EU-Erweiterung: Chancen und Kosten für Schweiz
Die Europäische Union hat die Schweiz um Verhandlungen über die Ausdehnung des Freizügigkeits-Abkommens und Finanzbeiträge an die EU-Erweiterung ersucht.
Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung spricht Bundesrätin Ruth Metzler von einer Chance für die Schweiz.
Die EU-Familie wird am 1. Mai 2004 vermutlich um 10 Mitgliedstaaten grösser sein. Dieser Schritt hat Folgen für die Schweiz, die im Rahmen der bilateralen Verträge auch die Freizügigkeit für Personen auf die neuen EU-Staaten wird ausdehnen müssen. Dazu braucht es neue Verhandlungen, während die anderen sechs bilateralen Verträge automatisch auf die neuen Staaten ausgedehnt werden.
Grundsätzlich könne man davon ausgehen, so die Schweizer Justizministerin Ruth Metzler, dass die EU die Gleichbehandlung ihrer Mitglieder verlange.
Personenfreizügigkeit
Die EU hat bereits verlauten lassen, dass sie die im bisherigen Abkommen festgelegten Kontingente entsprechend der Zunahme der EU-Bevölkerung aufgrund der Erweiterung erhöhen möchte.
Das wären rund 20 Prozent. Zahlen werden im EU-Verhandlungsmandat jedoch nicht erwähnt. Zudem will die Kommission für die neuen EU-Staaten keine neuen Übergangsfristen.
Justizministerin Metzler dagegen will in erster Linie über die Übergangs-Regelungen verhandeln. Der Bundesrat wolle sich dabei für “angemessene” Fristen und Kontingente einsetzen, um die Zuwanderung zu steuern und in gewissem Rahmen auch zu begrenzen.
Schrittweise Öffnung gen Osten
Laut Metzler soll der Zugang zum Arbeitsmarkt auch für die neuen Mitglieder schrittweise geöffnet werden. Dafür genügten die bereits beschlossenen flankierenden Massnahmen, sagte Metzler und wies damit Forderungen des Gewerkschaftsbundes nach stärkeren Präventiv-Massnahmen zurück.
“Man soll sich nicht zu sehr auf die Risiken stürzen und darüber die Chancen vergessen”, sagte Metzler. Die EU-Osterweiterung sei auch für die Schweiz und ihre Wirtschaft ein wichtiger Schritt, zumal sie eine Öffnung von Märkten mit 450 Millionen Menschen bedeute.
EU will mehr Geld von der Schweiz
In einem an Bundesrätin Micheline Camly-Rey adressierten Schreiben begründet EU-Kommissar Chris Patten vor allem den Wunsch der Europäischen Union (EU) nach einem Erweiterungs-Beitrag der Schweiz.
Die EU, aber auch andere Staaten einschliesslich der Schweiz hätten bisher zur Integration Osteuropas beigetragen. “Diese Anstrengungen dürfen mit der Erweiterung nicht aufhören”, schreibt der für Aussenbeziehungen zuständige Kommissar: Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten gegenüber Westeuropa müssten weiterhin überbrückt werden.
Dabei würdigte er die bisherige Schweizer Hilfe: “Die Schweiz hat in der Vergangenheit vergleichbare Solidarität gezeigt und den künftigen EU- Mitgliedstaaten beträchtliche Unterstützung gewährt.”
Er sei überzeugt, dass die Schweiz dies auch weiterhin tun werde, schreibt der Kommissar und verweist auf die bilateralen Verträge sowie die laufenden neuen bilateralen Verhandlungen mit der EU.
Die EU möchte mit der Schweiz finanzielle Erweiterungs-Beiträge erreichen wie dies bereits mit Norwegen, Island und Liechtenstein vereinbart wurde.
In Bezug auf Beiträge an die EU-Erweiterung hat die Schweiz bisher darauf verwiesen, dass im Rahmen der Bilateralen dafür keine Rechtsgrundlage bestehe, und eine abwartende Haltung eingenommen.
Auch Bundesratsmandat
Am Mittwoch hat der Bundesrat zudem sein Verhandlungsmandat zum Freizügigkeitsabkommen vorgelegt. Dieses geht nun in die Konsultation bei den Kantonsregierungen und den aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments.
Metzler rechnet mit dem Inkrafttreten des erweiterten Vertrags bis 2005. Das Parlament wird ungeachtet der Ausdehnung 2009 – sieben Jahre nach Inkrafttreten – über die Weiterführung des Freizügigkeits-Abkommens beraten.
swissinfo und Agenturen
Die 10 neuen EU-Staaten:
Estland
Lettland
Litauen
Malta
Polen
Slowakei
Slowenien
Tschechien
Ungarn
Zypern
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