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Kein Einbruch bei den Lehrstellen

Ein Lehrling im Zeitzentrum, der einzigen Uhrmacherschule der Deutschschweiz. Keystone

Trotz der schwierigen Wirtschaftslage sind in der Schweiz noch rund 5000 Lehrstellen als offen gemeldet.

Bundesrat Joseph Deiss beurteilt die Situation auf dem Lehrstellenmarkt positiv. Doch die Initianten der verworfenen Lehrstelleninitiative sprechen von einer “tickenden Zeitbombe”.

“Wer will, der findet nach wie vor einen Aus- oder Weiterbildungsplatz”, sagte Volkswirtschaft-Minister Joseph Deiss an einer Medienorientierung des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie. Gesamtschweizerisch seien noch rund 5000 Lehrstellen als offen gemeldet.

Die Zahl der Lehrvertragsabschlüsse sei im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben, sagte Deiss weiter. Neue Lehrstellen wurden vor allem im Gesundheitswesen und im gewerblichen Bereich geschaffen.

Die derzeit kursierende Zahl von 5000 Jugendlichen ohne Lehrstelle wurde weder bestätigt noch dementiert. Die statistischen Grundlagen fehlten, sagte die Stellvertretende BBT-Direktorin Ursula Renold.

Aufgrund von Erfahrungswerten schätzt Renold die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die noch auf Lehrstellensuche sind, auf 3 bis 5 Prozent, was einer Zahl von rund 4200 entspräche. Dazu müssten jene gezählt werden, die jetzt aus einer Warteschlaufe (Praktikum, 10. Schuljahr usw.) auf den Lehrstellenmarkt drängten.

Taten statt Versprechungen

Bundesrat Deiss hat nach der Ablehnung der Lehrlingsinitiative, die unter anderem vom Staat eine Lehrstellengarantie verlangte, den jungen Menschen seine Unterstützung bei der Suche nach Lehrstellen zugesichert.

Doch die Initianten der im Mai verworfenen Lehrstellen-Initiative forderten “mehr Taten statt leerer Versprechungen”. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit sei eine tickende Zeitbombe, heisst es in einem Communiqué. Für den Herbst wird die Gründung einer Organisation angekündigt, die Staat und Wirtschaft in Sachen Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellen auf die Finger schauen soll.

Strukturwandel auch bei der Berufsbildung

Die Veränderungen rund die Lehrstellen- und Arbeitsmarktsituation ist auch dem Volkswirtschaftsminister nicht entgangen. “Der tiefgreifende Strukturwandel in Wirtschaft, Technologie und Demografie schlägt in hohem Mass auch auf die Berufsbildung durch”, sagte Deiss.

Informatik-Berufe, die bis jetzt als zukunftsträchtig galten, haben an Wachstumspotenzial eingebüsst. Einbrüche verzeichnet auch der kaufmännische Sektor. Betroffen davon ist der Lehrstellenmarkt im Mittelland, besonders in Zürich, Bern, Basel, Aargau, Solothurn und Luzern.

Für Deiss macht es wenig Sinn, Strukturerhaltung zu betreiben und in beliebten Berufen mehr Lehrlinge auszubilden als der Arbeitsmarkt aufnehmen kann. Andererseits müsse die Wirtschaft auch weiterhin auf die Lehrlingsausbildung setzen, damit Jugendliche ihren Berufsweg aufbauen könnten.

Mit der Task Force Lehrstellen 2003 will der Bund seine Lehrstellenpolitik optimieren. Er betreibt Lehrstellenförderung und fördert Lehrbetriebsverbünde. Die gezielte Vermittlung von Jugendlichen an Unternehmen durch Fachpersonen ist ein weiterer Schwerpunkt. Zudem will der Bund mit der Verfeinerung der Lehrstellenstatistik zusammen mit den Kantonen ein Instrument zur Qualitätssicherung schaffen.

Verbessertes Berufswahlprozedere

Das neue Berufsbildungsgesetz nimmt bei der Förderung der Berufswahl eine zentrale Rolle ein. Mit gezielter Vermittlung und Mentoring soll das Berufswahlprozedere verbessert werden.

Die Task Force führt ihre Arbeit weiter bis mit dem Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes am 1. Januar 2004 die eidgenössische Berufsbildungskommission eingesetzt wird. Diese übernimmt dann die Beobachtung des Lehrstellenmarktes.

Die Lehrstellenvergabe ist noch nicht ganz abgeschlossen. In der Deutschschweiz dauert sie grösstenteils noch bis Ende August, in der Romandie bis Mitte Oktober.

swissinfo und Agenturen

Der grösste Teil der Lehren ist durch das Bundesgesetz für die Berufsbildung (BBG) geregelt und vom BBT (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) reglementiert.

Die Lehren führen zu eidgenössisch anerkannten Abschlüssen, den “Eidg. Fähigkeitszeugnissen”.

Insgesamt werden rund 87% aller Fähigkeitszeugnisse nach einer BBG-reglementierten Lehre erworben (Männer: 94%, Frauen: 80%).

Die wichtigsten Branchen:
Büro und Verwaltung (22%)
die Metall- und Maschinenindustrie (18%)
Verkauf 10%, Gastgewerbe/Hauswirtschaft 6%).

Bei den Männern werden heute rund 36% der Fähigkeitszeugnisse in der Metall- und Maschinenindustrie und 14% in Büro und Verwaltung erworben, bei den Frauen 31% in Büro und Verwaltung, 20% in der Heilbehandlung und 17% im Verkauf.

1970 waren betrug der Frauenanteil noch 30%, heute sind es bei den Abschlüssen rund 47%.

Rund 16% der BBG-Lehren dauern 1-2 Jahre, etwas über die Hälfte 3 Jahre und 28% 4 Jahre.

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