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Kampagne gegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

Postkartenaktion zum Thema Steuerhinterziehung. EvB

Die Schweiz soll keine Beihilfe zur Steuerhinterziehung mehr leisten. Dies fordern die Erklärung von Bern (EvB) und die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke.

Sie wollen vom Bundesrat entsprechende Massnahmen und lancieren eine Kampagne.

Der Finanzplatz Schweiz trägt nach Ansicht der beiden entwicklungspolitischen Organisationen zur Kapitalknappheit in Entwicklungsländern bei. Die Dritte Welt verliere durch Gelder, die unversteuert auf Schweizer Konten liegen, jährlich mindestens 5 Mrd. Dollar, schreiben sie.

Die Schweiz ist weltweit führend in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung. Darin sind sich Finanzfachleute noch einig. Doch bereits bei der Frage, um wie viel Geld es geht, beginnen die Mutmassungen.

Der Weltmarktanteil der Schweiz beträgt gemäss der Beratungsfirma Gemini Consulting 27%. Damit verwaltet der Finanzplatz Schweiz nach Angaben der Schweizer Börse SWX rund 2000 Mrd. Franken ausländischer Vermögen.

Bankenkreise begründen die starke Stellung der Schweiz gerne mit der Qualität der Dienstleistungen. Kritiker vermuten hingegen als Hauptgrund den besonderen Schutz, den die Schweiz ausländischen Steuerhinterziehern gewährt.

Denn bei einfacher Steuerhinterziehung leistet die Schweiz keine Amtshilfe an ausländische Steuerbehörden. Damit entgehen den Herkunftsländern jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.

EU interveniert

Auch hier kann die Summe nur geschätzt werden. Die Montebourg-Delegation des französischen Parlaments nimmt an, dass 90% der ausländischen Vermögen in der Schweiz am Fiskus vorbeigeschleust werden.

Die Deutsche Bank geht von 70% aus. Um die Steuerflucht in die Schweiz zumindest teilweise aufzufangen, hat die EU der Schweiz in langwierigen Verhandlungen die Einführung eines schrittweise steigenden Zinssteuer-Rückbehalts abgerungen.

Doch auch die reichen Eliten aus Entwicklungsländern deponieren ihre Vermögen gerne in der Schweiz. Alleine an Treuhand-Geldern waren im Jahr 2002 aus Brasilien 5,1 Mrd. Franken bei Schweizer Banken angelegt.

Aus dem Libanon stammten 4,1 Mrd., aus Liberia 2,3 Milliarden. Entwicklungspolitische Organisationen gehen davon aus, dass ein Grossteil der Gelder ebenfalls der Besteuerung entzogen wird.

Nicht gegen Bankgeheimnis

Nach groben Schätzungen des britischen Hilfswerks Oxfam verlieren die Entwicklungsländer weltweit jährlich 15 Mrd. Dollar alleine an entgangenen Steuern auf Vermögenserträge.

Dies bedeutet, dass die Schweiz für Einbussen in Höhe von 5 Mrd. Dollar verantwortlich sein könnte – fünfmal mehr als sie an Entwicklungshilfe leistet. Das Finanzdepartement verfügt nach eigenen Angaben über keine Schätzungen.

Gegen die “Beihilfe der Schweiz zur Steuerhinterziehung” haben die Erklärung von Bern und die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke eine Kampagne lanciert.

“Die westlichen Länder – darunter die Schweiz – verlangen von den Entwicklungländern, mehr Steuereinnahmen zu generieren, damit sie ihre Entwicklung selbst finanzieren können. Gleichzeitig fördern sie ein System, das dieses Ziel unterwandert”, sagt der Geschäftsleiter der Arbeitsgemeinschaft, Peter Niggli.

Die beiden Organisationen fordern den Bundesrat auf, dass die Schweiz die weltweit einmalige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung abschafft.

Mit einer “Wegleitung zur Steuerhinterziehung” zeigen sie, wie die Schweiz diese Steuerhinterzieher schützt, warum das Bankgeheimnis nur ein Vorwand sei und wer unter den Folgen dieser Steuerhinterziehung leide.

Postkarte an Bundesrat

Begleitet wird die Wegleitung von einer Karte an den Bundesrat, die eine Postkarte der Expo 02 persifliert. Gemäss Mitteilung der beiden Organisationen verträgt sich demnach eine “weltoffene, zukunftsfähige” Schweiz, wie sie die Expo präsentierte, nicht mit einem Finanzplatz, der Steuerhinterziehung fördere.

Nicht im Visier haben sie das Bankgeheimnis. Die Auskunftspflicht der Banken gegenüber ausländischen Steuerbehörden könnte geregelt werden, ohne dass das Bankgeheimnis abgeschafft werden muss – genau wie dies bei Schweizer Bürgern der Fall sei.

Kommission an der Arbeit

Vor einigen Tagen gab das Finanzdepartement bekannt, eine Kommission unter Vorsitz des Schwyzer alt Regierungsrats Franz Marty werde bis Ende Juni Vorschläge zu einer Revision des Steuerstrafrechts ausarbeiten.

Die Frage der internationalen Amtshilfe bei Steuerhinterziehung werde thematisiert, sei allerdings nur einer von vielen Punkten, präzisierte Marty auf Anfrage. Die Richtung der Reformvorschläge werde erst nach einer Analyse feststehen.

Niggli fordert die Kommission auf, nicht über die Problematik hinwegzusehen. Angesichts des breit gefassten Mandats sei ein Lösungsvorschlag nicht ausgeschlossen, hofft er.

swissinfo und Boris Bögli, InfoSud

Weltmarktanteil der Schweiz in der Vermögensverwaltung: 27% (2000 Mrd. Fr.).

70 bis 90% der ausländischen Vermögen in der Schweiz gehen am Fiskus vorbei.

2002: 5,1 Mrd. Fr. Treuhandgelder aus Brasilien auf Schweizer Banken, 4,1 Mrd. aus dem Libanon, 2,3 Mrd. aus Liberia.

Jährlich entgehen den Entwicklungsländern durch unversteuerte Gelder auf Schweizer Bankkonten fünfmal mehr Einnahmen, als sie von der Schweiz als Entwicklungshilfe erhalten. Das schreiben die Erklärung von Bern (EvB) und die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke.

Die englische Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, dass Entwicklungsländer allein durch entgangene Steuern auf Vermögens-Erträgen auf jährlich 15 Mrd. Dollar jährlich verzichten müssten.

Mit einer “Wegleitung zur Steuerhinterziehung” zeigen die entwicklungspolitischen Organisationen, wie die Schweiz diese Steuerhinterzieher schützt, warum das Bankgeheimnis nur ein Vorwand sei und wer unter den Folgen dieser Steuerhinterziehung leide.

Weiter fordern EvB und die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, dass die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug abgeschafft wird.

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