Bei jedem zweiten Flug im Internet wird geschwindelt
Mehr als die Hälfte der Internetseiten mit Angeboten für Flugtickets sind irreführend. Dies ergab eine Ermittlung in der Europäischen Union (EU).
Täuschende Werbung für Billigflüge im Internet wird auch in der Schweiz bekämpft.
Im Internet angebotene Billigflüge sind oft nur scheinbar billig.
Dies zeigte eine breit angelegte Ermittlung von 15 EU-Ländern und Norwegen, deren Resultate die EU-Konsumentenschutz-Kommissarin Meglena Kuneva am Mittwoch in Brüssel vorstellte.
Demnach enthielten 226 von 447 untersuchten Internet-Seiten irreführende Informationen oder unfaire Vertragsbedingungen.
Das grösste Problem waren Täuschungen über die tatsächlichen Flugpreise.
«Wir können nicht mehr lange akzeptieren, dass über 50 Prozent der kontrollierten Internetseiten die Konsumenten in die Irre führen», warnte Kuneva die ertappten Fluggesellschaften, Internetbrokers und Reisebüros.
Sanktionen angedroht
Sie gab ihnen bis Januar 2008 Zeit, um ihre Angebote korrekt zu formulieren. Danach würden, so drohte Kuneva, die Namen der Fehlbaren offen gelegt und Sanktionen ergriffen. Internetseiten könnten etwa aus dem Netz entfernt werden.
Irreführende Werbung für Billigflüge ist auch in der Schweiz ein Thema. Das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) hat am 1. Juni 2006 im Merkblatt über die «Preisbekanntgabe und Werbung für Reiseangebote» die geltenden Bestimmungen präzisiert.
Falls in der Werbung Flugpreise genannt werden, muss es sich um den «tatsächlich zu bezahlenden Preis» handeln: Alle obligatorischen Taxen, Treibstoffzuschläge und Sicherheitsgebühren müssen enthalten sein.
Schweiz interveniert
«Damit ist es uns gelungen, das frühere Wirrwarr bei den Preisangaben für Flüge zu beseitigen», sagt auf Anfrage Guido Sutter vom Seco.
In rund einem halben Dutzend Fälle hat das Staatssekretariat laut Sutter seit dem Erlass des Merkblatts gemeinsam mit den Kantonen bei Fluggesellschaften interveniert. So zum Beispiel bei den Billigfliegern Easyjet und Ryanair wegen fehlender Gesamtpreisangabe.
Ein schweizerischer Überblick fehle jedoch, weil in erster Linie die Kantone für den Vollzug zuständig sind.
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Seco
Rechtsgrundlage fehlt
Die schweizerische «Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen» regelt zudem nur die Werbung im engen Sinn. Die Praktiken bei der Internetbuchung, die im Visier der EU stehen, sind davon nicht erfasst.
«Wir haben keine Rechtsgrundlage, um die Buchungspraktiken via Internet zu untersuchen», sagt Sutter. Konsumenten oder Konkurrenten bleibe allerdings die Möglichkeit, irreführende Anbieter wegen unlauterem Wettbewerb zu verklagen.
swissinfo, Simon Thönen, Brüssel
Als Beispiele für Täuschungen nannte EU-Konsumentenschutz-Kommissarin Kuneva folgende Praktiken beim Buchen von Flügen via Internet:
– Flugtickets wurden auf der ersten Internetseite für 20 Euro angeboten. Nachdem aber im Verlauf der Buchung alle obligatorischen Taxen und Landegebühren addiert waren, betrug der totale Preis – fünf Internetseiten später – über 100 Euro.
– Gross angekündigte Sonderangebote konnten via Internet gar nicht gebucht werden.
– Die Vertragsbedingungen wurden nur in einer Fremdsprache angeboten.
– Zusatzangebote wie Versicherungen wurden automatisch verrechnet, ohne den Konsumenten die Wahlfreiheit zu lassen.
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