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IKRK will Arbeit in Kolumbien fortsetzen

Am 2. Juli wurden Ingrid Betancourt und 14 weitere Geiseln durch das kolumbianische Militär von den Farc-Rebellen befreit. Reuters

Nach mehreren Dementis hat der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe am Mittwoch die Gerüchte um den Missbrauch des Rotkreuz-Emblems bestätigt. Für die Hilfsorganisation kein Grund für einen Rückzug.

Der kolumbianische Präsident hat am Mittwoch zugegeben, dass bei der Befreiungsaktion der ehemaligen kolumbianischen Präsidenschafts-Kanditatin Ingrid Betancourt und 14 weiteren Geiseln aus der Gewalt von Farc-Rebellen das Emblem des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) missbraucht wurde.

Ein Mitglied der Streitkräfte, welche die Geiseln befreit hatten, habe wegen der “grossen Nervosität” unerlaubterweise ein solches Symbol benutzt, sagte Uribe.

“Er (der Soldat) fürchtete um sein Leben und zog deshalb eine Armbinde mit dem Rotkreuz-Symbol aus seiner Tasche”, sagte der Staatschef weiter. Dabei habe es sich aber nicht um einen bewussten Täuschungsversuch gehandelt.

“Wir bedauern, dass das geschehen ist”, sagte Uribe. Er habe sich bereits beim IKRK entschuldigt.

Der US-Fernsehsender CNN hatte zuvor berichtet, ihm sei “von militärischer Seite” ein Video und Fotos dazu angeboten worden. Darauf seien auf den Uniformen von Soldaten Embleme des IKRK zu sehen.

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IKRK

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine unparteiische, neutrale und unabhängige Organisation mit Sitz in Genf. Der Schweizer Henri Dunant hat das IKRK 1863 gegründet. Das Komitee hat ein permanentes Mandat, sich unter internationalem Recht um die Gefangenen, Verwundeten, Kranken und Zivilisten zu kümmern, die von einem Konflikt betroffen sind. Aus dem IKRK…

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Schwerer Verstoss

Der Missbrauch von Emblemen des IKRK gilt als schwerer Verstoss gegen die Genfer Konventionen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich dazu, das Emblem des Roten Kreuzes zu schützen und Verstössen nachzugehen.

Das IKRK selbst hat als humanitäre Organisation keine Möglichkeit, einen Staat oder eine Organisation zu sanktionieren.

Obwohl das Militär und somit die Regierung in den Fall involviert ist, glaube er nicht, dass man von einer neuen Dimension des Missbrauchs sprechen könne, sagt IKRK-Sprecher Florian Westphal gegenüber swissinfo. Er könne auch nicht bestätigen, dass das Emblem in letzter Zeit häufiger missbraucht worden sei.

Keine Seltenheit in Kolumbien

Die Missachtung internationaler Symbole ist keine Seltenheit in Kolumbien. So haben Kämpfer der marxistischen Rebellengruppe Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) wiederholt auch Ambulanzen beschossen, die mit dem Rotkreuz-Symbol gekennzeichnet waren. Sie argumentierten, die Fahrzeuge seien zum Transport von Soldaten missbraucht worden.

Die Arbeit des IKRK soll jedoch auch nach dem jüngsten Vorfall nicht “in Mitleidenschaft gezogen werden”. Das IKRK denkt nicht an einen Rückzug: “In Anbetracht der enormen humanitären Bedürfnisse in Kolumbien ist es äusserst wichtig, dass wir unsere Arbeit dort fortführen”, so Westphal.

Imageschaden untersuchen

Kann das IKRK unter diesen Umständen, seine Helfer noch schützen? “Wir werden die Sicherheitslage tagtäglich prüfen”, sagt Westphal.

Weiter wolle man durch das ausgiebige Netzwerk von Kontakten in Kolumbien herausfinden, inwieweit dieser Vorfall Einfluss auf das Image des IKRK und das Vertrauen in diese Organisation habe.

“Wir sind in Kolumbien gut bekannt und haben ein positives Image. Insofern bin ich hoffnungsvoll, dass das Vertrauen in das IKRK nicht wesentlich erschüttert worden ist”, gibt sich Westphal zuversichtlich.

Das IKRK werde sich mit allen Parteien darum kümmern, dass die Wichtigkeit des Respekts für das Rotkreuz-Emblem anerkannt werde.

Was Geiselbefreiungen in Kolumbien anbelangt, so sei das IKRK auch in Zukunft “willens, eine Rolle als humanitärer Vermittler einzunehmen”.

swissinfo, Corinne Buchser

Auf Bildern des amerikanischen Magazins “Newsweek” waren 1987 drei Offiziere der rechten Contra-Rebellen zu sehen, die aus einem Helikopter mit Rotem Kreuz stiegen. Dieser transportierte militärische Güter und elektronische Ausrüstungen zu den Contras in Nicaragua.

Auch im jugoslawischen Bürgerkrieg 1991/92 wurde das IKRK-Symbol mehrfach missbräuchlich verwendet. Der Angriff auf einen IKRK-Konvoi im Mai 1992 bei Sarajevo, bei dem ein Delegierter ums Leben kam, ist womöglich darauf zurückzuführen, dass die Konfliktparteien nicht mehr zwischen “echten” und “falschen” Rotkreuz-Fahrzeugen unterschieden haben. 1998 sollen serbische Truppen von Helikoptern mit Rotkreuz-Zeichen auf Flüchtlinge geschossen haben.

Missbräuche gab es in den Neunziger Jahren auch in den Bürgerkriegen und Unruhen im Kaukasus und in den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken. Milizen und Zivilisten missbrauchten hier das Emblem, um im Schutz des Roten Kreuzes in Ruhe ihrer Tätigkeit nachgehen zu können.

Auch im Bürgerkrieg im westafrikanischen Sierra Leone sollen Rebellen in einem Helikopter mit illegalem Rot-Kreuz-Emblem Waffen transportiert haben.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die Aufgabe, die Einhaltung der Genfer Konventionen weitweit zu überwachen.

Das IKRK, 1863 gegründet, ist das wohl älteste international tätige humanitäre Werk.

Seine weltweiten Aktivitäten beinhalten die Vermittlung zwischen Kriegsparteien, die Pflege von Verwundeten, den Besuch von Kriegsgefangenen und politischen Häftlingen, die Wiederherstellung des Kontakts zu Angehörigen, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und weitere Formen der Unterstützung von Konfliktopfern.

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