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Filmfestival Freiburg: Junge blicken gen Süden

Mehr oder weniger gespanntes Warten auf die Film-Vorführung. (Foto: Antonio Moreno) Mehr oder weniger gespanntes Warten auf die Film-Vorführung. (Foto: Antonio Moreno)

Seit Jahren arbeitet das Internationale Filmfestival von Freiburg eng mit Schulen zusammen. Mit Filmen aus Asien, Afrika und Lateinamerika soll das Interesse hiesiger junger Menschen für fremde Kulturen geweckt werden. Auch dieses Jahr besuchen rund 3'000 Schülerinnen und Schüler das Festival.

“Es motiviert mich ungemein, und es macht Freude, anhand eines Films die Sprache besser zu lernen. In der Schule ist das Lernen eher trocken”, sagt die 19-jährige Gymnasiastin Anne Fichtenthal. “Wenn man etwas von diesem Lebensgefühl mitbekommt oder sich an etwas Schönes erinnert, an eine Szene aus dem Film zum Beispiel, bringt das etwas Gefühl ins Lernen.”

Anne hat zusammen mit 150 anderen Spanisch-Studierenden des Gymnasiums Bern-Neufeld die Schülervorstellung des kubanischen Films “Hacerse el sueco” von Daniel Días Torres besucht. (Auf deutsch: “den Schweden spielen”, was im übertragenen Sinn “sich dumm stellen” bedeutet.)

Der Film handelt von einem schwedischen Schriftsteller, der sich vorübergehend in Havanna niederlässt. Er wohnt in der Wohnung eines pensionierten Polizisten, der den Fremden zuerst nicht akzeptiert. Seine Frau hatte ihn aufgenommen, um das Einkommen aufzubessern. Der Film zeichnet in realistischen Bildern und auf komödiantische Art das nicht-touristische Havanna.

Sprache – ein interkulturelles Medium

Annes gleichaltriger Kollege Andreas Wiesmann findet es toll, wenn das in der Schule erlernte Sprachwissen angewandt werden kann. Er habe fast alles verstanden. “Nur ab und zu musste ich auf die Untertitel schielen. Die Kubaner verschlucken viele Silben, aber die Mimik der Schauspieler und das Funkeln in den Augen macht sehr viel wett.”

Für die beiden Spanisch-Lehrer Enrique Ros und Antonio Moreno ist der Besuch am Festival von Freiburg in den letzten Jahren zu einem MUSS geworden. “Der direkte Kontakt ist wichtig. Man muss nicht immer die Wahrheit erzählen, um über die Wahrheit zu sprechen. ‘Hacerse el sueco’ ist zwar ein Märchen, aber wir lernen trotzdem viel über die Lebenslage der Kubaner, wie sie denken und fühlen”, sagt Moreno

Die Sprache sei ein Medium, das ermögliche, andere Welten, andere Formen und Sichtweisen kennen zu lernen und sich ihnen anzunähern, meint Enrique Ros. “Dafür bietet das Filmfestival Freiburg natürlich eine ausgezeichnete Bühne.”

Für Antonio Moreno gibt es noch einen weiteren Grund, mit seinen Schülerinnen und Schülern das Filmfestival zu besuchen: “Wenn wir sie auf die Matura vorbereiten ist es wichtig, dass sie ‘maduros’, also reif sind. Das bedeutet, dass sie kultivierte Menschen sind und für kulturelle Ereignisse offen sind.”

Ein Festival der Toleranz und Offenheit

Das Filmfestival von Freiburg pflegt seit vielen Jahren einen engen Kontakt zu Schulen. Es veranstaltet Ateliers und Rundtisch-Gespräche, Diskussionen über Rassismus, Toleranz, andere Religionen usw. und schafft den Kontakt zu Regisseuren aus dem Süden. Nicht nur Schulen aus Freiburg und Bern kommen ans Festival, auch eine Klasse aus dem französischen Nantes findet jedes Jahr den Weg hierher. Miteinbezogen werden seit vier Jahren auch Klassen der Unterstufe.

Der Blick auf andere Kulturen sei wichtig, sagt Festival-Präsident Charles Ridoré. Das habe mit interkultureller Kommunikation zu tun. “Wenn wir die Beziehung mit den Schulen pflegen, haben wir hoffentlich auch in der Zukunft Erwachsene, die unser Filmfestival unterstützen.”

Wichtig sei, auch immer einen Bezug zu unserer Welt herzustellen, betont Mary-Claude Wenker, zuständig für die Kontakte zu den Schulen. “An Wissen über fremde Kulturen, über Flüchtlingsprobleme oder Rassismus fehlt es nicht. Wenn junge Leute aber erstmals eine bosnische Flüchtlingsfrau reden hören, dann berührt sie das. Häufig passiert etwas, vielleicht nicht bei allen, aber zumindest bei einigen kommt ein Prozess in Gang.”

Das können Anne Fichtenthal und Andreas Wiesmann bestätigen. Andreas: “Hollywood-Filme wecken bei mir keine tiefgehenden Gefühle. Filme des Südens hingegen regen zum Denken an und sind deshalb spannender.” Diese Art von Filmen zeigten das Leben auf eine meist realistische Art, sagt Anne: “Mit allen Details, die das Leben verschönern können.”

Gaby Ochsenbein

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