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Helvetischer Kompromiss um riskante Flugzeuge

Die Schweiz tut sich schwer mit ihrer "schwarzen Liste" der unsicheren Flugzeuge. Keystone

Reisende sollen beim Bundesamt für Zivilluftfahrt anfragen können, ob eine Fluggesellschaft nicht auf der "schwarzen Liste" steht. Die ganze Liste der verbotenen Flugzeuge bleibt geheim.

Ein Kompromiss, der dem Druck der Öffentlichkeit entgegenkommen soll. Der Konsumentenschutz jedoch kritisiert diese Holschuld.

Weitere Runde im Seilziehen um die “schwarze Liste” der Flugzeuge mit Sicherheitsmängeln. Nachdem das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) auf Druck der Medien bereits einige derzeit in der Schweiz verbotene Flugzeuge nannte, sollen nun auch “berechtigte Interessenten” Auskunft erhalten, ob eine Maschine nicht auf der BAZL-Liste verzeichnet sei.

Dies sagte eine BAZL-Sprecherin am Montag. Sie bestätigte entsprechende Berichte in der “Aargauer Zeitung” und im Westschweizer “Le Temps”.

Die Anfrage an das BAZL müsse schriftlich oder per E-Mail (info@bazl.admin.ch) erfolgen. Kann das Amt die Bestätigung nicht liefern, muss der Kunde davon ausgehen, dass die Behörden Sicherheitsmängel an einem Flugzeug reklamiert haben.

Ist eine Maschine nicht auf der Liste, bedeutet das hingegen lediglich eine Momentaufnahme ohne Rückschlüsse auf die ganze Flotte. Diese Möglichkeit der Anfrage sei vorher nicht möglich gewesen, sagte die BAZL-Sprecherin weiter. Weitere Einzelheiten würden später kommuniziert.

Das BAZL zeigte in einem Communiquè am Montagabend Verständnis für die Forderung nach einer kompletten Offenlegung. Datenschutz und Haftungsfragen verhinderten dies jedoch. Zudem würde durch ein Vorpreschen der Schweiz das Funktionieren des europäischen Meldesystems für Mängel beeinträchtigt.

Am nächsten Treffen der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz soll deshalb auf Antrag des BAZL das Bedürfnis der Fluggäste nach Transparenz erörtert werden.

Konsumentenschutz: “Fragwürdige Informationspolitik”

Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) nennt die neue BAZL-Informationspolitik dennoch “fragwürdig”. “Die Liste bringt eher Verunsicherung, die Leute werden immer noch nicht wissen, ob ein Flugzeug sicher ist oder nicht”, sagt Matthias Nast von der SKS gegenüber swissinfo.

Er kritisiert, dass es “so viel Druck braucht, damit die Informationen tröpfchenweise kommen”.

“Die Liste sollte in den Reisebüros für alle einsehbar sein. Jeder Passagier hat das Recht auf diese Information.” Die Güterabwägung müsse hier eindeutig zu Gunsten der Sicherheit der Passagiere und nicht des Datenschutzes gemacht werden.

Holschuld angeprangert

Falsch sei auch, dass es nun eine Holschuld des Konsumenten sei, sich die nötigen Informationen zu beschaffen. Vielmehr handle es sich um eine Bringschuld der Behörden. “Nicht alle Passagiere können schreiben oder elektronische Post schicken, um an diese Informationen zu kommen”, bemängelte Nast.

Auch der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür spricht sich für eine Offenlegung der Liste aus. Das öffentliche Interesse überwiege eindeutig, sagte er gegenüber Schweizer Radio DRS.

Auch Parteien für eine Offenlegung



Alle vier Bundesparteien befürworten grundsätzlich eine Offenlegung der Liste. Die bürgerlichen Parteien fordern das BAZL zum sofortigen Handeln auf. Die SP akzeptiert das vom BAZL vorgestellte Verfahren als eine Übergangslösung.

Die SVP wirft dem Amt Konzeptlosigkeit vor. Nachdem sich das BAZL mit dem neuen Anfrageverfahren nun offenbar entschieden habe, die Daten zu veröffentlichen, solle dies jetzt aktiv und vollständig geschehen, meint die SVP.

Auch die FDP fordert die Publikation der 21 Flugzeuge, die mit einem Landeverbot in der Schweiz belegt sind. Das Anfrage-Verfahren sei kompliziert und unsinnig, sagt die FDP.

Der bürokratische Aufwand dieser Lösung sei horrend im Vergleich zur damit geschaffenen Transparenz, sagt die FDP.

Die SP befürwortet hingegen die vom BAZL getroffene Zwischenlösung. Mehr sei zurzeit wohl nicht zu machen, meint sie. Das BAZL müsse sich jetzt aber auf europäischer Ebene für mehr Transparenz einsetzen und auf eine breit abgestimmte Lösung hin arbeiten.

Pilotengewerkschaft begrüsst Öffnung

Weniger hart ins Gericht mit dem BAZL geht die Schweizer Pilotengewerkschaft Aeropers, welche die neue Informationspolitik als “ersten Schritt” zu mehr Transparenz begrüsst.

Man habe ein “gewisses Verständnis”, dass das BAZL mit seiner “schwarzen Liste” sehr vorsichtig umgehe, sagte Aeropers-Sprecher Christian Frauenfelder. Fernziel müsse jedoch sein, dass eine Liste mit sicheren und unsicheren Airlines auf europäischem Niveau und nach genau festgelegten Kriterien geführt werde.

Minimalforderung erfüllt

Walter Kunz vom Schweizerischen Reisebüro-Verband erklärte, die Minimalforderung der Branche sei nun erfüllt. Man wolle jedoch im Detail über die Liste informiert sein, damit die Kunden entsprechend beraten werden könnten.

Das BAZL hatte am Mittwoch eine Liste mit nur sieben Flugzeugen veröffentlicht, die in der Schweiz Landeverbot haben. Die gesamte “schwarze Liste” wird aus Datenschutzgründen vorerst nicht publiziert. Insgesamt 21 Flugzeuge mit Lande- oder Überflugverbot befinden sich darauf – das ist seit dem Unfall von Scharm el Scheich vom 3.Januar bekannt.

Beim Absturz einer Maschine der Flash Airlines waren 148 Menschen ums Leben gekommen. Die Maschine war auf der bis dahin geheimen “schwarzen Liste” vermerkt und hatte ein Lande- und Überflug-Verbot für die Schweiz.

swissinfo und Agenturen

Nach dem Unglück vor Scharm el Scheich war bekannt geworden, dass die Maschine der Flash Airlines auf einer geheimen “schwarzen Liste” der Schweizer Flugaufsichtsbehörde geführt worden war.

Nach und nach kam das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) von allen Seiten unter Druck.

Nachdem Grossbritannien am 8. Januar seine “schwarze Liste” veröffentlichte, sah sich das BAZL gezwungen, letzte Woche ebenfalls an die Öffentlichkeit zu treten.

Veröffentlicht wurde jedoch nur eine Liste mit sieben Flugzeugen, die in der Schweiz Landeverbot haben. Es wurden nur die Namen der Flugzeuge genannt, die in den schweizerischen Medien bereits erwähnt wurden. Die andern 14 Namen bleiben vorerst geheim.

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