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Hintergründe zum Frauenhandel

Der weltweite Handel mit Frauen und Mädchen ist ein komplexes Phänomen und hat viel mit Armut zu tun.

Fakten, Hintergründe und Geschichte zum Frauenhandel hat das Zürcher Fraueninformationszentrums (FIZ) in einer Broschüre zusammengetragen.

“Betrogen und verkauft” heisst die jüngste Publikation des Zürcher Fraueninformationszentrums (FIZ) zum Thema Frauenhandel. Sie geht auf die konkrete Situation in der Schweiz ein, auf die Geschichte des Frauenhandels und auf die Rechtslage.

Das komplexe Thema ist in sieben Kapiteln auf gut 50 Seiten zusammengefasst und bietet damit einen komprimierten Überblick. In ihrem Vorwort formuliert die Schriftstellerin Ruth Schweikert persönliche Gedanken mit “verkaufen” und “verkauft werden”. Sie stellt sie dem existenziellen Ausgeliefert-Sein der Opfer von Frauenhandel gegenüber.

In einem persönlichen Bericht schildert eine Helène aus Westafrika ihre Erfahrungen aus der Sicht des Opfers. Die Geschichte ist eine von vielen, die das FIZ im Laufe seines mittlerweile 18-jähigen Bestehens kennengelernt hat.

Kaum Statistiken

Das Geschäft mit Frauen und Mädchen ist statistisch kaum erfasst; es spielt sich “in der gesellschaftlichen Hinterstube” ab, wie es die Journalistin und Erwachsenenbildnerin Lisbeth Herger in ihrem Beitrag formuliert.

Von den schätzungsweise 11’500 in der Schweiz tätigen Prostituierten leben laut Herger rund die Hälfte illegal in der Schweiz. Sie werden nur dann amtlich wahrgenommen, wenn sie festgenommen werden.

Damit finden sich am ehesten Zahlen für den Sexmarkt. Aber erstens werden nicht alle Prostituierten zu ihrer Arbeit gezwungen und zweitens umfasst Frauenhandel noch weitere Bereiche, etwa erzwungene Heiraten oder Hausarbeit. Gemeinsam ist ihnen, dass die Frauen mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt und hier in existenzieller Abhängigkeit gehalten werden.

Schon in der Antike

Neu ist das Phänomen Frauenhandel nicht. Schon in der Antike wurden Frauen und Mädchen als Handelsware verschoben. Zum “Aufschwung” in Europa kam es parallel zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert.

Massenweise wanderten Männer vom Land in die Städte – die Nachfrage nach Prostituierten wuchs. Es entstanden eigentliche Agenturen, die junge Frauen über die Grenzen in Bordelle einschleusten.

Darüber empörten sich bürgerliche Frauengruppen und Frauenrechtlerinnen und wurden aktiv. Damals entstanden Angebote, die wir noch heute kennen – etwa die Bahnhofshilfe, die Mädchen aus ländlichen Gegenden davor bewahren wollte, in der Stadt unversehens an einen Händler zu geraten.

Sie halfen ihnen auch bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft: Es entstanden konfessionell ausgerichtete Wohnheime speziell für junge Frauen. Diese Martha-Häuser oder die Marienheime existieren noch heute.

Oft Einzeltäter

Die Ethnologin und FIZ-Mitarbeiterin Doro Winkler schildert die fatalen Mechanismen von Hoffnung, Abhängigkeit und Ausbeutung beim Frauenhandel. Dieser werde zwar häufig aber bei weitem nicht immer von grossen kriminellen Organisationen betrieben.

Nach den Erfahrungen der Anlaufstelle stünden oft kleine Gruppen oder auch Einzelpersonen dahinter: “Immer wieder sind Schweizer Männer als Frauenhändler in der Schweiz oder im Herkunftsland der Frauen ohne Mithilfe anderer Personen aktiv.”

Neue Koordinationsstelle

Auch auf rechtliche Aspekte und die politische Entwicklung geht die Broschüre ein. International und in der Schweiz ist in den letzten Jahren einiges in Bewegung geraten. In der Schweiz sind beispielsweise Revisionen im Ausländer und Opferhilferecht hängig.

Schon seit 1949 gibt es ein Abkommen der Vereinten Nationen, das direkt auf die Bekämpfung des Frauenhandels abzielt. Das neueste internationale Rechtsinstrument ist das Uno-Zusatzprotokoll gegen Menschenhandel aus dem Jahr 2000. In diesem Zusammenhang wurde Anfang 2003 im Bundesamt für Polizei eine Koordinationsstelle zu Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM) geschaffen.

swissinfo und Agenturen

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