«Gute Beziehungen zu Israel sind von Gott gesegnet»
Eine evangelikale Kleinstpartei verlangt, dass die Schweiz ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Jüdische Organisationen sind skeptisch. In der neutralen Schweiz dürfte es der Vorschlag generell schwer haben.
Erst wenn die jüdische Diaspora nach Israel zurückkehrt, wird der Messias wiederkommen. So steht es im Alten Testament und so glauben es evangelikale Christen – in den USA wie in der Schweiz.
Amerikanische Evangelikale haben denn auch die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, mit Begeisterung aufgenommen.
Trumps überraschender Schachzug zugunsten Israels wird auch in der Schweiz intensiv diskutiert und hat gar evangelikale Kreise ermuntert, dieses Anliegen wieder auf ihre Agenda zu nehmen: Die christlich-nationalkonservative Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) verlangt in einer PetitionExterner Link, dass die Schweiz ihre Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. In der Begründung heisst es: «Jerusalem wurde bereits von König David vor 3000 Jahren zur Hauptstadt von Israel ernannt. Seither war Jerusalem nie die Hauptstadt einer anderen Nation.» Die EDU argumentiert auch explizit theologisch: «Gute Beziehungen zum Volk und Land Israel, dem Träger biblischer Verheissungen, sind von Gott gesegnetExterner Link!» Auf Anfrage von swissinfo.ch erklärt die EDU, die Partei stehe bedingungslos zum Staat Israel, da sie ihn als Verwirklichung biblischer Prophetie betrachte.
Es ist nicht das erste Mal, dass christliche Schweizer die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem wünschen: Bereits 1996 forderte ein NationalratExterner Link der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) den Bundesrat in einem PostulatExterner Link auf, die sofortige Verlegung der Schweizer Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem in die Wege zu leiten. Der Bundesrat sah dafür jedoch keine Veranlassung.
Skepsis bei Schweizer Juden und Jüdinnen
Doch die jüdischen Organisationen in der Schweiz reagieren skeptisch auf den christlichen Eifer:
- «Obwohl Jerusalem für uns Juden seit 3000 Jahren zentral und wichtig ist, bezweifeln wir, dass die Verlegung der Schweizer Botschaft nach Jerusalem ein richtiges Signal wäre», sagt Susi Saitowitz, Generalsekretärin der Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS)Externer Link. Sie befürchtet, dass der Konflikt Israel-Palästina durch die Verlegung von Botschaften nach Jerusalem zusätzlich angeheizt würde. «Es ist in der Tradition der Schweizer Politik, gerade bei Konflikten eine neutrale Position einzunehmen», so Saitowitz. Dies als Grundlage für eine vermittelnde Rolle, falls dies von den jeweils betroffenen Akteuren erwünscht sei.
- Der Schweizerische Israelitische GemeindebundExterner Link (SIG) gibt sich defensiv: «Selbstverständlich sieht der SIG Jerusalem als historisches, religiöses und kulturelles Zentrum des jüdischen Volkes und als Hauptstadt Israels an», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan KreutnerExterner Link auf Anfrage. «Deshalb befürwortet der SIG Bemühungen, die dazu führen, dass Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt wird.» Kreutner fügt vorsichtshalber hinzu, dass dem SIG ein auf dem Verhandlungsweg erreichter Frieden in der ganzen Region sehr am Herzen liege.
Die Stellungnahme des SIG erstaunt einigermassen, da es im Dezember noch anders klang: Damals veröffentlichte SIG-Präsident Herbert Winter zur Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem auf Facebook einen vielbeachteten Post. «Es ist fraglich, ob ein solcher Schritt der USA zum aktuellen Zeitpunkt hilfreich ist. Wünschenswert wäre eine von Israel und den Palästinensern ausgehandelte Lösung», schrieb Winter.
Nachdem Jüdinnen und Juden in den Kommentaren Winter kritisierten, nicht zur Politik Israels zu stehen, betonte der SIG damals noch, dass es sich nicht um eine Einzelmeinung von Herbert Winter handle, sondern der Post dem Willen der Delegiertenversammlung Rechnung trage. Die Forderung, dass die Schweiz Jerusalem als Hauptstadt anerkennen solle, sei aktuell «nicht hilfreich».
Nicht nur bei Juden stösst die Petition auf Skepsis: Auch für die religiös unabhängige Gesellschaft Schweiz – IsraelExterner Link (GSI), die sich für eine Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Israel einsetzt, steht eine Verlegung der Botschaft derzeit nicht zur Debatte. «Die Jerusalemfrage muss zwischen den Konfliktparteien direkt gelöst werden», sagt ein Sprecher.
Evangelikale sind eine Minderheit
Anders als in den USA sind Evangelikale in der Schweiz eine kleine Minderheit. Zwar wachsen auch hierzulande manche charismatischen Gemeinden, doch gehören nur 2% der Schweizer einer Freikirche an. In den Nationalratswahlen 2015Externer Link erreichte die bibeltreue EDU einen Wähleranteil von gerade mal 1,2%. Seit 2011 ist sie im nationalen Parlament nicht mehr vertreten.
Nur wenige Schweizer ParlamentarierExterner Link haben sich bisher offen dazu bekannt, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzusehen. Die Schweiz gehörte gar zu jenen Ländern, die im Dezember einer UNO-Resolution zustimmten, die Trump zur Rückgängigmachung seines Entscheids bewegen will.
Derzeit ist ein PostulatExterner Link im Schweizer Parlament hängig, die vom Bundesrat geprüft haben will, ab wann die Schweiz die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen kann. Eingereicht hat es ein Nationalrat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, der gänzlich auf eine biblische Begründung verzichtet. Er schreibt lapidar: «Der Heuchelei muss ein Ende gesetzt werden.»
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