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Keine Sommerpause im Kampf um Couchepin-Nachfolge

Keystone

Die Sommerferien sind bald zu Ende, doch das Karussell um den frei werdenden Bundesratssitz hat sich munter weiter gedreht. Der Berner Politologe Daniel Schwarz nennt die Kriterien, die am 16. September entscheidend sein könnten.

Im Hinblick auf die Wahl vom 16. September preschen einige vor, während andere sich noch bedeckt halten. Und gerade deshalb Thema in den Medien herum geistern.

Echte, mutmassliche oder vermeintliche Kandidaten sorgten auf jeden Fall dafür, dass die Sauregurken-Saison diesen Sommer medial nicht so dürr ausfiel wie andere Jahre. Die Frage, wer in gut einem Monat unter der Bundeshauskuppel zum Nachfolger des abtretenden Innenministers Pascal Couchepin gewählt wird, ist das Thema des Sommers.

Eine Auslegeordnung wahlbestimmender Faktoren mit dem Berner Politikwissenschafter Daniel Schwarz.

swissinfo.ch: Weshalb sorgt die Ersatzwahl für ein Regierungsmitglied für derart grossen Wirbel?

Daniel Schwarz: Das ist eine Folge des politischen Systems der Schweiz. Die Regierung besteht aus sieben Mitgliedern, die alle gleich viel Macht haben. Man könnte sagen, dass der Austausch eines Bundesrats dem Ersatz vom siebten Teil eines Ministerpräsidents gleichkommt.

Ein Bundesrat verfügt über einige Macht: Er ist im Schnitt acht bis zwölf Jahre im Amt, aus dem ihn das Parlament kaum drängen kann. Er verfügt über eine grosse Autonomie, weil er in der Organisation seines Departements ziemlich freie Hand hat. Einzig die sechs Regierungskollegen könnten intervenieren, falls strategische Interessen tangiert sind.

swissinfo.ch: Gibt es goldene Regeln, an die sich ein Bundesrats-Kandidat mit Vorteil hält?

D.S. : Man sagt oft, dass es ein Fehler sei, die Kampagne zu eröffnen. Ich bezweifle das aber. 1998 war Pascal Couchepin sofort in den Startlöchern zur Nachfolge von Jean-Pascal Delamuraz. Diese Kampagne war von Anfang an unbestritten.

Entscheidend ist vielmehr, wie viele Parlamentarier ein Kandidat oder eine Kandidatin zu überzeugen vermag. Schliesslich ist es die vereinigte Bundesversammlung, welche die Regierungsmitglieder wählt. Weil keine Partei über die absolute Mehrheit verfügt, ist es unabdingbar, dass ein Kandidat Stimmen über die eigene Partei hinaus macht.

swissinfo.ch: Weitere Faktoren, die zählen?

D.S.: Das Alter spielt eine Rolle. Einige wollen auch endlich eine Frauenmehrheit im Bundesrat. Zudem ist die Sprache ein Thema. Dabei ist es eigentlich klar, dass Couchepin nicht durch eine Person aus der Deutschschweiz ersetzt wird.

Was am 16. September eher entscheidend sein könnte, sind die politischen Werte, für die ein Kandidat eintritt, also ob er eher eine konservative oder eher eine liberale Linie verfolgt.

swissinfo.ch: Welches Gewicht haben die Medien?

D.S.: Sie tendieren dazu, die Wahlen so darzustellen, als würden die Stimmbürger entscheiden. Es sind aber die National- und Ständeräte, welche die Regierung wählen.

Für einen Kandidaten, der eher in seiner Region denn im Bundeshaus verankert ist, kann die erhöhte Medienpräsenz ein Plus darstellen. Ausser natürlich, wenn diese Person in einen Skandal hineingezogen wird.

Es scheint dagegen kaum möglich, dass ein Kandidat die Medien benützen kann, um neue Ideen zu präsentieren, die nicht mit seiner bisherigen Haltung übereinstimmen. Die Kollegen im Parlament durchschauen dies sofort, und die Glaubwürdigkeit des Kandidaten würde leiden.

swissinfo.ch: Aus den Reihen der Freisinnig-Liberalen (FDP) drängen sich mehrere Kandidaten in den Vordergrund. Macht dies Sinn?

D.S.: Die FDP scheint von der Christlichdemokraten Volkspartei (CVP) überrascht worden zu sein, als diese erklärten, sie wollen den 2003 verlorenen Sitz zurückerobern. Von diesem Schock aber hat sich die FDP offenbar mittlerweile erholt.

swissinfo.ch: Wie lautet Ihre Prognose für den 16. September?

D.S.: Ich denke, dass die CVP grosse Mühe haben wird, genügend Stimmen zu machen, dass sie den verlorenen Sitz wieder holen kann.

Wenn die FDP ein Zweierticket präsentiert, gehe ich davon aus, dass der moderatere Vertreter das Rennen machen wird. Es würde mich nicht überraschen, wenn dies ein Kandidat wäre, der über starken Rückhalt in der Westschweiz verfügt.

Urs Geiser, swissinfo.ch
(Übersetzung: Renat Künzi)

Bei der FDP Die Liberalen sind bisher vier Kandidaten ins Rennen um die Couchepin-Nachfolge gestiegen.

Es sind dies Martine Brunschwig-Graf und Christian Lüscher aus Genf sowie Didier Burkhalter aus Neuenburg. Sie alle gehören dem Nationalrat an. Der vierte im Bunde, Pascal Broulis, ist Finanzdirektor des Kantons Waadt.

Die Kantonalparteien können bis am 10. August Kandidaturen anmelden. Danach entscheiden die FDP-Delegierten über die definitive Kandidatur.

Parteipräsident Fulvio Pelli hüllt sich noch in Schweigen, was seine eigenen Ambitionen betrifft.

Auf Seiten der herausfordernden CVP hat bisher der Freiburger Dominique de Buman seine Kandidatur angemeldet, dies entgegen der Strategie der Parteileitung.

Die CVP favorisiert den Freiburger Urs Schwaller.

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