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In der Schweiz ist jeder 11. Mensch arm

Working Poor: Wenn trotz Arbeit das Geld nicht reicht. Keystone

Nicht alle profitieren vom Reichtum in der Schweiz: 9% der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter waren 2006 arm. Die Armenquote ist wieder auf das Niveau von 2002 gestiegen.

Wie eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) weiter ergibt, lag der Anteil der “Working Poor” bei 4,5%. Bei ihnen reicht das Arbeitseinkommen nicht aus, um die nötigsten Ausgaben zu decken.

Im Jahr 2006 waren in der Schweiz rund 380’000 Personen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren von Armut betroffen. Im Jahr 2000 lag dieser Wert bei 9,1%, also praktisch auf demselben Niveau.

Das BFS erklärt diese Stabilität teilweise mit der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. So hatte zwischen 2000 und 2002 die Armutsquote dank guter Konjunktur relativ stark abgenommen. Bis 2006 stieg sie aber wieder auf das alte Niveau, hatte doch die Arbeitslosigkeit von 1,7 auf 3,9% zugenommen.

Wann ist man arm?

Als arm gelten jene Personen im Alter von 20-59 Jahren, die in einem Haushalt leben, dessen monatliches Einkommen nach Abzug der Sozialversicherungs-Beiträge und der Steuern unter der Armutsgrenze liegt.

Die Armutsgrenze liegt bei 2200 Franken für Alleinstehende, 3800 für Alleinerziehende mit 2 Kindern unter 16, und 4650 für Paare mit 2 Kindern. Wer monatlich weniger Einkommen als 2100 (respektive 3700 oder 4450) Franken hat, muss gemäss Definition “harte finanzielle Entbehrungen” hinnehmen.

Andere Entwicklung bei den Working Poor

Auf die Working Poor-Quote hat die Entwicklung von Konjunktur und Arbeitslosigkeit einen geringeren Einfluss. Der Anteil der Personen, die in einem Haushalt leben, wo das Einkommen nicht für das Auskommen reicht, ging 2000 bis 2002 von 5 auf 3,9% zurück.

Seither schwankt die Quote zwischen 4 und 4,5%, 2006 lag sie bei 4,5%. Das BFS erklärt den Rückgang des Anteils der Working Poor gegenüber 2000 mit dem relativ geringen Anstieg der Krankenkassenprämien 2005.

Von den Armen gelten diejenigen als Working Poor, die mindestens eine Stunde pro Woche arbeiten und in einem Haushalt leben, der mindestens über ein volles Erwerbspensum verfügt (d.h. alle Haushaltsmitglieder arbeiten zusammen mindestens 36 Stunden pro Woche).

Arm ist nicht gleich arm

Im Durchschnitt liegt das Einkommen der armen Bevölkerung 21% unterhalb des Betrags, der als Armutsgrenze definiert ist. Das bedeutet, dass eine arme alleinstehende Person ein Einkommen hat, das im Schnitt 460 Franken tiefer als die Armutsgrenze liegt. Bei einem Paar mit 2 Kindern liegt das Einkommen im Schnitt 980 Franken tiefer.

Ein Fünftel der Armen (ungefähr 76’000 Personen) hat ein Einkommen, das knapp unterhalb der Armutsgrenze liegt. In vielen Fällen liegt das Haushaltseinkommen aber mehrere Hundert Franken unter der Armutsgrenze.

Die BFS-Zahlen 2000 bis 2006 stützen sich auf die Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung SAKE. Sie basieren auf der detaillierteren und genaueren Bestimmung der Armutsgrenze, die das BFS schon letztes Jahr verwendet hat.

swissinfo und Agenturen

Das soziale Existenzminimum beinhaltet die Wohnkosten (Miete), Grundbedarf für die wichtigsten Ausgaben (Nahrung, Getränke, Bekleidung, Gesundheitskosten, Energie, Produkte für die Reinigung, Fahrkosten, etc.) sowie die Kosten für die Krankenkassengrundprämie.

Die statistische Armutsgrenze (Miete + Krankenkassengrundprämie + Grundbedarf + 100 Fr. pro Haushaltsmitglied, das älter als 16 Jahre ist) beträgt 2200 Fr. für Alleinstehende, 3800 Fr. für Alleinerziehende mit 2 Kindern unter 16 und 4450 Fr. für Paare mit 2 Kindern (nationale Durchschnittswerte).

Die BFS-Untersuchung über die wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung stützt sich auf die Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung SAKE.

Die Erhebung von 2006 umfasste 48’313 befragte Personen der ständigen Wohnbevölkerung.

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