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Harlin erkundet “bevölkerte Landschaft”

John Harlin III posiert mit seinem Paddel. swissinfo.ch

Kaum sind seine gebrochenen Knochen geheilt, ist John Harlin, der Alpinist aus den USA, wieder in der Schweiz: für die nächste Etappe seines Abenteuers. Diese führt ihn per Boot, auf dem Velo und zu Fuss der Landesgrenze entlang.

Mit Hilfe modernster Technologien wie GPS und Google Maps und unter dem Einbezug von Facebook und Twitter ermöglicht swissinfo.ch Harlin, in einem digitalen Tagebuch über die Erlebnisse seiner Grenzwanderung entlang von Flüssen und Bergkuppen zu berichten.

Die nächste Etappe von Harlins Abenteuer beginnt am Rhein, wo der Fluss die Grenze zum kleinen Nachbarn Liechtenstein markiert.

Erst drei Monate sind es her, seit Harlin sein Projekt, die Schweiz entlang ihrer Grenze zu erkunden, abrupt hatte unterbrechen müssen. Dies nachdem an einem Berg an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich ein Fels losgebrochen war und ihn in die Tiefe gerissen hatte.

“Ich hielt mich an einem etwa zwei Meter hohen Granitfelsblock fest, als plötzlich alles in Bewegung geriet”, schrieb Harlin in seinem Tagebuch auf swissinfo.ch über den angsterregenden Moment. “… zusammen fielen wir nach unten, ich hing da kopfüber, … in der Luft … es war ein langer Fall, bevor mir bewusst wurde, dass er noch länger dauern würde. Es wollte einfach nicht aufhören.”

Doch schliesslich hielt das Seil stand und Harlin wurde rasch einmal klar, dass er mit seinen Verletzungen nicht mehr aus einiger Kraft vom Berg herunterkommen würde. Als er einen Rettungshelikopter angefordert hatte, informierte er seine Online-Fangemeinde über sein Pech.

“Nachdem ich den Helikopter angefordert hatte, sass ich dort, wartete und fotografierte mich selber. Ich war mir gar nicht bewusst, wie rasch das Bild online ging. Bumm, und schon war es soweit.”

Die Bilder des verletzten Alpinisten, die Bilder seiner Rettung mit dem Helikopter und die Röntgenaufnahmen seiner gebrochenen Füsse stiessen bei Nutzern von swissinfo.ch und Facebook auf reges Interesse und lösten viele Sympathiekundgebungen und Genesungswünsche aus.

Plan B

Noch während er im Spital war, tüftelte Harlin einen Plan B aus: Sobald seine Füsse geheilt waren, würde er sein Abenteuer in zwei weiteren Etappen zu Ende zu führen.

Erste Etappe – Rückkehr in die Schweiz im Herbst 2010, um den grössten Teil der Grenze im Norden im Kajak, den westlichen Abschnitt per Velo zu erkunden. Und im Sommer 2011 will er zurück in die Alpen und sich diesem Teil der Herausforderung erneut stellen.

Nach einer Zeit der Rekonvaleszenz bei seiner Familie in Oregon ist Harlin zurück in der Schweiz und erkundete in den vergangenen Tagen den nächsten Abschnitt seiner Route anhand von Karten im Massstab 1:25’00 sowie auf Google Earth. Harlins Berater, der Geograf Roland Baumgartner von Schweiz Tourismus, ist auch sein Freund.

Baumgartner zieht auf der digitalen Version der Karten, die John brauchen wird, eine rote Linie. Zuerst wird John auf dem Rhein mit einem Kajak unterwegs sein. Dort wo die Grenze zu Deutschland im Hinterland verläuft, wird er auf ein Bike umsteigen, bis dorthin, wo der Fluss wieder die Grenze bildet.

Die Herausforderungen sind ganz anders gelagert als zu Beginn seines Abenteuers. Er wird keine Bergsteiger-Probleme lösen, sondern sich mit einer uralten Frage befassen: “Wann ist ein Volk ein Nation, wann eine Grenze eine Abgrenzung?” Solche Fragen waren es, die Harlin zu der Odyssee entlang der Grenze bewegten.

Grosse körperliche Abenteuer

“Ein grosser Teil des Abenteuers wird darin bestehen, entlang der Route mit Leuten Kontakte anzuknüpfen, Interviews zu machen. Das ist für mich etwas Ungewohntes. Ich kann auf ein Leben voller körperlicher Abenteuer zurückblicken, Abenteuer, bei denen es um die Natur und mich ging, nicht um eine Landschaft voller Leute, die mich dieses Mal erwartet. Es wird für mich also Neuland zu erkunden geben.”

Nur wenige Tage bevor Harlin die nächste Etappe seiner Reise beginnt, war er eingeladen, vor einer Gruppe von Führungskräften der Abteilung Risiko-Management beim weltweit zweitgrössten Rückversicherer Swiss Re zu sprechen.

Sie wollten wissen wie der Herausgeber des American Alpine Journal und Star des IMAX-Films “Die Alpen” mit den Risiken umgeht, wenn er die Eiger-Nordwand erklimmt oder versucht, eine neue Route auf einen der Gipfel in den Gebirgszügen an der kanadischen Pazifikküste oder im Himalaya in Tibet zu erschliessen.

“Unternehmen streben nach einer grösseren Wachstumsrate, ähnlich wie ein Alpinist einen ihm wichtigen Gipfel erklimmen möchte”, erklärt Elizabeth Wesson, die Direktorin der Abteilung Risiko-Management bei Swiss Re, die Harlin eingeladen hatte.

Risiken erforschen

Harlin erklärt, erfahrene Alpinisten, die verunfallten, hätten oft eine Lage falsch eingeschätzt. Oder seien so sehr bestrebt gewesen, Erwartungen anderer zu erfüllen, dass sie unnötige Risiken eingingen. Zwei Gründe, räumt Harlin ein, die auch zu seinem Unfall im Juli beigetragen haben könnten.

Er legt auch offen, was ihn antreibt, Herausforderungen wie jene, die gesamte Schweizer Grenze mit ihren Bergen, Bergkämmen und Flüssen zu erforschen, anzupacken.

“Was ist der Sinn, überhaupt aufzubrechen, wenn du weisst, dass du deine Ziele erreichen wirst”, zitiert Harlin Bill Tilman, einen britischen Alpinisten und Forscher aus dem 20. Jahrhundert.

Der amerikanische Bergsteiger und Autor John Harlin setzt ab dem 4. Oktober sein Abenteuer “Grenz-Geschichten” fort, die Umrundung der Schweiz entlang ihrer rund 2000 Kilometer langen Grenze. Im Juli hatte er bei einem Absturz in den Alpen beide Füsse gebrochen und darauf sein Projekt unterbrechen müssen.

swissinfo.ch wird Harlin bei seinem Abenteuer erneut begleiten, das in zwei Etappen weiter geht.

In der ersten, “Flüsse und Höhenrücken”, wird Harlin den Rhein herunterpaddeln, um Schaffhausen wandern, sowie entlang dem Jura-Grenzabschnitt mit dem Velo und zu Fuss unterwegs sein.

2011 soll mit der Rückkehr in die Alpen noch die letzte Etappe folgen.

in Zurich (Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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