Bauch. Und da ist noch der Gedanke an die Konkurrenz, vor allem die koreanische Konkurrenz.

“Sie haben sich während ihrer ganzen Ausbildung auf die Berufs-WM vorbereitet, während wir in der Lehre waren.” Stefan Schmid trainiert seit Anfang Jahr, seit seiner Lehrabschluss-Prüfung im Juni intensiv drei Tage die Woche.

Unterschiedliche Wege führen zum Ziel

Um an der Berufs WM teilzunehmen, spielt die Ausbildung keine Rolle, erklärt Christine Davatz-Höchner, Delegationsleiterin und Leiterin der Förderstelle für Schweizer Berufsmeisterschaften (FSBM). Am Wettbewerb wird eine Aufgabe gestellt, die unterschiedlich gelöst werden kann. Das Resultat sollte jedoch dasselbe sein.

Die Schweiz habe ganz klar einen Vorteil, meint Davatz gegenüber swissinfo. Mit dem schweizerischen System der dualen Berufslehre (Praxis und Theorie) “stehen unsere jungen Leute sehr praktisch in der Arbeit”. Andere Länder übten mehr – konkret auf diese WM hin.

Aber die Schweiz habe gute Chancen, “vor allem bei den Hölzigen”, spornt Davatz ihre Schützlinge an. Die Erwartungen sind hoch gesteckt, denn Montreal war bekanntlich aus Schweizer Sicht ertragreich. Doch die Bedeutung einer Medaille sei in der Schweiz gering. In Korea erhalte ein Gewinner, eine Gewinnerin Zugang zu einer Universität. In der Schweiz schüttelt der Bundesrat die Hand. “Das ist der erste Preis”, so Davatz.

Internationaler Vergleich

Und trotzdem ist der internationale Wettbewerb bedeutend. Er zeigt, wie die einzelnen Berufe im internationalen Bereich dastehen. Und die Schweiz macht sich gut. Schade ist jedoch, dass sehr wenig Tessiner und Tessinerinnen oder Romands in Seoul vertreten sind. “Das System der dualen Berufslehre ist in der lateinischen Schweiz weniger verankert”, versucht Christine Davatz zu erklären.

Der rote Schweizer Pass ist gut vertreten. In 22 Stunden, verteilt auf vier Tage, werden die 37 Schweizerinnen und Schweizer das Gelernte umsetzen – dem Publikum und dem Druck ausgesetzt. “Was verlangt wird, kann ich”, gibt sich Andreas Ramseier selbstsicher. Der Steinmetz räumt sich trotz harter Konkurrenz Chancen auf einen guten Rang ein. “22 Stunden in vier Tagen. Da muss man das Gleichgewicht zwischen Präzision und Schnelligkeit finden.” Ein Rezept, das für alle gilt.

Rebecca Vermot

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