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Fortschritt in Frage der Internet-Verwaltung

Die USA sind nicht bereit, die Verwaltung des Internets aufzuteilen. Keystone

Markus Kummer, Organisator internationaler Gespräche zur Verwaltung des Internets, ist überzeugt, dass in dieser heiklen Frage ein Fortschritt erzielt wurde.

Vier Monate vor dem Weltgipfel über die Informationsgesellschaft in Tunis präzisiert der Schweizer Diplomat gegenüber swissinfo die wichtigsten, kleinen Schritte.

Als er am Montag in Genf die Ergebnisse der Gespräche in der Arbeitsgruppe über die Verwaltung des Internets (Working Group on Internet Governance, WGIG) präsentierte, musste deren Organisator Markus Kummer zugeben, dass kein Konsens herrscht.

Doch eines sei klar: Der UNO-Ausschuss sei zum Schluss gekommen, dass nicht ein einzelnes Land dominieren solle.

In ihrem Bericht zeigte die WGIG vier verschiedene Optionen auf, welche die Weltpolitiker im zweiten Teil des Weltgipfels über die Informationsgesellschaft im November in Tunis ins Auge fassen sollen. Der erste Teil hatte vor zwei Jahren in Genf stattgefunden.

Eine Option wäre der Status Quo, mit der in den USA stationierten Gesellschaft, welche die Verwaltung der Domains und Adressen im Internet kontrolliert (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, ICANN).

Kritiker bemängeln, dass die ICANN von der US-Regierung kontrolliert wird, die vor zwei Wochen bekannt gab, dass sie nicht die Absicht habe, ihre Herrschaft über das Internet aufzugeben.

Eine weitere Option sieht eine aufpolierte ICANN und internationale Agenturen unter der Federführung der UNO vor.

swissinfo: Vor einem Jahr sagten Sie, es wäre zu optimistisch, “radikale Vorschläge” von der WGIG zu erwarten. Sind Sie zufrieden mit den heutigen Vorschlägen?

Markus Kummer: Nun, zuallererst bin ich zufrieden, dass wir einen Bericht entworfen haben, der von allen Mitgliedern unterstützt wird. Schon sehr früh haben wir realisiert, dass die Meinungen derart unterschiedlich sind, dass es unrealistisch wäre, nur ein Modell über die zukünftige Architektur des Internets vorzuschlagen.

swissinfo: Wer oder was war das grösste Hindernis auf dem Weg zu einer einvernehmlichen Lösung?

M.K.: Die Gruppe besteht aus 40 Mitgliedern aus den unterschiedlichsten Lebens-Situationen, beruflichen Bereichen und Regionen. Damit haben wir wirklich die ganze Breite der Meinungen in der Geschäftswelt und der Internet-Gemeinde abgedeckt.

Daraus folgt für mich bereits als natürliche Konsequenz, dass wir nicht zu einer einheitlichen Lösung gefunden haben.

Doch in weiten Teilen des Berichts herrscht ein Konsens: Wir haben einen breiten Bereich abgesteckt, der von der internationalen Gemeinschaft prioritär behandelt werden sollte. Es sind Fragen zur Benutzung und dem Missbrauch des Internets wie Cyber-Verbrechen, Spam, Einspruchsrecht, Daten- und Konsumentenschutz.

Wir haben auch festgestellt, dass ein globales Forum fehlt, in dem alle Länder und alle Interessenvertreter (Stakeholders) zusammenkommen und Themen rund ums Internet diskutieren können.

swissinfo: Der Bericht verlangt eine globalisierte Verwaltung des Internets. Einige könnten das als Angriff auf die USA und die ICANN sehen.

M.K.: Wenn Sie die verschiedenen Optionen anschauen, sagt keine, dass die ICANN durch etwas Neues ersetzt werden soll. Es geht mehr um die institutionelle Verankerung der ICANN , ihre konstitutionelle Basis und die Beziehungen von Regierungen zur ICANN.

Die Arbeitsgruppe hat vor allem auf die Ergebnisse des ersten Teils des Weltgipfels über die Informationsgesellschaft aufgebaut, der beschlossen hatte, dass die Führung des Internets multilateral, transparent und demokratisch sein sollte. Und die Gruppe ruft auf zu einer weiteren Internationalisierung der Abmachungen betreffend dieser Verwaltung.

swissinfo: Wie zuversichtlich sind Sie, dass ein Abkommen in Tunis aus einem der vier Vorschläge entstehen kann?

M.K.: Das ist eine sehr schwierige Frage. Diese Modelle müssen eher als Startpositionen angesehen werden. Eines von ihnen muss nicht notwendigerweise am Ende der Diskussion stehen.

Als einer der Mitwirkenden an diesem Bericht wäre ich nicht unglücklich, wenn keiner dieser Vorschläge das Rennen machen würde. Solange der Bericht dabei helfen konnte, die Verhandlungen und das Ergebnis von Tunis zu vereinfachen.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont, Genf
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Markus Kummer ist ein Karriere-Diplomat, der seit April 2002 e-Gesandter der Schweizer Regierung ist.
Seine Hauptaufgaben umfassen unter anderem die Koordination der Aussenpolitik unter Berücksichtigung der Informations- und Kommunikations- Technologien und den Weltgipfel über die Informationsgesellschaft (WSIS).

Die Vereinten Nationen (UNO) haben entschieden, den Weltgipfel über die Informationsgesellschaft in zwei Teilen abzuhalten. Der erste fand 2003 in Genf statt, der zweite wird im November in Tunesien erfolgen.

Das Ziel des Gipfels ist es, den digitalen Graben zwischen armen und reichen Ländern zu überbrücken sowie Fragen wie die Verwaltung des Internets anzugehen.

Die UNO hofft ebenfalls, durch den erleichterten Zugang zu Technologie wie beispielsweise der Mobiltelefonie die Armut in Entwicklungsländern bekämpfen zu können.

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