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Den Sternenhimmel, die Ruhe geniessen…

Laos: Eher Piste als Strasse. swissinfo.ch

Über 700‘00 Kilometer hat das Ehepaar Dorly und Wolfgang Maidlinger in den letzten fünf Jahrzehnten auf unserem Planeten zurückgelegt: Erst mit einem VW-Bus, später dann mit einem selbst umgebauten Iveco-Transporter.

Diesen Sommer verbringen Maidlingers in der Schweiz. Im Frühling hatten sie ihren Wagen im schwülheissen Thailand bei einem Auslandschweizer untergestellt und reisten in die Heimat. Wenn die Temperaturen in Südostasien wieder angenehmer sind, kehren sie zurück.

In den 1970er-Jahren fuhren Maidlingers hauptsächlich mit ihrem VW-Bus nach Algerien, in die Sahara. Sie bereisten den Kontinent bis nach Tansania und Namibia. Aber auch Indien retour stand mal auf dem Programm.

Vier- bis fünfwöchige Reisen reichten den beiden bald nicht mehr. 1980 fand der Automechaniker und Schwerstkranfahrer einen Job, der sich besser fürs Reisen eignete: Er wurde Bademeister und Sportplatzwart. Dafür musste er erst schwimmen lernen. Dank der vielen Sommer-Überstunden konnte das Ehepaar jeweils im Winterhalbjahr 3 bis 4 Monate reisen. Inzwischen haben sie fast 150 Länder bereist.

Fast eine halbe Million Kilometer legte das Paar mit seinem inzwischen 21-jährigen Iveco, den es selbst zum Expeditionsfahrzeug umgebaut hatte, zurück. Richtig los ging es nach Wolfgangs Pensionierung: Rund viereinhalb Jahre waren sie auf Achse (mehr dazu unter Links: Reiseberichte).

Blick auf die Schweiz

Ob in abgelegenen Gegenden Afrikas, Asiens oder Südamerikas – die Schweiz habe in der Regel rund um den Globus einen sehr guten Namen, erklärt Wolfgang. “Viele Leute haben mir gesagt, wir könnten glücklich sein, in der geregelten Schweiz zu leben. Alles sei da sauber, nehme seinen geregelten Gang.”

Die Schweizer Neutralität werde durchwegs positiv bewertet. Das Land werde auch immer wieder mit dem Roten Kreuz in Verbindung gebracht, und man schätze, dass die Schweiz nie eine Kolonialmacht war.

Zufrieden trotz Kleinbürgerlichkeit

“Wenn wir längere Zeit im Ausland waren, machen wir in der Schweiz schon ein wenig kleinbürgerliches Denken und Handeln aus. Aber das muss nicht in jedem Fall negativ sein”, meint Wolfgang.

Denn dass es hier doch sehr sauber ist, dass die Strassen regelmässig gewischt und repariert werden, missfällt den beiden nicht.

Mit wenig zufrieden sein

“Im Ausland lernt man, mit viel weniger auszukommen, bescheidener zu leben”, sagt Dorly. “Wir tragen die Kleider länger, weil man selbst waschen muss, ohne Maschine, an einem Fluss oder einer Wasserstelle. Auch das Duschen ist nicht selbstverständlich. Das machen wir höchstens alle zwei Tage, einmal pro Woche werden die Haare gewaschen.”

Auch wenn man nur zwei Töpfe zur Verfügung habe, schmecke das einfache Essen meistens sehr gut. “Wir haben keinen Fernseher, keine Zeitung, Wir schätzen jeden Abend, an dem wir draussen sitzen können. Wir geniessen den Sternenhimmel, die Ruhe. Es ist schön, einfach so dazusitzen und sich zu freuen, über das, was man am Tag erlebt hat, auch über die vielen netten Leute, die man kennengelernt hat. Der Luxus geht mir überhaupt nicht ab, nein”, erklärt Dorly.

Gefährliche Situationen

Andere Länder, andere Strassen. Wolfgang berichtet von einer so genannten Todesstrecke in Bolivien. “26 Kilometer ist die lang, Die schmale Strasse wurde in den Felsen gesprengt. Es gibt nur wenige Ausweichstellen, wo die grossen Fahrzeuge kreuzen können. Die Strasse wird weder von einem Geländer noch von einer Mauer begrenzt, und das Gelände fällt fast senkrecht bis zu 1000 Meter ab.”

Jedes Jahr fallen dort Fahrzeuge jeder Kategorie hinunter. Wolfgang: “Niemand überlebt einen solchen Sturz. Die Opfer können nicht geborgen werden. Sehr viele Unfälle passieren, weil viele Fahrer eine berauschend wirkende Pflanze kauen. Das ist ähnlich wie fahren unter Alkoholeinfluss. Da wird man leichtsinnig und sieht die Gefahr weniger.”

Wolfgang erzählt auch von einer gefährlichen Begegnung mit Löwen in Afrika (s. rechte Spalte).

Krieg und Diplomaten

Auf ihren Reisen sind die beiden auch in kriegerische Ereignisse hineingeraten: Ende 1999 waren sie auf dem Weg nach Kenia und gerieten dabei in den eritreisch-äthiopischen Konflikt. Während Wochen konnten sie ihre Familie zu Hause nicht über ihren Verbleib benachrichtigen, so dass man dort schliesslich das Departement für auswärtige Angelegenheiten einschaltete, das eine internationale Suchmeldung lancierte.

Wolfgang schreibt in einem Reisebericht: “Schliesslich erhielt die Schweizer Botschaft eine Mitteilung der äthiopischen Polizei, die besagte, dass das Fahrzeug Iveco mit der Nummer ZH 205176 einen Posten passiert habe. Ich dachte immer, diese Kontrollposten sind für die Katz. Ich habe unterdessen meine Meinung grundlegend geändert. Auch habe ich das Aussendepartement in Bern angerufen und gefragt, was diese Aktion gekostet hätte und was ich bezahlen müsse. Antwort: Wenn es was koste, meldeten sie sich wieder. So bedankte ich mich höflichst, auch mit der Gewissheit dass einem im Ausland geholfen wird.”

Aber Maidlingers haben Schweizer Vertretungen im Ausland auch anders erlebt: So liess man sie in Brasilia sehr lange vor doppelt vergitterten Toren stehen. “Es fuhren der Konsul oder Botschafter (mit dickem BMW) und sonst noch einer an uns vorbei. Sie sahen unser Auto mit Schweizer Nummer, und keinem fiel ein zu fragen, ob wir Hilfe brauchten.”

Es geht auch anders: “Wenn man bedenkt, dass wir auf einer gewöhnlichen Post in Mauretanien (wir warteten auf eine Telefonverbindung) Tee angeboten bekamen! Wenn ich nochmals auf die Welt komme, werde ich Schweizer Botschafter oder Konsul!”

Kürzer treten

Wolfgang und Dorly Maidlinger erfreuen sich trotz ihrer rund 70 Jahre einer recht guten Gesundheit. Aber die Strapazen ihrer Reisen belasten sie zusehends.

Deshalb wollen sie nach ihrem nächsten Asientrip ihren Iveco nach Namibia verschiffen und künftig während den kalten Wintern in der Schweiz das Leben im südlichen Afrika geniessen.

Etienne Strebel, swissinfo.ch

1957: Sizilien
1958: Dänemark
1966: Jugoslawien, Bulgarien Türkei Syrien, Libanon, Jordanien, Israel, Griechenland
1968: Frankreich, Spanien, Marokko, Mauretanien
1974: Kanada, USA, Mexiko
1976: Brasilien, Uruguay, Paraguay, Brasilien
1979: Australien
1980: Südafrika, Simbabwe, Botswana, Namibia
1985/86: Tunesien, Algerien, Niger, Tschad, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Zaire, Uganda, Tansania
1991: Österreich, Tschechoslowakei, Polen
1995/96: Griechenland, Türkei, Iran, Pakistan, Indien (Goa)
1996: China, Hongkong, Macao
1997/98: Frankreich, Spanien, Marokko, Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea, Senegal, Gambia,
1998/99: Griechenland, Türkei, Iran, Arabische Emirate, Oman, Saudi-Arabien, Jordanien, Israel, Zypern
2004/07: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Chile, (Osterinseln), Peru, Bolivien, Ecuador (Galapagos), Kolumbien, Venezuela, USA, Mexiko, Belize, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama, El Salvador, Guatemala, Kanada, Alaska, Hawaii
2009: Polen, Litauen, Russland, Mongolei, China, Tibet, Laos, Thailand

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