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Gewerkschaft schmeichelt den gewerblichen Patrons

Mehr Lehrstellen als bei den Banken in gewerblichen Berufen. RDB

Die Gewerkschaft Unia hat am Dienstag eine Strategie vorgelegt, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Gewerbebetriebe (KMU) verbessert werden soll.

Der Schweizerische Gewerbeverband reagierte verhalten auf die Vorschläge. Er kritisierte, sie beinhalteten nichts wirklich Neues und seien längst auf der Agenda des Verbandes.

Dass das erste wirtschaftspolitische Konzept – die 60-seitige Gewerbe-Strategie – von Unia den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gewidmet ist, sei kein Zufall, sagte Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti am Dienstag vor den Medien.

Das Gewerbe sei resistenter gegen Konjunktur-Schwankungen und verlagere weniger schnell Stellen ins Ausland. Allein in 40’000 Betrieben des Bauneben- und Ausbaugewerbes vertrete Unia über eine Viertelmillion Beschäftigter. Zudem betreue die Gewerkschaft rund 100 gewerbliche Gesamtarbeitsverträge.

“Wir haben immer auch wirtschaftliche Strategien zur Diskussion gestellt und haben konkrete wirtschaftspolitische Ideen und nicht nur Forderungen”, ergänzte Unia-Sprecher Bruno Schmucki gegenüber swissinfo.

Kein Schulterschluss

Patrick Lucca, Kommunikationschef des Gewerbeverbandes, beurteilte das Papier eher zurückhaltend. “Was die Unia fordert, entspricht unseren alten Forderungen. In diesem Sinn unterstützen wir die Vorschläge. Einen Schulterschluss wird das Gewerbekonzept jedoch nicht bewirken.”

Die Unia fordere bei andern Gelegenheiten beispielsweise den 13. Monatslohn im Gastgewerbe, so Lucca. “Diese Forderung kann das Gastgewerbe nicht erfüllen, denn ein Drittel der Betriebe steckt jetzt schon in den roten Zahlen.”

In einem ersten Teil der am Dienstag vorgestellten Broschüre analysiert Unia die Bedeutung der KMU und windet den Patrons dabei das eine oder andere Kränzlein. Gerade in der Ausbildung könnten sich die anderen Branchen beim Gewerbe etwas abschneiden.

Wo etwa die Banken 3,8 Lehrstellen auf 100 Beschäftigte bieten, offeriert die Holzverarbeitung 11,2 und das Autogewerbe sogar 14,4 Lehrstellen, wie Franz Cahannes sagte, Co-Leiter der Sektion Gewerbe bei der Unia.

Den Wert des Gewerbes durchaus anerkennend will Unia etwas zur Stärkung der KMU tun. Dafür legt die Gewerkschaft im zweiten Teil der Broschüre eine 12-Punkte-Strategie vor.

Frühpensionierungen und antizyklische Politik

Cahannes warnte davor, die Wettbewerbsfähigkeit über die Senkung der Lohnkosten heben zu wollen. Gerade bei den Löhnen seien die flankierenden Massnahmen unersetzlich. Die Lohnkosten machten je nach Branche 10 bis 59% der Kosten aus.

Anzusetzen sei bei den übrigen Kosten, etwa bei den überteuerten Importen. Weiter aufs Korn nimmt Unia die Kredite, welche sich die Banken aus billigen Spargeldern finanzierten. Billiger werden müssten zudem Energiekosten und Gebühren.

Auch die im Gewerbe recht tiefe Produktivität will Unia steigern. Kompetenzerweiterung und Innovationen könnten die Bruttowertschöpfung von 81’000 Fr. (Holz) bis 100’000 Fr. (Metall) pro Vollzeitstelle aufs Landesmittel von 133’000 Fr. (Stand 2002) heben.

Weitere Massnahmen im Katalog sind Frühpensionierungen, die administrative Entlastung der KMU und eine antizyklische Finanzpolitik des Bundes.

Diskussion über Bankkredite

“Es hat viele leere Phrasen wie etwa die Forderung nach einem antizyklischen Verhalten des Staates oder nach administrativen Entlastungen. Das verlangt jeder Gewerbetreibende seit Jahren”, kommentierte dazu Arbeitgeber-Sprecher Lucca im Gespräch mit swissinfo.

Renzo Ambrosetti seinerseits erhofft sich von den Unia-Vorschlägen eine breite Diskussion, die etwa bei den Krediten auch zu Druck auf die Banken führen darf, wie er sagte. Beim Werkplatz Schweiz zögen die Gewerkschaften, das Gewerbe und Teile der exportierenden Wirtschaft am selben Strick.

Ihre Interessen stünden dabei im Gegensatz zu jenen des Finanzsektors und weiterer exportierender Industrien. Der Austritt des Baumeisterverbandes aus dem Dachverband economiesuisse habe dies klar vor Augen geführt. “Die grossen Firmen schaffen überall Arbeitsplätze auf der Welt, aber nicht in der Schweiz”, ergänzte Bruno Schmucki.

swissinfo und Agenturen

Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft.

KMU sind Betriebe mit bis zu 250 Angestellten.

Bei 99,7% der 307’000 Schweizer Unternehmen handelt es sich um KMU. Sie beschäftigen 66,8% der gesamten Arbeitskräfte.

Knapp 90% aller KMU beschäftigen weniger als zehn Mitarbeitende.

Gemäss einer Studie aus dem Jahr 2004 werden neun von zehn Schweizer Betrieben von Familien geführt.

1998 setzte der Wirtschaftsminister eine Task Force ein, um die KMU zu unterstützen.

Sie bemüht sich, die Aktivitäten und Informationen des Bundes für die KMU zu koordinieren.

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