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Hand in Hand – ein Aufbruchsversuch

Schriftsteller Silvio Blatter - vom Spiel mit dem Ball angetan. Keystone Archive

Der Ball ist nicht rund, und ein Spiel dauert nie neunzig Minuten.

Die Vergabe der Euro 08 an Austria-Switzerland ist eine Sache der Logik – falls die UEFA nicht ein strategisches Abseits pfeift.

Irgendein Schiedsrichter, warum nicht ein Schweizer, wird das Endspiel der Euro 08 pünktlich anpfeifen. Zwei Teams, eher nicht Österreich und die Schweiz, stehen im großen Finale.

Und eine Mannschaft gewinnt: Garantiert. Die Eckpfeiler sind damit gesetzt – und wo das Spiel stattfinden wird, wer es bestreitet und gewinnt, das ist nicht von entscheidender Bedeutung.

Sofa als Tribünenplatz

Der Schauplatz ist ein Nebenort, zumindest für die UEFA, für den Fußball, für die (fast hätte ich geschrieben geschmierte) Geldmaschine. Und auch für die Medien:

Denn der Hauptschauplatz ist nicht ein großartiges Stadion irgendwo, sondern ein Wohnzimmer, eine Bar, eine Küche, ein Biergarten undsofort, es gibt Millionen von Hauptschauplätzen, und mein Sofa ist der beste Tribünenplatz: denn zuallererst ist die Euro 08 ein TV-Spektakel, ein Medienereignis der Megaklasse.

Für einmal nicht Rücken an Rücken

Das Dossier der Kandidatur Austria-Schweiz ist stark. Also wäre es doch klug, die beiden Alpennachbarn ran zu lassen. Dass die Schweiz und Österreich für einmal nicht Rücken an Rücken in die Welt gucken, sondern sich Hand in Hand in die Welt hinauswagen und sie, zumindest was den europäischen Fußball betrifft, gestalten und prägen wollen: Allein das ist ein starkes Plus. Das sollte belohnt werden.

Genau besehen sind die Schweiz und Österreich im Fußball Entwicklungsländer. Das Niveau auch der obersten Liga elektrisiert die wenigen Zuschauer in den Stadien selten. Alles hält sich in Grenzen.

Gemeinsamer Kick

Fußball ist ein ausbaufähiger Markt. Die UEFA sollte das mit Wagemut fördern. Zunächst mit der Vergabe der EM 02 an Austria-Switzerland. Zwei Länder, von denen jedes das andere für ein bisschen verschnarcht hält, bekommen gemeinsam einen Kick.

Sie nutzen die Chance. Sie machen einen Sprung nach vorn. In der Schweiz wird froh die Europafahne gehisst. Die Geldhähne werden geöffnet. Die Fußballbegeisterung, die in beiden Ländern, von Ausnahmen abgesehen, eher herbeigeredet werden muss, wird hochschnellen.

Unser Spiel spielen …

Tausende werden Fähnchen schwingen, Trommeln schlagen, auf der Strasse tanzen, eine Kakophonie von Autohupen wird alle Städte erschüttern. Allein Zürich ist so multikulturell, dass jede Mannschaft nur Heimspiele auszutragen haben wird …

Der Trainer einer unteren Liga und der Nationalcoach sagen dasselbe: Wir müssen uns auf die eigenen Stärken besinnen und unser Spiel spielen. Da Fußball ein Wettkampf zwischen zwei Teams ist, wünschen sich das immer beide Trainer.

Eine Mannschaft muss sich das Spiel der anderen leider aufdrängen lassen. Sie verliert in der Regel.

Alles stimmt

Der Kandidatur Austria-Switzerland 08 wird bescheinigt (NZZ), das beste Dossier zu haben. Sie darf sich also auf die eigene Stärke berufen.

Lässt man das Doppelteam sein Spiel spielen, wird die Euro 08 neue Maß-Stäbe setzen, so sagt man dem doch. Das garantiert allein schon das Know how der beiden Länder: Die Köpfe, das Geld, die Strukturen, die Logistik – alles stimmt.

Brett vor dem Kopf?

Die beiden Länder sind, bei aller Verschiedenheit im Detail, kompatibel. Die Frage ist nur, ob die zuständigen Herren der UEFA das Zwingende dieser Logik auch erkennen. Ob sie nicht ein Brett vor dem Kopf haben. Oder ganz andere Interessen verfolgen.

Ihre Gedankengänge sind verschlungen, sie beherrschen eine Maschine, die Geld ausspuckt, Milliarden. Aber man muss auch Milliarden hineinstopfen.

In der Unberechenbarkeit, im Sturm dieser Entscheidungs-Findung, die immer auch eine politische sein wird, hat das beste Dossier die Chance einer Nuss-Schale auf dem wilden Ozean.

Das heißt nicht, dass sie absäuft. Vielleicht erweist sie sich als Flaschenpost und kommt an.

Silvio Blatter

(Der Schriftsteller, Maler und Kolumnist ist mit dem FIFA-Präsidenten Joseph Blatter weder verwandt noch verschwägert)

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