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Einwanderung: EU-Staaten bestehen auf nationaler Hoheit

Illegale Immigranten stehen in Mailand Schlange für Papiere, die ihre Situation regeln sollen. Reuters

Ihre Ausländerpolitik bestimmen die EU-Staaten weitgehend selber. Eine Ausnahme sind die Mindestregeln der Europäischen Union für den Familiennachzug.

Dabei können die Länder für über 12-jährige allein Einreisende gewisse Bedingungen vorschreiben.

Als Spanien im Jahr 2004 hunderttausende Ausländerinnen und Ausländer legalisierte, führte dies in anderen EU-Staaten zu lautem Murren. Denn nach fünf Jahren gilt für diese Personen die Freizügigkeit in der ganzen EU.

Vor allem Deutschland will selber bestimmen, welche Drittstaat-Angehörigen einwandern dürfen.

Die Stossrichtung der Migrationspolitik ist allerdings in ganz Europa ähnlich: Der Zuzug von unqualifizierten Einwanderern soll eingeschränkt werden und gleichzeitig die Tür für gefragte Fachkräfte offen stehen.

Gemeinsame Leitplanken

Aus der Sicht Brüssels braucht es deshalb nicht nur einen einheitlichen Kampf gegen die illegale Migration, sondern auch gemeinsame Leitplanken für die legale Einwanderung. Die EU-Kommission geht dabei in kleinen Schritten voran.

Mit Aktionsplänen wird das Terrain sondiert, wo Gesetzesvorhaben eine Chance haben könnten. Derzeit geprüft wird etwa die Idee einer EU-weit gültigen Arbeitsgenehmigung für Hochqualifizierte nach dem Vorbild der US-amerikanischen “Green Card”.

Bereits einheitliche Bestimmungen beschlossen wurden für ausländische Studierende, Schülerinnen und Schüler – sowie seit vergangenem Oktober beim Recht auf Familien-Zusammenführung.

Keine Frist für Nachzug von Jugendlichen

Die EU-Richtlinie schreibt nur Mindestanforderungen vor und lässt den Ländern Raum für die Ausgestaltung. Auch die EU-Staaten können zum Beispiel selber bestimmen, ob sie für den Familiennachzug einen Nachweis über genügend Wohnraum und Einkünfte verlangen wollen. Dies ist denn auch neu im Entwurf für das französische Einwanderungsrecht vorgesehen.

Bei Kindern über 12 Jahren, die unabhängig vom Rest der Familie ankommen, kann ein EU-Staat zudem (wie bei Erwachsenen auch) Integrationskriterien vorschreiben. Eine Frist für den Nachzug von Kindern über 12 Jahren ist in den EU-Bestimmungen nicht vorgesehen.

Die EU-Staaten können hingegen verlangen, dass ein Antrag auf Familien-Zusammenführung vor Vollendung des 15. Lebensjahres gestellt wird.

Zwangsmassnahmen für Weggewiesene

Für Weggewiesene sieht das Schweizer Ausländergesetz eine Beuge- und Ausschaffungshaft von maximal 24 Monaten vor. Im Kampf gegen die illegale Einwanderung strebt die EU-Kommission aber im ganzen Schengen/Dublin-Raum gemeinsame Standards für die Rückführung an.

Der Kommissionsvorschlag, der derzeit von den Vertretern der Schengenmitglieder (inklusive der Schweiz) sowie den EU-Parlamentsausschüssen beraten wird, sieht dabei eine maximale Haftdauer von sechs Monaten vor.

Wie die Einigung aussehen und wann sie in Kraft treten wird, ist noch offen. Falls schliesslich Bestimmungen gefasst werden, mit welchen die Schweizer Regelung nicht vereinbar ist, müsste Bern gemäss dem Schengen/Dublin-Abkommen seine Bestimmungen ändern.

swissinfo und Agenturen

Das heutige Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) stammt von 1931. Seither wurde es im Gleichschritt mit dem Asylgesetz verschärft.

Ab 1950: Steigende Einwanderung von Gastarbeitern. Bundesrat erlässt Verordnungen zum Ausländerrecht, so ab 1963 über die Kontingentierung des Ausländerbestands.

1965-1988: Von sechs Volksinitiativen zur Beschränkung des Ausländerbestands respektive der Einwanderung hat keine Erfolg.

1982: In Referendums-Abstimmung wird neues Ausländergesetz (u.a. mit Verbesserungen für Saisonniers) knapp verworfen (50,4% Nein).

1987: In Referendums-Abstimmung werden Teilrevisionen des Asylgesetzes und des ANAG mit über 60% Ja angenommen. Im ANAG wird Möglichkeit einer 30-tägigen Ausschaffungshaft eingeführt.

1994: Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht wird mit 73% Ja angenommen. Es bringt im ANAG härtere Strafbestimmungen gegen Ausländer ohne Bleiberecht (Vorbereitungshaft, Rayonverbote).

1999: Dringliche Massnahmen im Ausländer- und Asylbereich werden zusammen mit Asylgesetzrevision mit je 71% Ja angenommen.

2005: Eidg. Räte verabschieden neues Ausländergesetz. Grüne, Linke, Hilfswerke und kirchliche Kreise ergreifen dagegen das Referendum.

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