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Es besteht Handlungsbedarf

Teilnehmer eines Weiterbildungskurses im Medienausbildungs-Zentrum MAZ. Keystone

Mit der Weiterbildung von Erwachsenen steht es in der Schweiz nicht zum besten. Das zeigt ein internationaler Vergleich.

Die Bevölkerung müsse deshalb vermehrt für lebenslanges Lernen sensibilisiert werden, fordert das Forum Weiterbildung Schweiz.

Das vor drei Jahren gegründete Forum hat die Aufgabe, die Weiterbildungs-Förderung in der Schweiz zu koordinieren. Eine Standort-Bestimmung habe indes gezeigt, dass der gegenwärtige Zustand bedenklich sei, kritisierte Forums-Präsidentin Vreni Müller-Hemmi am Dienstag vor den Medien.

“Von einer kohärenten Weiterbildungs-Politik ist die Schweiz weit entfernt.” Weiterbildung, so Müller-Hemmi, werde hier zu Lande schlicht vernachlässigt. In einem internationalen Vergleich der OECD sehe die Schweiz denn auch nicht besonders gut aus, sagte Forum-Geschäftsleiter André Schläfli.

Ins Mittelfeld abgerutscht



Rund 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung besuchen in der Schweiz Weiterbildungs-Angebote. Das war bereits vor 10 Jahren so – doch war diese Quote damals im internationalen Vergleich relativ hoch. Andere Länder haben seither aufgeholt. Fazit der Studie: Die Schweiz stagniert.

Neben der Schweiz erfasste der OECD-Bericht Dänemark, Finnland, Grossbitannien, Kanada, Norwegen, Portugal, Schweden und Spanien.

Frauen und Nicht-Kader untervertreten

Je nach Bevölkerungs-Gruppen ist die Teilnahme an Weiterbildungs-Angeboten in der Schweiz laut OECD-Studie sehr ungleich verteilt: Personen mit geringer Bildung und Qualifikation seien an Weiterbildung am wenigsten interessiert.

Dagegen sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit und den Nutzen von permanentem Lernen bei den gut ausgebildeten Bevölkerungs-Schichten am ausgeprägtesten.

Weitere beeinflussende Faktoren auf die Beteiligung an Lern-Angeboten seien Alter, Integration im Arbeitsmarkt, Anreize und Geschlecht.

Im Gegensatz zu anderen Ländern liege zum Beispiel die Beteiligung der Frauen an berufsorientierter Weiterbildung tiefer als diejenige der Männer.

Konkret sagt die Untersuchung, dass 70 Prozent den Männern zu Gute kommt und 60 Prozent Kaderleuten.

“Die Frauen und die Nicht-Kader gelangen mit ihren Anteilen nicht zu genügend Bildung, um ihren Status zu verbessern”, so Forums-Geschäftsleiter André Schläfli gegenüber swissinfo.

Betriebe investieren wenig

Bund und Kantone geben pro Jahr 22 Mrd. Franken allgemein für die Bildung aus. Zum Vergleich: In die Weiterbildung investiert der Bund 200 Millionen und die Kantone 150 Millionen.

Bedenklich sehen laut Schläfli die OECD-Ergebnisse bei der betrieblich finanzierten Weiterbildung aus: Schweizer Betriebe investieren dafür weit weniger als die meisten übrigen Länder. Schläfli schätzt, dass der Betrag bei 3 bis 4 Mrd. Franken liegt.

Nicht zu vergessen sei auch, dass 70 Prozent der Betroffenen Weiterbildungen aus der eigenen Tasche bezahlten.

Stärken des Schweizer Systems



Aber auch Gutes haben die OECD-Experten in der Schweiz gefunden. Dazu gehören etwa das Berufsbildungs-System, die Qualitäts-Entwicklung und das jährliche Lernfestival zahlreicher Organisationen.

Ferner wird die Gründung des Forums Weiterbildung Schweiz, dem Vertreter der Sozialpartner, von Bundesämtern, Kantonen und Anbietern angehören, lobend erwähnt.

Neue Finanzierungs-Modelle



Laut Stefan Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinations-Stelle für Bildungs-Forschung, ist in der Schweiz bisher – wenn überhaupt – das Weiterbildungs-Angebot mit öffentlichen Geldern gefördert worden.

Mehr Teilnehmende habe man damit nicht gewonnen, insbesondere nicht Menschen aus so genannt bildungsfernen Kreisen. Abhilfe schaffen könnten hier laut Wolter neue Finanzierungs-Modelle wie Bildungs-Gutscheine, Stipendien, individuelle Steuer-Abzüge und Bildungs-Urlaub.

Zum Thema Finanzierung der Weiterbildung ist im Auftrag des Forums eine Studie erstellt worden. Sie soll als Grundlage dienen für die politische Diskussion über die öffentliche Finanzierung von Weiterbildung und für die Planung künftiger Pilotversuche.

swissinfo

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