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Gelson Fernandes, Kapverden – Sitten – Manchester

Gelson Fernandes hält mit moderner Technik Kontakt mit der Schweiz . swissinfo.ch

Der Mittelfeldspieler von Manchester City und der Schweizer Nationalmannschaft sprach in der nordwestenglischen Stadt mit swissinfo, begleitet von den Rhythmen des Zouc und der Funana-Musik der Kapverdischen Inseln.

Auf dieser Inselgruppe vor der Westküste Senegals wird Gelson Fernandes vor 21 Jahren geboren. Mit fünf Jahren kommt er ins Wallis und durchläuft beim FC Sitten sämtliche Stufen der fussballerischen Ausbildung. Seit rund sechs Monaten geht es mit seiner Karriere steil aufwärts.

Gelson Fernandes trägt ein blaues T-Shirt und eine Jacke in den Farben seines Klubs Manchester City. Mit einem Auge schielt er ständig auf den Bildschirm seines Laptops, wo in schnellem Rhythmus E-Mails eintreffen. Die neuen Kommunikationsmittel lenken einen emigrierten Fussballer vor der Einsamkeit ab.

Der junge Mittelfeldspieler von Manchester City – das Mobiltelefon in der einen und die Tagespresse in der andern Hand – kommt gerade vom Nachtessen mit seinen Klubkameraden. Am nächsten Tag wird seine Mannschaft auf Arsenal treffen, wo Philippe Senderos mitspielt, der Kollege aus der Schweizer Nationalmannschaft.

Sitten-Manchester einfach

Der ehemalige Spieler des FC Sitten wurde letztes Jahr nach Manchester transferiert, wo er sich einen Stammplatz als defensiver Mittelfeldspieler erkämpfte. Seine Arbeit wird geschätzt, dafür gibt es untrügliche Zeichen: Der Klub hat für ihn eine neue, hübsche Wohnung gefunden, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt.

Gelson lächelt, wie eigentlich fast immer. Doch diesmal gibt es wirklich einen guten Grund: “Ich wollte in England spielen und nun bin ich hier. Das ist mein Fussball, mit viel Körpereinsatz und in konstant hohem Tempo. Technisch spiele ich noch zu ungenau, um in Spanien oder Italien mithalten zu können. Mein Platz ist hier.”

Zähne zeigen

Es läuft gut, einverstanden. Aber der Wechsel vom FC Sitten nach Manchester City war eher leid- als freudvoll.

“Wenn du in eine Mannschaft kommst mit 30 Spielern, wovon 25 Nationalspieler sind, musst du um deinen Platz kämpfen. Du musst Zähne zeigen und keine Gedanken darauf verschwenden, dass du nur der kleine Schweizer bist, sonst bist du verloren.”

In diesem Umfeld ist kein Platz für Jammerlappen und Schlafmützen. Für schlechte Leistungen gibt’s keinen Trost. Vergessen ist die Nestwärme des Stade de Tourbillon in Sitten, wo Gelson zum Liebling des Clubs avancierte, und wo sein Vater noch heute Platzwart ist. “Der Aufstieg ist – sagen wir mal – “schwindelerregend”.

Als Neuling werde man für den ersten Match mal gar nicht aufgeboten. “Aber an jenem Tag, an dem du deine Chance erhältst, musst du deinem Klub beweisen, dass er sich in dir nicht geirrt hat, und dass du in der Lage bist, auf hohem Niveau zu spielen. Für mich fand diese Feuertaufe beim Spiel gegen Portsmouth statt. Es ist alles gut gelaufen, Gott sei Dank. Seither ist es einfacher geworden, doch ich muss trotzdem immer weiterkämpfen.”

Neues Land, neue Mentalität

Gelson musste sich auch an ein neues Land und dessen Mentalität gewöhnen. Das Reisen, Behördenbesuche und die persönliche Weiterbildung sind in einem unbekannten Umfeld um einiges komplizierter. Zudem fehlen ihm seine Nächsten, vor allem die Eltern, der Bruder, die Schwester.

In sechs Monaten ist es Gelson Fernandes jedoch gelungen, sich zurechtzufinden: “Ich kann endlich sagen, dass ich mich in diesem Klub und in dieser Stadt wohl fühle.”

Auf der andern Seite des Ozeans

Nach seiner Ankunft in der Schweiz dauerte es auch sechs Monate, bis ihn die Berge und der Schnee nicht mehr beeindruckten. “Ich erinnere mich, wie ich mit dem Zug aus Paris ankam und vom Anblick der Natur schlicht überwältigt war.”

Zu diesem Zeitpunkt war Gelson Fernandes fünf Jahre alt. Er verliess mit seiner Mutter die sonnigen Kapverdischen Inseln, um zum Vater zu ziehen, der bereits ein paar Jahre früher in die Schweiz kam. “Wenn du mit andern Jungs spielst, geht alles sehr schnell. Und wenn du noch klein bist, siehst du die Sache anders. Nach einigen Monaten fühlte ich mich schon als Walliser.”

Erinnerungen aus seiner frühsten Kindheit? Gelson weiss nicht mehr viel. “Ausser, dass ich immer schon gerne rannte und auf Bälle schlug. Und natürlich das Meer…ja, der riesige Ozean. Diese fünf Jahre, da bin ich mir sicher, waren sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung.”

Er kehrt regelmässig zum Auftanken auf die Kapverden zurück und tut dies sicher auch vor dem grossen Abenteuer Euro, um noch etwas auszuspannen.

“Die Kapverdischen Inseln, das sind der Ozean, der Sand, der Strand, die Fische, Maisgerichte, die mir so fehlen, und vor allem die grosse Lebensfreude. Wenn ich ankomme, werde ich als erstes meine zwei Grossmütter, Zita und Marie-José, besuchen. Die Leute dort unten erwarten nicht Fernandes, der bei Manchester City spielt, sondern einfach Gelson. Der grosse Unterschied zu Europa ist meiner Ansicht nach die Zufriedenheit der Leute auf diesen Inseln, sie sind glücklich mit dem, was sie haben!”

Reisen mit Musik

Gelson Fernandes war der erste Kapitän einer Junioren-Nationalmannschaft mit afrikanischen Wurzeln. Er fühlt sich als Schweizer, doch er bekennt sich auch mit Nachdruck zu seiner afrikanischen Herkunft.

“Das ist wichtig für mich. Schauen Sie mich an, man weiss sofort, woher ich stamme. Das ist meine Kultur, hier sind meine Wurzeln. Es gibt übrigens keinen einzigen Tag, an dem ich nicht für einige Augenblicke auf die andere Seite des Ozeans reise. Ein bisschen Zouc oder Funana, und schon hebe ich ab. In solchen Momenten bringt mich nichts mehr aus der Ruhe.”

Kapverdischer Walliser-Schweizer! Welch widersprüchliche Mischung: das Meer und die Berge, die Sonne und der Schnee, die Kühnheit und die Vernunft, das Vergnügen und die Konsequenz, der Rhythmus und die Heiterkeit. Daraus schöpft er die Energie für seine Reise, und niemand weiss, wo sie enden wird.

swissinfo, Mathias Froidevaux, Manchester
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Gelson Fernandes wurde am 2. September 1986 auf den Kapverdischen Inseln geboren.

Ausgebildet beim FC Sitten, hat er in 99 Spielen der Challenge League und der Super League mitgewirkt, das erste Mal am 26. April 2003 gegen Luzern (1:1).

Bei seinem Transfer zu Manchester City am 14. Juli 2007 für 9,1 Millionen Franken handelte es sich um die zweithöchste je bezahlte Transfersumme von einem ausländischen Klub für einen Schweizer Spieler (Juventus Turin zahlte 12 Millionen für Patrick Müller).

Gelson Fernandes hat bislang acht Spiele mit der Nationalmannschaft absolviert, das erste im August 2007 gegen die Niederlande.

Gelson Fernandes spricht sieben Sprachen: Italienisch, Portugiesisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Kreolisch und (ein Bisschen) Spanisch.

Manchester City wurde 1887 gegründet. Die Citizens, wie die Spieler genannt werden, spielen seit 2003 in einem neuen Stadion mit 48’000 Plätzen.

Der Klub wurde zweimal englischer Meister (1937 und 1968) und gewann vier Mal den Cup. Es gelang ihm nie, auf europäischem Niveau eine bedeutende Rolle zu spielen.

Der Geschäftsmann und ehemalige Premierminister von Thailand, Thaksin Shinawatra, hat den Club gekauft. Unter Trainer Sven-Göran Eriksson peilt Manchester City eine Spitzenposition in der Premier League an.

Letztes Jahr zahlte der Klub die Transfersumme von 9,5 Millionen Franken für den jungen, defensiven Schweizer Mittelfeldspieler Gelson Fernandes.

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