Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Erst die Nationalbank hat den Franken “nationalisiert”

Bis heute befindet sich das Münzmonopol nicht im Besitz der Nationalbank. Das Banknoten-Monopol hingegen schon. Keystone

1850 wurde der Schweizer Franken als Einheitswährung geschaffen. An eine Nationalbank zur Ueberwachung der neuen Währung dachte damals noch niemand.

Diese wurde erst 1907 gegründet. Ihre primäre Aufgabe bestand in der Versorgung der Wirtschaft mit Geld. Heutige Anliegen wie Preisstabilität, Zinssätze und Wechselkurse kamen erst viel später hinzu.

Dass die Währung etwas Einheitliches und Staatliches sein soll, gilt zwar heute als selbstverständlich. Doch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es üblich, das Geld als Privatsache zu erachten: Private Geschäfts- und Kantonalbanken gaben eigene Banknoten, vor 1848 auch eigene Gold- und Silbermünzen heraus.

Da die Edelmetalle einen absoluten Wert an sich darstellten, und alle Banknoten als eine Art Schuldscheine auf eine entsprechende Menge Gold ausgestellt waren, war Inflation, sprich Geldentwertung, noch kein Thema. Jedermann wusste, dass er eine Banknote am Schalter der betreffenden Bank in Gold umtauschen konnte.

Münz- und Notenwirrwarr

Dieses Privatgeld, jeder Kanton hatte sein eigenes, führte mit zunehmendem Wirtschaftswachstum zu einem Münzen- und Notenwirrwarr. Der Zahlungsverkehr wurde zu kompliziert.

1850 wurde dann der Franken als einheitliche Landeswährung eingeführt, zwei Jahre nachdem die Ausgabe der Gold- und Silbermünzen (Münzregal) zur zentralen Bundessache erklärt worden war.

Von einer nationalen Zentralbank war man noch weit entfernt. Auch nach 1850 überwachte niemand die Emission von Banknoten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam es “zu einer Zunahme der Monetarisierung der Wirtschaft”, so Hans Geiger vom Swiss Banking Institute der Uni Zürich: Der Gebrauch von Papiergeld nahm zu, und zwar stärker als die Goldvorräte wuchsen.

Grosse Krisenanfälligkeit

“Gab es zu wenig Gold, gab es auch zu wenig Geld. Das behinderte die Wirtschaft”, so Geiger. Besonders bei Krisen stockte die Geldversorgung: Die Bevölkerung steckte ihre Münzen unter die Matratze, worauf sie im Geldumlauf fehlten: Die Zahlungsmittel wurden knapp.

Dem Land fehlte es an Zahlungsmitteln – dem wichtigsten Schmiermittel der Wirtschaft. Ab 1870 intensivierte sich die Diskussion, ob ein zentrales Geldinstitut nicht doch die bessere Lösung wäre.

Das Stimmvolk befürwortete 1891 eine Änderung der Verfassung, die dem Bund neben dem Münz-Monopol auch jenes für Noten übertragen wollte.

Bis 1905 stritt man sich, bis das entsprechende Bundesgesetz endlich stand. Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) 1907 schliesslich gegründet wurde, standen viele eidgenössische Kompromisse und Zugeständnisse an.

So wählte man als juristische Form der SNB die private Aktiengesellschaft. Damit konnten die Kantone und Kantonalbanken zu Mehrheitsaktionären gemacht werden. Denn sie hatten am meisten Souveränität eingebüsst. Bis heute erhalten sie dafür zwei Drittel des jährlichen Nationalbank-Gewinns.

Depression, Abwertung, Floating, Euro

Seither stand die SNB vor vielen Herausforderungen. Die bekanntesten sind die Abwertung von 1936, das Floating 1973 und die Einführung des Euro.

Den ersten Weltkrieg finanzierten viele Länder mit Hilfe der Notenpresse. Der SNB gelang nach dem Krieg der Abbau der Inflation, in Deutschland jedoch führte sie zur Hyperinflation, der dann die grosse Weltwirtschaftskrise folgte.

Gegen den Willen der Nationalbank wertete der Bundesrat im Herbst 1936 den Franken um 30% ab, was im heutigen Urteil von Experten verspätet war.

Auch die Abkehr von der Golddeckung respektive von der Einlösepflicht, die 1973 zum “Floating” der Währungen führte, ging auf einen Krieg zurück: Für die Finanzierung der Vietnam-Kriegsschulden, schaffte die US-Regierung die Gold-Einlösepflicht für den Dollar ab.

Dies führte zu einer grossen Dollarschwäche, welcher auf internationaler Ebene die Aufgabe des Systems der fixen Wechselkurse folgte. Es begann das Regime der flexiblen Wechselkurse. Auch der Schweizer Franken “floatete” ab 1973.

Gleichzeitig überzog der Schatten der Inflation die Weltwährungen. Mit rigiden (Leit-)Zinssatz-Entscheiden versuchte auch die Nationalbank, der Geldentwertung Herr zu werden. Denn über die Zinshöhe lassen sich die Kredite der Geschäftsbanken steuern, was aber auch die Konjunktur dämpft.

Bleibt der Franken für immer?

Im Januar 1999 wurde der Euro als Buchgeld, 2002 als Bargeld eingeführt. Viele fürchteten, dass damit mittelfristig auch dem Franken das letzte Stündchen als Zahlungsmittel schlug.

Doch der Franken lebt weiter. Solange die geldpolitische Ausrichtung in Euroland und in der Schweiz ähnlich bleibt, wird dies für Wechselkurs-Konstanz sorgen.

Sollten aber die Ziele der Europäischen Zentralbank eines Tages nicht mehr mit jenen der Schweizerischen Nationalbank harmonieren, ist mit spürbar grösseren Ausschlägen des Frankenkurses zu rechnen.

swissinfo, Alexander Künzle

Die wichtigste Aufgabe der Nationalbank ist heute die Geld- und Währungspolitik.

Laut Bundesverfassung/Nationalbankgesetz gewährleistet sie Preisstabilität, wobei sie der konjunkturellen Entwicklung Rechnung trägt.

Anfangs spielten die Ausgabe von Banknoten und der Geldverkehr für die SNB die wichtigste Rolle. Um die (im 19. Jahrhundert noch wichtigeren) Münzen kümmert sich die Eidgenössische Finanzverwaltung.

Die SNB hat sich auch um die Stabilität des Finanzsystems zu sorgen.

Schliesslich ist sie die “Hausbank” des Bundes, dessen Zahlungsverkehr und Geld- und Kapitalmarktgeschäfte sie abwickelt, dessen Liquidität und Wertschriften sie verwaltet.

Ende 2006 beschäftigte sie 664 Personen. Die Führungsspitze ist ein Direktorium von 3 Personen. Präsident des Direktoriums ist gegenwärtig der Walliser Jean-Pierre Roth.

Im ersten Jahr des Frankens wurden zwar fast 66 Mio. alte Münzen umgetauscht. Die Neuprägungen machten jedoch nur rund 20% des gesamten Geldumlaufs aus.

Der Bundesrat musste zu Beginn der Not gehorchend französische und andere Münzen den schweizerischen gleichstellen.

Die Folgejahre waren auch nicht einfacher. Das Silber verteuerte sich im Vergleich zum Gold. Viele Schweizer Silbermünzen wurden deshalb eingeschmolzen und das gewonnene Metall nach Frankreich gegen französische Goldmünzen verkauft.

Dies führte bei uns zu einer Verknappung an Münzen. Unser Land sah
sich darum 1860 gezwungen, die französischen Goldmünzen zu anerkennen.

Es folgten 60 Jahre Mitgliedschaft der Schweiz in der lateinischen Münzunion mit Frankreich, Belgien, Italien und Griechenland.

Erst mit der Auflösung dieser Münzunion 1926 hatte die Schweiz erstmals ein eigenes Währungssystem mit ausschliesslich eigenen Zahlungsmitteln, allerdings basierend auf dem System der Goldparität.

Und erst mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems, das über die Wechselkurse und die Goldparität wachte, erlangten wir 1973 flexible Wechselkurse und unsere Nationalbank damit die vollständige geldpolitische Autonomie.

Die Einführung des Frankens vor 150 Jahren entpuppt sich insgesamt als eine Erfolgsgeschichte.

(aus: Festrede von Bundesrat Hans-Rudolf Merz vom 10. Juni 2005 zum Vater des Schweizerfrankens: Bundesrat Munzinger)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft