Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Erneutes Sesselrücken in der Landesregierung?

In diese Wahlurnen werfen die Parlamentarier am 12.12. ihren Stimmzettel. Keystone

Schafft die Grüne Partei den Einzug in die Regierung, oder will sie gar nicht? Oder bleibt alles beim Alten und die Christlichdemokraten erhalten als Kompensation den Bundeskanzler-Posten?

Die so genannte Zauberformel, welche die Aufteilung der Regierungssitze auf die stärksten Parteien im Parlament bestimmt, gerät immer mehr unter Druck.

Mit dem Erstarken der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in den vergangenen Jahren wurde die Zauberformel nach den letzten Parlamentswahlen 2003 umgeschrieben.

In einer dramatischen Wahl musste die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) ihren zweiten Sitz an die SVP abgeben.

Derzeit sind die SVP, die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und die Sozialdemokratische Partei (SP) mit je zwei Personen vertreten, die CVP mit einer.

Parlament wählt

Doch “nach den Wahlen” (Parlament am 21. Oktober) ist “vor den Wahlen” (Bundesrat am 12. Dezember). Denn das neue Parlament wird als eine der ersten Handlungen gleich den gesamten Bundesrat bestätigen oder aber neu zusammenstellen können.

Daher kommt den Wahlen auch im Hinblick auf die Machtaufteilung in der Regierung eine grosse Bedeutung zu. In den letzten Umfragen nämlich zeichneten sich einige Verschiebungen ab.

Während SVP und SP weitgehend unbestritten an der Spitze bleiben könnten, wird der CVP ein leichtes Erstarken prognostiziert, was sie wieder fast auf Augenhöhe mit der FDP bringen könnte.

Grüne als Joker?

Und mit dem in Umfragen und Studien prognostizierten Aufstieg der Grünen Partei über die 10%-Marke hinaus kommt nun möglicherweise noch ein Mitspieler mehr an den Verhandlungstisch.

Von der Arithmetik her würde der Partei mit diesem Stimmenanteil eigentlich ein Sitz zustehen, wenn man bedenkt, dass die FDP mit prognostizierten 16% deren zwei hat.

“Rein arithmetisch gesehen haben wir damit vermutlich das wichtigste, das wahrscheinlichste von allen Szenarien: Gelingt es den Grünen, auf Kosten der FDP allenfalls einen Wechsel zu erreichen?”, sagt Claude Longchamp, Politologe und Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, gegenüber swissinfo.

Mehr

Mehr

Zauberformel

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Zauberformel schlüsselt die sieben Sitze im Bundesrat (Landesregierung) auf die wichtigsten Parteien in der Schweiz nach ihrer Wählerstärke auf. Sie ist eine Usanz und gründet auf keinem Gesetz. Sie respektiert auch das sprachliche Gleichgewicht. Sie kam erstmals 1959 zum Einsatz: Je zwei Sitze erhielten die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die…

Mehr Zauberformel

CVP Zünglein an der Waage?

Er gibt auch zu bedenken, dass dieses Szenario Rot-Grün in der Landesregierung stärken und damit den rechten Block von SVP und FDP wieder schwächen würde.

“Für die Konkordanz wäre das natürlich ganz spannend, denn die CVP hätte dann links wie rechts je einen Block von drei Bundesräten und sie könnte mit ihrer einzigen Vertreterin jeweils den Entscheid geben.”

Allerdings wollen die Grünen nur dann mittun, wenn SVP-Justizminister Christoph Blocher aus dem Bundesrat gekippt wird. Und damit sinken ihre Wahlchancen praktisch wieder gegen Null.

“Diese Forderung ist so illusorisch, dass man das auch so lesen kann: Die Grünen wollen eigentlich gar nicht in die Landesregierung”, vermutet Longchamp.

Grünen fehlt Konkordanz

Dem widerspricht Parteipräsidentin Ruth Genner vehement. “Überhaupt nicht. Aber es hat keinen Sinn, sich in eine Konkordanz zu begeben, die von der Idee her keine Konkordanz ist.”

Die Landesregierung in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung sei sich in wesentlichen Grundfragen nicht einig, betont sie. “Und da wäre es für uns keine Option, mitzuarbeiten.”

Grundsätzlich sei die Partei reif für den Bundesrat, meint Genner. “Wann und mit wem wir diese Option einlösen wollen, ist allerdings für uns noch offen. ” Eine Voraussetzung dafür sei ein Sitz im Ständerat.

Sollte Blocher, der umstrittenste Bundesrat, am 12.12. wider aller Erwartungen dennoch abgewählt werden, könnte das Gleichgewicht der Kräfte ins Wanken geraten. “Das könnte zu einem ziemlich ungeordneten Wahlverfahren ausarten. Mit unsicherem Ausgang”, sagt Longchamp.

Mehr

Mehr

Konkordanz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Unter Konkordanz versteht man die unablässige Suche eines Gleichgewichts oder eines Kompromisses sowohl zwischen Parteien wie auch zwischen den verschiedenen sprachlichen, sozialen und politischen Kulturräumen, welche die Schweiz ausmachen. Einer der offensichtlichsten Aspekte des Konkordanzsystems ist die Aufteilung der sieben Bundesrats-Sitze auf die wichtigsten Parteien nach ihrer proportionalen Wählerstärke, unter Respektierung des sprachlichen Gleichgewichts der…

Mehr Konkordanz

Bundeskanzler-Posten

Zusätzlich für Spannung sorgen könnte die Tatsache, dass kein Rücktritt eines Regierungsmitglieds angekündigt ist. Mit Rücktritten vor Wahlen konnten Parteien auch schon Sitze retten, so mit jenem zweier CVP-Vertreter 1999.

“Diese Taktik der Parteien ist in Verruf geraten”, betont Longchamp. “Deshalb hat sich wahrscheinlich auch keiner der Bundesräte getraut, im Wahljahr seinen Rücktritt anzukündigen.”

Allerdings sieht Longchamp eine andere Möglichkeit: “Es würde mich am Schluss nicht erstaunen, wenn die Zusammensetzung der Bundesräte parteipolitisch gleich bleiben würde, und wenn wir nach den Parlamentswahlen eine Diskussion hätten, ob die CVP nicht den Bundeskanzlerposten bekommen sollte und damit etwas gestärkt aus diesen Wahlen hervorgehen könnte.”

Das Timing wäre perfekt, tritt doch die gegenwärtige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz (FDP) auf Ende Jahr zurück. Vizekanzlerin ist Corina Casanova (CVP). Die Rätoromanin steht damit in bester Position.

swissinfo, Christian Raaflaub

Parteistärken in letztem Wahlbarometer (in Klammern: Wahlen 2003)
Schweizerische Volkspartei (SVP): 26,2% (26,7%)
Sozialdemokratische Partei (SP): 21,6% (23,3%)
Freisinnig-Demokratische Partei (FDP): 16,2% (17,3%)
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP): 14,6% (14,4%)
Grüne Partei: 10,3% (7,4%)

Alle vier Jahre bestimmt das Schweizer Parlament nach den Wahlen auch die Landesregierung neu.

Während andere Länder einen Präsidenten oder Ministerpräsidenten kennen, wird die Schweiz kollegial von sieben Ministern (Bundesräten) regiert.

Die Schweizer Regierung, die ebenfalls Bundesrat genannt wird, ist eine Konkordanzregierung. Je nach Wählerstärke einer Partei hat diese derzeit einen oder zwei Sitze im Bundesrat besetzt.

2 SVP: Samuel Schmid (Verteidigungsminister), Christoph Blocher (Justizminister)

2 SP: Moritz Leuenberger (Kommunikationsminister), Micheline Calmy-Rey (Aussenministerin und Bundespräsidentin 2007)

2 FDP: Pascal Couchepin (Innenminister und Vizepräsident 2007), Hans-Rudolf Merz (Finanzminister)

1 CVP: Doris Leuthard (Volkswirtschaftsministerin)

Das Amt des Bundespräsidenten ist rein repräsentativ und im Rotationsprinzip auf ein Jahr beschränkt.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft