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Gaza-Rückzug: Wichtiger Schritt zum Frieden?

Ein palästinensischer Ordnungshüter bewacht ein Gelände in Gaza während Räumungs-Arbeiten. Keystone

Pro-israelische und pro-palästinensische Stimmen in der Schweiz sind besorgt, ob der Gaza-Rückzug ein wesentlicher Schritt in Richtung Frieden ist.

Die militante Hamas-Organisation kündigte an, ihren bewaffneten Kampf auch nach Israels Abzug von Truppen und Siedlern fortzusetzen.

Der historische Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen begann am Montag, als den Bewohnern aus den 21 Siedlungen noch zwei Tage Zeit für die Hausräumung zugestanden wurden.

Dieser israelische Rückzug, so hoffen die Vereinigten Staaten, sollte dem Friedensprozess im Nahen Osten neuen Auftrieb geben.

Wie Alfred Donath, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), gegenüber swissinfo erklärte, wird sich eine solche Entwicklung nur dann abzeichnen, wenn der palästinensische Führer Mahmoud Abbas die radikale Hamas-Bewegung in den Griff bekommt.

Letzten Monat war es zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen, als palästinensische Sicherheitskräfte versuchten, militante Hamas-Anhänger davon abzuhalten, Raketen und Mörsergeschosse auf israelische Siedlungen im Gaza-Streifen abzufeuern.

“Der erste Schritt der ‘Road Map’ besteht darin, dass die Palästinenserbehörde den Terrorismus stoppt”, sagt Donath. Er hoffe, sie erreiche dieses Ziel auch.

“Doch die Art, wie Hamas am Samstag reagierte, und der Umstand, wie versucht wurde, den Rückzug als militärischen Sieg über Israel darzustellen, sind nicht die beste Methode, die Stimmung in der Bevölkerung zu beruhigen.”

Entscheidender Test für Abbas

Donath glaubt, dass der Rückzug der Israelis aus dem gesamten Gazastreifen, ausser einem schmalen Landstreifen zwischen Gaza und Ägypten, für Abbas einen entscheidenden Test darstellt.

Laut dem SIG-Präsidenten würde sich die Aussicht auf eine friedliche Lösung im Nahen Osten verbessern, sollte es Abbas gelingen, den im letzten Februar mit Israels Premier Sharon ausgehandelten Waffenstillstand einzuhalten.

“Falls die Palästinenser mit der Situation im Gazastreifen zurechtkommen und beweisen, dass dieser Landstreifen nicht zu einer Ausgangsbasis für terroristische Angriffe gegen Israel wird, wäre der Rückzug Israels aus dem Westjordanland der nächste Schritt.”

“Ich denke, der Friedensprozess kommt relativ schnell zustande, falls Hamas nicht neue terroristische Attacken und eine neue Intifada lanciert.”

Friedensverhandlungen

Saïda Keller-Messahli von der Gesellschaft Schweiz-Palästina (GSP) ist auch der Ansicht, dass eine reibungslose Transition der Schlüssel zu Friedens-Verhandlungen ist.

Solange Israel jedoch das Westjordanland und Ostjerusalem besetzt halte, bleibe die Wahrscheinlichkeit weiterer terroristischer Angriffe gross, sagt sie gegenüber swissinfo.

“Die Pälästinenser werden erfreut feststellen, dass die Besetzung von Gaza nun zu Ende geht. Doch sie wissen auch, dass dies allein noch nicht das Ende ist, sondern erst ein kleiner symbolischer Beginn”, so Keller-Messahli.

“Wir glauben, dass die deklarierte Politik Israels darin besteht, sich zwar aus Gaza zurückzuziehen, aber die Siedlungs- und Besetzungspolitik im Westjordanland zu intensivieren”, sagt die GSP-Vertreterin.

“Das dürfte kaum der richtige Weg für mehr Sicherheit sein. Denn solange das Westjordanland derart brutal besetzt bleibt, wird auch die Bevölkerung im Gazastreifen nicht ruhig bleiben.”

Die besetzten Territorien

Palästinenserführer Mahmoud Abbas liess am Montag verlauten, der Rückzug der Siedler aus Gaza sesi begrüssenswert. Gleichzeitig müssten sich jedoch Israels Truppen auch aus den anderen besetzten Gebieten zurückziehen.

Laut Keller-Messahli liegt es nun an der israelischen Regierung, eine politische Lösung für das Westjordanland und Ostjerusalem zu präsentieren.

“Das wäre dann wirklich ein Sprung nach vorn, etwas Konstruktives, um der Bevölkerung zu zeigen, dass Friede möglich ist. Der Rückzug aus dem Gazastreifen allein genügt nicht”, sagt Keller-Messahli.

Ein derartiger Schritt würde auch den palästinensischen Behörden in ihrem Machtkampf mit Hamas den Rücken stärken. Am Montag hatte Abbas erklärt, das Datum der lange Zeit verschobenen Parlamentswahlen sei auf den 21. Januar 2006 festgelegt worden.

“Israel muss wirklich auf die Palästinenser-Behörde zugehen, sonst hat sie wenig Chance, politisch zu überleben”, so Keller-Messahli.

swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die 8500 Siedlern im Gaza-Streifen haben 48 Stunden Zeit, um das seit 1967 besetzte Gebiet zu räumen.

Die militante Palästinenser-Organisation Hamas hat geschworen, ihren bewaffneten Kampf gegen Israel auch nach dem Rückzug fortzusetzen.

7500 pälestinensische Sicherheitskräfte haben vor den gesicherten Gaza-Siedlungen Position bezogen, um mögliche terroristische Angriffe abzuwehren.

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