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Grenzüberschreitender Markt für das letzte Geleit

Waldbestattung in Beatenberg: Die Asche wird ins Wurzelwerk eingestreut. naturbestattungen.de

Nicht jeder möchte auf dem Friedhof enden. In der Schweiz darf man die Asche von Toten auch im Wind, auf dem Gletscher oder im Wald verstreuen. Infolge dieser liberalen Praxis wird im Geschäft mit der letzten Ruhe auch um tote Deutsche geworben.

“Wenn EU-Bürger den Wunsch haben, in der Schweizer Natur bestattet zu werden”, sei dies mit einer Willenserklärung möglich, da in der Schweiz kein Friedhofzwang herrsche, man also frei über die Totenasche verfügen könne, heisst es auf der Homepage des Schweizer Bestattungs-Unternehmens “Ewiges Alpenglühn”.

Und die “Oase der Ewigkeit” aus Grevenbroich bei Düsseldorf wirbt für Naturbestattungen in Beatenberg im Berner Oberland. “In der herrlichen Natur der Schweizer Alpen können Sie Ihre Asche oder die Ihrer Angehörigen auf natürliche Art bestatten. Das ist die vertrauensvolle und schöne Alternative zum Friedhof in Deutschland oder zur Seebestattung.

Seit April 2011 führt die Oase der Ewigkeit auf einem 15’000 m2 grossen Waldstück in Beatenberg, das sie gekauft hat, Aschebestattungen durch. Die Asche Verstorbener wird entweder im Wurzelwerk eines Baumes vergraben (1598 Euro) oder auf dem Gelände verstreut (324 Euro). Die Kundschaft stammt vor allem aus Deutschland.

Laut Geschäftsführer Dietmar Kapelle ist das Geschäft gut angelaufen. “In den ersten zwei Monaten hatten wir 60 Bestattungen. Im Jahr rechnen wir mit etwa 125 Bestattungen ohne Angehörige und mit ebenso vielen mit Angehörigen.”

Das Geschäft dürfte auch dem 1200-Seelendorf über dem Thunersee nicht ungelegen kommen. “Ein Hotelier aus Beatenberg hat an der Gemeindeversammlung erklärt, der Mai, sonst ein schwacher Monat, sei dieses Jahr der beste seit 10 Jahren gewesen”, sagt Kapelle.

Nach dem “Sterbe-” der “Bestattungstourismus”?

Laut einem Artikel in der Berner Zeitung scheinen aber mit dem neuen Geschäftsmodell nicht alle glücklich zu sein, es ist gar die Rede von “Bestattungstourismus”.

“Dieses Wort stört ein bisschen”, meint Kapelle. “Aber grundsätzlich lebt die Schweiz sehr stark vom Tourismus. Und die Angehörigen kommen natürlich als Touristen. Ein Jahr später kommen sie dann wieder, um die verstorbene Oma zu besuchen und bleiben ein, zwei Wochen.”

Unmut gegen Naturbestattungen war vor ein paar Jahren auch im Wallis aufgekommen. Seit dem 1. Juli 2009 sind gewerbsmässige Naturbestattungen im Kanton verboten.

Und im Kanton Bern ist ein deutscher Staatsangehöriger wegen Widerhandlung gegen das kantonale Waldgesetz in erster Instanz verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, als gewerbsmässiger Bestatter in zahlreichen Fällen die Asche verstorbener Personen ohne Bewilligung im Wald vergraben zu haben. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen.

Zurück zur Natur

Naturbestattungen sind in der Schweiz nicht neu. So genannte Friedwälder gibt es in der Schweiz seit 1993. Der Thurgauer Ueli Sauter hatte damals die Idee, die Asche am Wurzelwerk des Baumes zu vergraben und so “einen lebendigen Grabstein zu legen, der nicht nach 25 Jahren aufgehoben wird, sondern über 99 Jahre bleibt. Ein Baum kostet knapp 5000 Franken.

Die Friedwald GmbH, ein europaweit geschützter Name, ist das grösste Unternehmen dieser Art in der Schweiz mit zur Zeit rund 70 Friedwäldern, weitere sind in Planung. Friedwälder existieren seit 10 Jahren auch in Deutschland.

In Deutschland, wo Naturbestattungen bis vor ein paar Jahren noch verboten waren, habe ein Umdenken stattgefunden, so Sauter. “Die Bischofskonferenz war früher strikte gegen Waldbestattungen. Heute werden diese Wälder gesegnet. Die Kirche hat sich die Idee unter den Nagel gerissen, in 10, 20 Jahren wird es dann wohl heissen, die Kirche habe sie erfunden”, sagt der 70-jährige Pionier.

Kein grosses Geschäft

Billigbestatter aus Deutschland machen Ueli Sauter nicht zu schaffen. “Wir spüren keine Konkurrenz.” Friedwald Schweiz bestatte keine Asche von Ausländern, eventuell mal aus dem Grenzbereich wie Konstanz, betont der Thurgauer. Auch seien Naturbestattungen noch immer kein Riesengeschäft, wie allgemein angenommen werde.

Das bestätigt auch Werner Wilhelm, der Präsident des Schweizerischen Bestatter-Verbandes. “Das Bedürfnis, nach dem Tod in der Natur zu enden, ist da.” Er habe aber in den letzten Jahren kaum eine Zunahme von Naturbestattungen festgestellt. “Laut Schätzungen sind es deutlich weniger als 10%.”

Bekannt sei, dass sich 75% der Leute kremieren liessen. Was mit der Asche passiere, wisse man nicht, da in der Schweiz die Urne den Angehörigen übergeben werde. Dies im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo die Urne an die Bestatter geht.

“Einfluss auf Ökosystem gleich null”

In der Schweiz ist das Bestattungswesen kommunal geregelt. Für kommerzielle Waldbestattungen sind die kantonalen Waldämter zuständig. Rechtsgrundlage ist das Bundesgesetz über den Wald aus dem Jahr 1991, Artikel 16.

“Es muss sichergestellt sein, dass der Wald nicht Schaden nimmt”, sagt der leitende Oberförster Walter Marti von der Waldabteilung 4 Emmental. “Das Waldstück muss frei zugänglich sein, es dürfen keine Abdankungen durchgeführt, keine Urnen vergraben, keine Grabsteine, Kreuze oder Grabschmuck angebracht werden. Lediglich ein Schild von 10×10 cm ist zugelassen.”

Marti hatte anfänglich Mühe mit der Idee von Waldbestattungen, heute hat er Verständnis, dass es zunehmend Leute gibt, die sagen: “Was wollen wir 30 Jahre lang zu einem Grab schauen, wenn unser Vater oder unsere Mutter sich auf diesem Bänklein im Wald immer wohl gefühlt hat.”

Widerstand aus der Bevölkerung jedenfalls habe es kaum gegeben, als vor kurzem in Sumiswald ein Friedwald bewilligt wurde. “Dem Wald passiert ja nichts. Wenn ein Häschen eines natürlichen Todes erliegt, ist der Einfluss auf die Umwelt grösser als wenn eine halbe Flasche Asche daherkommt.”

Bestattungen sind in der Schweiz je nach Kanton kantonal oder kommunal geregelt.

Im Unterschied zu Deutschland und Österreich herrscht in der Schweiz kein so genannter Friedhofzwang. Das bedeutet, dass die Hinterbliebenen in der Schweiz die Urne eines Verstorbenen nach der Kremation zu sich nehmen dürfen.

EU-Bürger, die sich in der Schweizer Natur bestatten lassen wollen, müssen vorgängig eine Willenserklärung ausfüllen und diese an den Bestatter des Heimatlandes und der Schweiz schicken.

Es gibt zahlreiche Arten von Naturbestattungen: so kann die Totenasche im Wind, auf einer Wiese, einem Gletscher, in einem Bach, Fluss, See oder Wald verstreut oder im Wurzelwerk eines Baumes vergraben werden.

Für organisierte, kommerziell ausgerichtete Naturbestattungen braucht es eine Bewilligung. Dafür zuständig sind die kantonalen Waldämter.

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