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Insider-Wissen – Tatbestand eng auslegen

Das Bundesgericht hat die Bankenkommission zurückgepfiffen: Bei der Auslegung des Insider-Tatbestandes ist man sich nicht einig.

Bereits vor zwei Wochen, bei der Präsentation des Jahresberichtes, hatte die Bankenkommission (EBK) schärfere Insider-Strafnormen gefordert (siehe Link). EBK-Präsident Kurt Hauri erklärte, es brauche eine Änderung der Insider-Bestimmungen im Börsengesetz, um die Interessen der Schweiz als Finanzzentrum zu schützen.

Damals bezog sich die EBK beispielsweise auf Vorab-Kenntnisse über Gewinnwarnungen – diese stellen für das oberste Gericht keinen Tatbestand im Sinn des Strafgesetzes dar.

Nun hat das Bundesgericht erneut einen Entscheid der Bankenkommission zur Auslegung von Insider-Tatbestand umgestossen: Eine Zusammenarbeits-Vereinbarung stellt keine vertrauliche Tatsache dar, deren Ausnützung als Insider-Delikt strafbar wäre, so das Bundesgericht.

Auslegungs-Rahmen gesprengt

Die EBK bewilligte im letzten Oktober eine Amtshilfe an die schwedische Finanzaufsicht. Diese wurde gleichzeitig ermächtigt, die ersuchten Informationen zur Verfolgung eines Insider-Delikts an die schwedischen Strafverfolgungs-Behörden weiterzugeben.

Die EBK war dabei zum Schluss gekommen, der Weiterleitung stehe nichts im Wege, weil die Ausnutzung von Informationen über eine Zusammenarbeit zweier Firmen auch nach Schweizer Recht als Insider-Delikt (Artikel 161 StGB) strafbar wäre. Damit hat sie laut Bundesgericht den Auslegungs-Rahmen von Artikel 161 StGB gesprengt.

Es hielt fest, dass als vertrauliche Tatsache im Sinne des Insider-Tatbestandes praxisgemäss nur Informationen zählen würden, die sich auf “Veränderungen der internen und externen Struktur” der Gesellschaft beziehen, wie etwa Unternehmens-Teilungen oder Mehrheits-Übernahmen.

Erneut grosszügige Auslegung

Die hier fragliche Vereinbarung über ein neues Vertriebskonzept erfülle diese Voraussetzung offensichtlich nicht. Es gehe aber nicht an, die bestehende Strafbarkeitslücke im schweizerischen Recht im Bereich der Amtshilfe durch eine – seitens der EBK erneut angeregte – grosszügige Gesetzesauslegung zu beheben. “Denn mit der Amtshilfe dürfen die Regeln über die Rechtshilfe in Strafsachen weder materiell noch hinsichtlich eines minimalen Rechtsschutzes in der Schweiz umgangen werden”, heisst es wörtlich im Urteil.

Die Amtshilfe wurde ersucht im Zusammenhang mit Käufen von Aktien der schwedischen Firmen Intelligent Micro Systems Data AB (IMS) und Information Highway AB (IH) die eine Liechtensteiner Firma 1999 über die GBZ-Bank getätigt hatte.

Der Erwerb der Titel erfolgte im Vorfeld der Ankündigung der Zusammenarbeit zwischen der IMS und einer amerikanischen Firma sowie der Übernahme einer Tochtergesellschaft der IH durch ein norwegisches Unternehmen.

Gegen die Amtshilfe erhob die Liechtensteiner Firma Beschwerde, die nun vom Bundesgericht nur in Bezug auf die Weiterleitung der Informationen an die Strafbehörden im Fall der IMS gutgeheissen worden ist.

Urteil 2A.567/2001 vom 15. April 2002

swissinfo und Agenturen

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