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Erster nationaler Test für Bürgerlich-Demokraten

Überzeugt, dass die Schweiz nach wie vor eine Milizarmee braucht: Hans Grunder. EQ Images

Die Bürgerlich-Demokratische Partei entstand 2008 durch die Abspaltung des liberalen Flügels von der Schweizerischen Volkspartei. Sie nimmt im Herbst 2011 erstmals an nationalen Wahlen teil. swissinfo.ch befragte den Parteipräsidenten Hans Grunder.

swissinfo.ch: Welche Prioritäten will Ihre Partei in der kommenden Legislaturperiode verfolgen?

Hans Grunder: Zuerst müssen wir die Wahlen über uns ergehen lassen und gewinnen. Nach den Wahlen werden wir sicher unseren Beitrag zu leisten versuchen, um die Politik zu versachlichen und dafür zu sorgen, dass diese Polarisierung aufhört.

swissinfo.ch: In welchen Bereichen muss Ihrer Ansicht nach der Bund sparen und wofür soll er künftig mehr Geld ausgeben?

H.G.: Es ist wichtig, dass wir mit Bezug auf die Investitionen eine gute Balance finden. Zu einer guten Finanzpolitik gehören eben auch die Investitionen.

Auf der Ausgabenseite besteht nach wie vor ein Handlungsbedarf. Da möchten wir mithelfen, den Staat schlanker zu machen.

swissinfo.ch: In welchen Bereichen möchten Sie einen schlankeren Staat?

H.G.: Ich denke an das Personal. Hier kann man abbauen. Zudem müssen wir die Privatisierung gewisser Regiebetriebe überprüfen.

Konkret denke ich an das Bundesamt für Landestopographie, aber auch an die ganze Informatik, die Milliarden verschlingt. Da besteht Handlungsbedarf, da gibt es ein Sparpotenzial.

swissinfo.ch: Welchen Weg soll die Schweiz in der Europa-Frage verfolgen?

H.G.: Ich bin überzeugt, dass wir weiterhin versuchen müssen, den bilateralen Weg zu gehen. Ein EU-Beitritt kommt für uns überhaupt nicht in Frage.

Es ist eine schwierige Aufgabe. Ich bin der Meinung, es ist sehr wichtig, dass wir vorangehen und nicht nur reagieren, sondern auch agieren.

swissinfo.ch: Was heisst das konkret? Ideen entwickeln?

H.G.: Ja, absolut. Das heisst, dass wir nicht eine Abschottungs-Politik betreiben und – wie das eine Partei macht – das Gespräch verweigern, sondern vielmehr mit innovativen Vorschlägen versuchen, Vertrauen zu gewinnen.

Der Bundesrat ist gefordert: Er muss das Netzwerk pflegen und damit Lösungen machbar machen, die sonst eben nicht umgesetzt werden könnten.

swissinfo.ch: Soll die Schweiz ein weiteres KKW bauen als Ersatz für die alten Werke oder soll sie auf die neuen erneuerbaren Energien setzen?

H.G.: Wir sind von Anfang an der Meinung gewesen, dass ein mittel- bis langfristiger Ausstieg aus der Atomenergie zwingend ist. Durch die Ereignisse in Japan haben wir unseren Fahrplan beschleunigt. Für uns ist klar, dass es keine neuen AKWs mehr geben wird.

Es gibt zwei Gründe dafür: Es gibt Restrisiken, die nicht zu unterschätzen sind. Zudem wäre ein solches Vorhaben beim Volk auch nicht mehr mehrheitsfähig. Darum beschleunigen wir nun und sind der Meinung, dass der Ausstieg jetzt an die Hand genommen werden muss.

Wir setzen in erster Linie auf die Wasserkraft. Hier hat die Schweiz noch ein grosses Potenzial, aber wir wollen mittelfristig auch andere erneuerbare Energien massiv fördern.

swissinfo.ch: Welchen Auftrag soll die Armee künftig wahrnehmen und mit welchen Mitteln und welchem Truppenbestand soll sie das tun?

H.G.: Ich denke, die Armee ist gefordert, denn das Feindbild hat sich komplett geändert. Dabei denke ich auch an die grossen Gefahren der Kommunikation über das Internet. Es braucht eine Modernisierung.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nach wie vor eine Milizarmee brauchen, aber es wird zunehmend Aufgaben geben auch im Bereich der Zusammenarbeit in Europa. Hier braucht es wahrscheinlich in Zukunft noch mehr Allianzen. Da können wir uns nicht wieder abschotten und wir können nicht meinen, man könne alle Probleme alleine im Inland lösen.

swissinfo.ch: Wenn Sie von Allianzen reden, denken Sie dann an eine Annäherung an die Nato?

H.G.: Soweit würde ich nicht gehen, aber ich denke an eine engere Zusammenarbeit mit den direkten Nachbarländern. Besonders eine Zusammenarbeit in der Ausbildung oder in der Infrastrukturbeschaffung im Bereich der Luftwaffe.

swissinfo.ch: Welche Position nimmt Ihre Partei in der Frage der Migration und der Asylpolitik ein?

H.G.: Für uns hat Migrationspolitik sehr viel mit Klimapolitik zu tun. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir versuchen müssen, die Klimapolitik in den Griff zu bekommen. Damit leisten wir einen direkten Beitrag, dass die Migrationsströme nicht noch grösser werden.

Zudem müssen wir versuchen, mit Entwicklungshilfe jene Voraussetzungen zu schaffen, die es braucht, dass die Migrationsströme möglichst klein bleiben.

swissinfo.ch: Wie wollen Sie die Beziehungen zwischen den Auslandschweizern und den politischen Institutionen in ihrem Heimatland verbessern?

H.G.: Ich bin der Meinung, dass hier der Kontakt gepflegt werden muss. Zudem müssen die Voraussetzungen verbessert werden, damit die Auslandschweizer bessere Möglichkeiten haben, auch aktiv am politischen Geschehen mitzumachen und in politische Ämter gewählt werden zu können.

Das ist ein Gebiet, das wir zu fördern versuchen. Es hat für uns jedoch nicht den obersten Stellenwert.

Die Bürgerlich Demokratische Partei der Schweiz wurde im November 2008 gegründet.

Nachdem die SVP Graubünden aus der Mutterpartei ausgeschlossen worden war, spalteten sich auch andere Kantonal-Sektionen von der SVP ab.

Die Bündner hatten sich geweigert, Eveline Widmer-Schlumpf nach ihrer Wahl in den Bundesrat Ende 2007 aus der Partei auszuschliessen.

Im Nationalrat stellt die BDP 6 Volksvertreter und hat damit Fraktionsstärke erreicht.

Hans Grunder wurde 1956 geboren. Der Berner ist Inhaber eines Ingenieurbüros.

Grunder wurde 2007 als Vertreter der SVP in den Nationalrat gewählt.

Er ist Mitbegründer der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) des Kantons Bern, einer Abspaltung des liberalen Flügels der SVP.

Grunder wurde am 1. November 2008 an der Gründungsversammlung der BDP zu deren Präsidenten gewählt.

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