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Freikirchen und Minigemeinden

Die (meisten) Frauen in der Schweiz freuen sich über das Abstimmungs-Ergebnis. Keystone

Je kleiner und freikirchlicher eine Gemeinde ist, desto eher hat sie die Fristenregelung abgelehnt und der Initiative "für Mutter und Kind" zugestimmt.

Am Wochenende nahm das Schweizer Stimmvolk die Fristenlösung beim Schwangerschafts-Abbruch mit grosser Mehrheit an (72,2% Ja) und verwarf mit noch grösserem Nein-Stimmenanteil die fundamentalistische Initiative “für Mutter und Kind” (81,7% Nein), die faktsich ein Abtreibungs-Verbot wollte.

Alle Kantone lehnten die Initiative “für Mutter und Kind” ab. Einzig die beiden katholischen Kantone Wallis und Appenzell- Innerrhoden lehnten auch die Fristenregelung ab. In Innerrhoden wurde der straffreie Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen von fünf der sechs Bezirke jeweils etwa gleich deutlich abgelehnt.

Sprachgraben im Wallis

Im Wallis tat sich ein Graben zwischen dem ablehnenden Oberwallis und den zustimmenden französisch-sprachigen Kantonsteilen auf.

Das deutschsprachige Oberwallis gab mit seinem wuchtigen Nein von 70% den Ausschlag und brachte den kantonalen Nein-Anteil auf 54%. Einzig zwei Gemeinden – Leukerbad und Greich – brachen aus der Nein-Phalanx aus.

Das Zentralwallis mit 53,9% und das Unterwallis mit 53,2% hiessen die Änderung des Strafgesetzes (Fristenlösung) gut. Insgesamt lehnten 105 Walliser Kommunen das neue Gesetz ab, 55 nahmen es an. Pikanterweise gehört auch der Bischofssitz Sitten zu den Ja-Gemeinden.

Fromm und klein

In der ebenfalls katholisch geprägten Innerschweiz lehnten in Uri 13 von 20 Gemeinden die Regelung ab. Dies sagt etwas über ihre Grösse aus, denn sie vermochten den knappen, 50,7-prozentigen Ja- Anteil nicht zu kippen. Im Kanton Schwyz stimmten 11 von 30 Gemeinden im inneren, konservativeren Kantonsteil Nein. Nidwalden zählte zwei Nein-Gemeinden, Obwalden eine.

In Graubünden verzeichneten 60 der 207 Gemeinden – CVP-Hochburgen – Nein-Mehrheiten. In der Ostschweiz fanden sich im Allgemeinen die Nein-Mehrheiten in kleineren, katholisch-ausgerichteten Gemeinwesen.

Sekten

Im Kanton Bern liegen die Gemeinden, welche die Regelung ablehnten, im Oberland, im Emmental und im Jura – alles Regionen mit starker Verankerung von Freikirchen.

Als Bezirk lehnte einzig Frutigen die Regelung ab. Auch im Kanton Zürich, wo alle Gemeinden die Fristenregelung guthiessen, waren die Kommunen mit den grössten Nein-Anteilen im Oberland mit seiner grösseren Freikirchen-Aktivität.

Anklang bei Freikirchen und Kleingemeinden

Das Volksbegehren “für Mutter und Kind” hatte in keinem Kanton eine Chance – auch in jenen viereinhalb Ständen nicht, die 1977 der Initiative “für den Schutz des Lebens” noch zugestimmt hatten. Dies waren damals Uri, Schwyz, Ob-, Nidwalden, Appenzell Innnerrhoden und Jura.

Gesamtschweizerisch hiessen nur gut 70 Gemeinden die Initiative gut. In den evangelischen Landesteilen lagen sie hauptsächlich in stark freikirchlich geprägten Regionen.

In Graubünden stellte sich ein gutes Dutzend Dörfer hinter das Anliegen. Im Thurgau hiess als einzige Gemeinde Dozwil – Sitz der St. Michaels-Vereinigung – die Initiative gut.

Doppeltes Ja in fünf Kommunen

In den Kantonen mit katholischer Ausrichtung stimmten vor allem Klein- und Berggemeinden für die Initiative. Im Kanton Tessin waren dies acht Gemeinden, wie etwa Bedretto, wo zwölf Stimmende ein Ja einlegten und einer ein Nein.

Allerdings sprach sich diese Gemeinde zusammen mit Iseo und Onsernone auch für die Fristenregelung aus. Sie waren damit nicht allein: Auch Perroy und Rennaz, beide im Waadtland, mochten sich mit beiden Vorlagen anfreunden, legten also ein doppeltes Ja in die Urne.

Im Wallis hiessen 23 der 160 Gemeinden die Initiative gut. Der Grossteil von ihnen liegt im Oberwallis, im Zentral- und Unterwallis stimmten nur zwei Gemeinden Ja. Unter den zustimmenden Dörfern findet sich auch der einstige Wohnort des ehemaligen Skistars Pirmin Zurbriggen, Saas-Almagell.

swissinfo und Agenturen

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