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Gefährliche Hunde – keine Rassenverbote

Die Schweizer Regierung hat Massnahmen gegen gefährliche Hunde ergriffen. Trotz dem Druck der Öffentlichkeit und des Parlaments verzichtet er auf Rassenverbote.

Statt dessen setzt die Regierung auf Meldepflicht und eine höhere Anforderung an Zucht und Haltung von gefährlichen Hunden.

Gut fünf Monate nach dem tödlichen Pitbull-Angriff auf einen Knaben im zürcherischen Oberglatt und rund einen Monat nach der parlamentarischen Forderung nach einer gesamtschweizerischen Lösung hat die Schweizer Regierung am Mittwoch ein Massnahmenpaket verabschiedet.

In einer Änderung der Tierschutzverordnung werden die Anforderungen an Zucht und Haltung von Hunden präzisiert. So darf die Zucht keine gesteigerte Aggressionsbereitschaft zum Ziel haben und Welpen müssen ausreichend mit Menschen und anderen Hunden sozialisiert werden.

Registrierungspflicht

Als wichtigste Massnahme bezeichnete Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss die auf den kommenden 2. Mai eingeführte Meldepflicht für auffällige Hunde.

Bestätigt eine Überprüfung abnormales Verhalten, ordnen die Kantone entsprechende Massnahmen an.

Auf den kommenden 15. August führt der Bundesrat weiter die Registrierpflicht für Hunde ein. Der Verkauf oder der Tod eines Tieres müssen gemeldet werden.

Weitere Massnahmen möglich

Der Bundesrat beauftragte das Departement von Justizminister Christoph Blocher weiter, eine Verschärfung der Haftpflicht für Hundehalter zu prüfen. Dabei geht es laut Deiss einerseits um eine obligatorische Tierhalter-Haftpflichtversicherung und andererseits um die Frage, ob eine Kausalhaftung eingeführt werden soll.

Dann würden Hundehalter im Gegensatz zu heute auch haftbar, wenn sie keine Fehler begangen haben.

Pitbull-Verbot vom Tisch

Deiss hielt fest, die detaillierte Umsetzung der bundesrätlichen Massnahmen bleibe den Kantonen überlassen, zumal sich die Bedürfnisse eines Stadt- und eines Landkantons stark unterschieden.

Der Volkswirtschaftsminister machte vor den Medien in Bern keinen Hehl daraus, dass er weitergehende Massnahmen wie etwa eine Bewilligungspflicht für gewisse Hunderassen befürwortet hätte.

Hundehalter und Tierschützer zufrieden

Ein Verbot von Rassen wäre ein Scheinlösung gewesen, sagte Verena Amman, Sprecherin der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG).

“Es ist richtig, beim einzelnen Hund anzusetzen”, sagte Amman. Deshalb begrüsse die SKG eine Meldepflicht von Bissen oder anderem aggressivem Verhalten von Hunden. Sinnvoll sei, dass der Erziehung von Hunden künftig mehr Gewicht beigemessen werde.

Auch eine obligatorische Haftpflichtversicherung für Hundehalter befürwortet die SKG. Würde der Bundesrat aber eine Kausalhaftung einführen, wäre das unverhältnismässig. “Wenn ein Halter an einem Hundebiss nicht schuld ist, soll er nicht bestraft werden”, sagte Amman.

Die Stiftung für das Tier im Recht wandte sich an die Kantone, deren Bestimmungen weiter gehen als die vom Bunderat beschlossenen Massnahmen. Übermässig restriktive Gesetze sollten nun so rasch wie möglich den Vorgaben des Bundes angepasst werden, schrieb die Organisation in einer Mitteilung.

Schwachstrom-Verordnung

Für Nationalrätin Kathy Riklin von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) hat der Bundesrat mit seinen Massnahmen gegen gefährliche Hunde die Forderungen des Parlaments nicht erfüllt.

Es handle sich um eine Schwachstromverordnung, sagte die Präsidentin der nationalrätlichen Wissenschaftskommission. Sie beinhalte keine Bewilligungspflicht für gefährliche Hunderassen, kein Zuchtverbot und kein Importverbot.

Zwar sei eine Meldepflicht für auffällige Hunde vorgesehen, auch dort würden die Einzelheiten aber wieder an die Kantone delegiert. Zudem enthalte die Verordnung viele Kann-Formulierungen.

swissinfo und Agenturen

Gefährliche Hunde sind in der Schweiz spätestens seit dem vergangenen 1. Dezember wieder ein Thema. An jenem Tag war in Oberglatt (Kanton Zürich) ein 6 Jahre alter Knabe auf dem Weg in den Kindergarten von drei Pitbulls zu Tode gebissen worden.

Seither stand die Regierung unter Zugzwang von allen Seiten, die nationale Gesetzgebung zu verschärfen.

Einige Kantone mochten nicht warten und verfügten in eigener Kompetenz neue Massnahmen.

Auf Bundesebene verlangt das Tierschutzgesetz seit Juni 2004 nur, dass Hunde bis spätestens Ende 2006 mit einem Mikrochip oder einer Tätowierung gekennzeichnet werden.

Die entsprechende Gesetzgebung in der Schweiz gehört zu den lockersten in Europa. In Frankreich und in Deutschland ist für mehrere Hunderassen die Einfuhr oder Zucht verboten.

Gemäss dem Bundesamt für Veterinärwesen werden in der Schweiz jedes Jahr rund 13’000 Personen von einem Hund gebissen.

In 24% der Fälle beisst der eigene Hund, in 34% kennt das Opfer den Hund und in 42% beissen unbekannte Hunde.

Bevor im Dezember 2005 der kleine Junge zerfleischt worden war, war im November 2000 eine Frau vor Schreck in die Limmat gesprungen und ertrunken, nachdem sie von einem Dobermann bedroht worden war.

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