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Frauengeschichte sichtbar machen

Das Frauenkulturarchiv erforscht die weibliche Vergangenheit im Kanton. swissinfo.ch

Das Frauenkulturarchiv Graubünden sammelt, dokumentiert und archiviert seit über sechs Jahren Material über Frauen und ihre Geschichte im Kanton.

Die in der Schweiz in dieser Form bisher einzigartige Institution will vor allem den Frauen ihre Geschichte zurückgeben.

“Über die Frauen in Graubünden wissen wir noch sehr wenig. Wir möchten die Frauengeschichte aufarbeiten und Parallelen oder Unterschiede zu anderen Gebieten in der Schweiz aufzeigen”, sagt Silke Redolfi, Historikerin und Mitbegründerin des Frauenkulturarchivs Graubünden.

Die Tatsache, dass über die Geschichte von Frauen im Südostschweizer Kanton nur wenig bekannt ist, war denn auch der Grund, dass Redolfi zusammen mit der Germanistin Silvia Hofmann 1997 das erste Frauenkulturarchiv der Schweiz gründete.

Die mittlerweile gut sechsjährige Institution wurde in Thusis aus der Taufe gehoben und kam später in die Bündner Hauptstadt Chur, wo sie seither in einem älteren Haus, unweit des Bahnhofs, untergebracht ist.

Besondere Frauengeschichte

Für Redolfi hat der Kanton Graubünden, mit seinen 7106 km2 grösster und gleichzeitig dünnst-besiedelter Kanton der Schweiz, eine besondere Frauengeschichte:

“Wir sind geprägt von den Bergen und der speziellen Wirtschaftslage. Im 19. Jahrhundert waren die Leute hier sehr arm. Viele waren gezwungen auszuwandern. Erst der Tourismus brachte Aufschwung. All dies hat auch die Frauengeschichte geprägt.”



Seit über sechs Jahren tragen die beiden Wissenschafterinnen Unterlagen zusammen, die Licht in den historischen Alltag der Bündner Frauen des 20. Jahrhunderts bringen sollen. Kein einfaches Unterfangen, so Silke Redolfi:

“Da Graubünden ein Kanton ohne Universität ist, präsentiert sich die Archiv- und Forschungssituation anders als in einem Universitätskanton. Wir müssen das Bewusstsein, dass Frauengeschichte und Frauen-Archivalien wichtig sind, zuerst schaffen.”

Forschungsstätte und Netzwerk

Das Material, das die beiden ehrenamtlich arbeitenden Frauen durchforsten, stammt in erster Linie von Frauenverbänden und Frauen-Organisationen, aus dem Staatsarchiv, aber auch von Privatpersonen.

“Wir wollen umfassend forschen, vor allem im letzten Jahrhundert, wenn möglich aber auch weiter zurück bis ins Mittelalter, wobei die Quellen jedoch immer rarer werden”, betont die Historikerin.



Wichtig für ihre Arbeit ist den beiden auch die Vernetzung mit anderen Forschungsstellen und Archiven in der Schweiz. Silvia Hofmann, Germanistin und Mitbegründerin des Frauenkulturarchivs:

“Wir sind daran, uns insbesondere in der Ostschweiz zu vernetzen. So mit dem St. Galler Archiv für Frauen- und Geschlechtergeschichte und dem Thurgauer Frauenarchiv. Zudem arbeiten wir mit dem Gosteli-Archiv in Worblaufen bei Bern sowie mit verschiedenen Universitäten zusammen, insbesondere mit dem Zentrum für Gender Studies an der Uni Basel.”



Und wie der Name sagt, ist das Frauenkulturarchiv nicht nur Archiv und Dokumentationsstelle, sondern auch kulturell engagiert. Besonders beliebt sind die Salon-Gespräche.

“In loser Folge veranstalten wir Live-Interviews mit Persönlichkeiten in den Regionen”, erklärt Silvia Hofmann.

“Fraubünden” – Graubünden

Das Interesse für die Geschichte der Frauen im Kanton habe stark zugenommen, das Archiv und die Bibliothek würden rege benutzt, erwähnt Silke Redolfi im Gespräch mit swissinfo.

Auf besonders grosses Interesse gestossen sei das Forschungsprojekt “Fraubünden”, das vom Kanton zur offiziellen 200-Jahr-Feier 2003 finanziell unterstützt wurde. In vier Bänden wird die Vergangenheit der Frauen aufgerollt.

Im ersten Band “frauenRecht”, der Ende 2003 in Zusammenarbeit mit der “Neuen Zürcher Zeitung” herausgegeben wurde, geht es um das Zivilrecht und das Frauenstimmrecht.



Band 2 “frauenKörper” dreht sich um Beziehungen, um Medizin und Gesundheit.

Band 3 “frauenArbeit” beschreibt die Geschichte der Frauen zwischen Bauernstand und Tourismus.

Band 4 “fremdeFrau” schliesslich widmet sich der Migration, dem Fremdsein, den Frauen an der Grenze.

“Man weiss viel über die Auswanderung der Männer, über den Erfolg des Bündner Zuckerbäckers. Was aber hat die Zuckerbäckerin im Ausland erlebt? Das interessiert uns”, so die Historikerin.

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Chur

Das Frauenkulturarchiv wurde 1997 in Thusis gegründet.
Heute hat es seinen Sitz in Chur.
Es ist eine private Stiftung und erhält einen Jahresbeitrag des Kantons Graubbünden.
Die zwei Leiterinnen arbeiten ehrenamtlich.

Das Frauenkulturarchiv Graubünden sammelt und dokumentiert Materialien über Frauen im Kanton.

Es ist auch eine Forschungs-Stelle für Frauen- und Geschlechtergeschichte und versteht sich als Netzwerk, das Informationen zur Verfügung stellt.

Nebst dem Archiv besteht auch eine Fachbibliothek.

Das Frauenkulturarchiv organisiert zudem kulturelle Veranstaltungen.

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