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Chemiker ziehen sämtliche Register

Die Chemie- und Pharmaindustrie spielt in der Schweizer Wirtschaft eine zentrale Rolle. Keystone

Unter dem Motto "Chemie – unser Leben, unsere Zukunft" sollen den Menschen im Internationalen Jahr der Chemie Vielfalt und Bedeutung der Chemie näher gebracht werden. Auch Schweizer Chemiker feiern die Errungenschaften ihrer Wissenschaft.

Mit Veranstaltungen im ganzen Land wollen die Schweizer Chemikerinnen und Chemiker im Internationalen Jahr der Chemie (IYC2011) aufzeigen, wie interessant und bedeutend diese Wissenschaft für die Schweiz ist. Zudem hoffen sie, damit auch bei möglichen künftigen Nobelpreis-Gewinnern das Interesse für Chemie wecken zu können.

Wenn das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert der Physik war –Stichworte Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Atomenergie, Computer – und das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Biologie – Stichworte Gentechnik, Klonen, Stammzellen – wo hat die Chemie ihren Platz?

“Überall”, werden Chemiker sagen und fast beiläufig darauf hinweisen, dass ein Menschenwesen entstehen würde, wenn man mehrere Trillionen Wasserstoff-, Sauerstoff- und Kohleatome nehmen, ein paar Spurenelemente hinzufügen und alles gut schütteln würde.

Sie werden auch darauf hinweisen, dass jeder Aspekt unseres Lebens, von dem, was wir essen und trinken, was wir anziehen, bis hin zu dem, was wir schlucken, wenn wir krank sind, oder mit dem wir uns nach einer Dusche einreiben, das Resultat zahlloser Stunden von Laborexperimenten ist.

Ein Zufall

1943 fuhr der Schweizer Chemiker Albert Hofmann nach einem Arbeitstag im Labor bei Sandoz (heute Novartis) mit dem Fahrrad nach Hause und hatte dabei eine halluzinogene Erfahrung – ein “nicht unangenehmes, rauschähnliches Gefühl” – wie er es später beschreiben würde. Hofmann hatte über seine Fingerspitzen kleinste Mengen von Lysergsäure-Diäthylamid (LSD) absorbiert und dadurch zufällig die psychedelische Wirkung der Substanz entdeckt. Chemie-Hauptstadt

Hofmann ist eine Ausnahme der Regel, dass Schweizer Chemiker oder Chemikerinnen wenig Schlagzeilen machen – im Gegensatz etwa zu ihren Physiker-Kollegen, die im Kernforschungs-Zentrum CERN bei Genf arbeiten. Und trotzdem kann Basel durchaus den Anspruch erheben, sich als Chemie-Hauptstadt der Welt zu sehen

Im Jahr 2010 wurden die Basler Konzerne Novartis und Roche von der Financial Times als zweit- und drittgrösste Pharmaunternehmen der Welt aufgeführt. Insgesamt lagen die zwei Firmen auf den Plätzen 28 und 29 der 500 wichtigsten Unternehmen.

Die Chemie- und Pharmaindustrie ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Motor der Schweizer Wirtschaft. Sie beschäftigt mehr als 65’000 Personen, und ihr Anteil am Bruttoinlandprodukt liegt bei über 4%, Tendenz steigend.

Mit Exporten von 71,7 Mrd. Franken und Exporten von 34,9 Mrd. Franken erwirtschaftete die Chemie- und Pharmaindustrie 2009 einen Handelsüberschuss von 36,8 Mrd. Franken. Dies war auch der grösste Exportüberschuss-Beitrag aller Industriesektoren an die Handelsbilanz des Landes – neun Mal soviel wie jener aus dem  Tourismus.

Anwerbungskampagne

Die Grundpfeiler für den wirtschaftlichen Erfolg der Chemie- und Pharmaindustrie sind Innovation und Forschung.

Von Paracelsus, 1493 in Einsiedeln geboren, dem Pionier für den Einsatz von chemischen Stoffen und Mineralien in der Medizin, bis hin zu Kurt Wüthrich, einem der drei Chemie-Nobelpreisträger von 2002, gehörten Schweizer im Bereich Chemie seit Jahrhunderten mit zur Spitze.

Insgesamt sechs Landsleute von Paracelsus haben bis heute einen Nobelpreis in Chemie erhalten und die Schweizer Organisatoren des Internationalen Jahrs der Chemie hoffen, dass sie im Verlauf des Jahres Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Alters, die Arsen von anderen Elementen im Periodensystem unterscheiden können, überzeugen können, eine Karriere im chemischen Bereich in Betracht zu ziehen.

Mit diesem Ziel sind im ganzen Land viele Veranstaltungen geplant. Dazu gehören Bootsausflüge auf dem Zürichsee mit Vorträgen über Nanomaterialien, die kulturellen Errungenschaften der Chemie oder Energieformen der Zukunft.

Sicherheit googelt weiter!

In diesem Multimedia-Dossier präsentiert swissinfo.ch Höhen und Tiefen der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie. Entdecken Sie Pro und Contra der jüngsten Entwicklungen wie Nanotechnologie oder “grüne Chemie”.

Nehmen Sie die angewandte Chemie etwas genauer unter die Lupe: Doping im Sport, Euthanasie, Homöopathie, Tierversuche, Urintests von Wasser in Schwimmbädern oder die Rolle, welche die Chemie bei der globalen Erwärmung der Erde spielt – sei es in der Form von Problemen oder Lösungen.

Vergessen Sie Erinnerungen an langweilige Schulstunden. Denken Sie statt dessen an die packende Freude, die Sie mit Ihrem “Ersten Chemiebaukasten” hatten – obschon dieser Amateur-Wissenschafter sich an ein unvernünftiges Experiment erinnert, bei dem Magnesium im Spiele war, was beinahe dazu geführt hatte, dass dies sein “letzter Chemiebaukasten” geworden wäre…

Vor allem, lassen Sie sich darauf ein!

Ziel des Internationalen Jahrs der Chemie 2011 (IYC 2011) ist es, bei der breiten Bevölkerung das Bewusstsein über die Leistungen der Chemie und deren Beiträge zum Wohl der Menschheit zu fördern.

Organisiert wird das IYC 2011 von der Unesco (UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) und der International Union of Pure and Applied Science (Internationale Normen- und Standardisierungs-Organisation für die Chemie), von der die Initiative für das Jahr ausgegangen war.

Unter dem Motto “Chemie – unser Leben, unsere Zukunft” sind das ganze Jahr durch eine Reihe von informativen, interaktiven Aktivitäten wie Chemievorführungen, Vorträge, Experimentierkurse oder Ausstellungen geplant.

Sie wenden sich an Jung und Alt, sollen das Interesse für die Vielfalt der Chemie wecken helfen.  

  

(Quelle: chemistry2011.org)

350 Jahre seit der Publikation des Buches “Der skeptische Chemiker” (“The Sceptical Chymist”) von Robert Boyle, das allgemein als das Werk gilt, welches die Geburtsstunde der modernen Chemie markiert.

100. Jahrestag der Verleihung des Nobelpreises an Marie Curie – eine Gelegenheit, Frauen und deren Beiträge an die Wissenschaft zu ehren.

100. Jahrestag der Gründung des internationalen Verbandes Chemischer Vereinigungen – eine Chance, den Nutzen internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit aufzuzeigen.

Je etwa 40% der Verkäufe der Schweizer Chemie- und Pharma-Industrie entfallen auf Europa und die USA und 17% auf Asien, der Inlandmarkt in der Schweiz ist entsprechend gering.

Mit einem Anteil von etwas mehr als 4% der weltweiten Exporte von Chemie- und Pharmaprodukten liegt die Schweiz unter den grössten Exportländern auf Platz neun.

Forschungsausgaben der Schweizer Chemie- und Pharmaindustrie lagen im Jahr 2008 bei 5,3 Mrd. Franken, das waren rund 44% aller privaten Forschungsausgaben der Schweizer Industrie insgesamt. Bei der Höhe der Forschungsausgaben pro Angestellten liegt die Chemie- und Pharmaindustrie in dem Sektor weltweit an der Spitze.

Neben den weltweit bekannten Grosskonzernen umfasst der Sektor rund 1000 kleine und mittlere Unternehmen in der ganzen Schweiz, mit einer Konzentration im Nordwesten des Landes. 95% aller Unternehmen in der Schweiz haben weniger als 250 Angestellte, nur etwa ein Dutzend Unternehmen hat eine Belegschaft von mehr als 1000 Personen.

(Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie)

(Übertragen aus dem Englischen: Rita Emch)

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