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Europarat billigt zweiten Marty-Bericht

Dick Marty beklagte die "Mauer des Schweigens" gewisser europäischer Regierungen. Keystone

Der Europarat hat den zweiten Bericht des Tessiner Ständerats Dick Marty über die CIA gebilligt. Das Parlament zeigte sich beunruhigt über die fehlenden Kontrollen der Aktivitäten des US-Geheimdienstes.

Der Schweizer beschuldigt Rumänien und Polen, die durch den US-Geheimdienst verwalteten Geheimgefängnisse bewusst geschützt zu haben.

Die Abgeordneten aus den 47 Europaratsländern billigten an ihrer Versammlung den zweiten Teil des Untersuchungsberichts von Marty, der in ihrem Auftrag zu den illegalen Aktivitäten der CIA in Europa ermittelt hatte.

Zahlreiche Änderungsanträge von polnischen und rumänischen Abgeordneten wurden von den Parlamentariern abgelehnt.

Im Bericht heisst es, es gebe nun “genügend Beweise” für die Existenz der CIA-Gefängnisse in Polen und Rumänien zwischen 2002/2003 und 2005. Marty hatte diese Beweise in über einjährigen Nachforschungen und Gesprächen mit Geheimdienstagenten in den USA und Europa zusammengetragen.

Seine Gesprächspartner seien “glaubwürdig und hochrangig gewesen”, entgegnete Marty auf die Einwände polnischer Parlamentarier, keine Beweise für seine Behauptungen zu haben. Polen und Rumänien wiesen Martys Vorwürfe scharf zurück.

Aufklärungen behindert

Der FDP-Ständerat beklagte sich zudem, die Aufklärung illegaler CIA-Aktivitäten sei behindert worden, unter anderem in Deutschland und Italien. Bei zahlreichen Regierungen seien seine Nachfragen “auf eine Mauer des Schweigens” gestossen, sagte er.

“Viele Staaten verstecken sich hinter dem Begriff des Staatsgeheimnisses, um Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren.”

Unter Berufung auf nicht identifizierte CIA-Quellen schrieb der Sonderermittler, besonders wichtige Verdächtige wie der selbst ernannte 9/11-“Planer” Chalid Scheich Mohammed seien in Polen festgehalten worden. Weitere mutmassliche Terroristen seien nach Rumänien gebracht worden.

Solche Praktiken stammten aus der düstersten Epoche des Kalten Krieges, erklärten die Parlamentarier in ihrer Entschliessung. Die Regierungen der Europaratsländer sollten illegale Aktivitäten der CIA in ihren Ländern rückhaltlos aufklären, forderten sie.

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Europarat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Europarat in Strassburg, 1949 gegründet, ist die älteste zwischenstaatliche politische Organisation Europas. Die Schweiz trat der Institution 1963 bei. Der Rat sieht sich als Hüter der demokratischen Sicherheit, die auf Menschenrechten, parlamentarischer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fusst. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist laut der Schweiz eine der grössten Leistungen des Europarats. Der Europarat unterscheidet sich…

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Kritik

EU-Justizkommissar Franco Frattini beanstandet am Bericht, dass sich der Schweizer nur auf anonyme Zeugenaussagen berufe.

US-Präsident George W. Bush hatte allerdings schon im September 2006 die Existenz eines geheimen Programms zur Verschleppung und Befragung von Terrorverdächtigen eingeräumt.

Einzelheiten über die Orte der Geheimgefängnisse gab er dabei nicht bekannt.

Wiedergutmachung gefordert

Für die Opfer von Verschleppungen durch die CIA forderte der Europarat Wiedergutmachung. Die Betroffenen müssten auf würdige Weise rehabilitiert und entschädigt werden.

Ehemalige Gefangene hatten Marty von folterähnlichen Bedingungen während ihrer Haft berichtet. Sie hätten kaum Nahrung und manchmal keine Kleider bekommen, seien in zu kleinen Zellen extremer Kälte oder Wärme ausgesetzt gewesen und wochenlang isoliert worden. Sie seien zudem mit Handschellen gefesselt gewesen.

swissinfo und Agenturen

Dick Marty (*1945 in Lugano) ist von 1975 bis 1989 Tessiner Staatsanwalt.
Von 1989 bis 1995 gehört er der Tessiner Kantonsregierung an.
1995 wird er in den Ständerat gewählt.
Seit 1998 ist er im Europarat.
Ab 2005 präsidiert er die Rechtskommission und die Kommission für Menschenrechte des Europarats.
Im November 2005 wird Marty Sonderermittler des Europarats zu den umstrittenen CIA-Gefangenentransporten.

Im November 2005 vermutete die NGO “Human Rights Watch” die Existenz von geheimen Haftlagern in Europa und Entführungen von Terrorismus-Verdächtigen durch die CIA.

Darauf beauftragte der Europarat den freisinnigen Schweizer Ständerat und ehemaligen Tessiner Staatsanwalt Dick Marty mit einer Untersuchung.

Marty publizierte im Juni 2006 einen ersten Bericht. Darin beschuldigte er 14 europäische Staaten, CIA-Aktivitäten wie Inhaftierung und Transfers von Terror-Verdächtigten toleriert zu haben.

Der Bericht kritisiert auch die Schweizer Regierung, Vorwürfe über CIA-Überflüge im Schweizer Luftraum nicht ernst genommen zu haben.

In seinem zweiten am 9. Juni 2007 vorgelegten Bericht enthüllt Dick Marty, dass der CIA von 2003 bis 2005 Geheimgefängnisse in Polen und Rumänien betrieben hat.

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