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Kosovo: Calmy-Rey verteidigt ihre Position

Die Aussenministerin vor ihrem ersten Besuch in Kosovo. Keystone

Vor ihrem Besuch in Kosovo hat die Schweizer Aussenministerin ihr Ziel verteidigt, die Provinz in eine Form der Unabhängigkeit zu überführen.

Eine Entscheidung über den künftigen Status könne aber nur mit der Unterstützung Belgrads erzielt werden, sagte Calmy-Rey in einem Interview mit swissinfo.

Der Besuch von Micheline Calmy-Rey in Kosovo am Samstag geschieht in einer sensiblen Phase der Schweizer Beziehungen zu Serbien und Montenegro.

Letzten Monat äusserte sich der Serbische Präsident, Boris Tadic, gegenüber der Schweizer Aussenministerin mit unmissverständlichen Worten: Er sei für eine Diskussion über die Unabhängigkeit Kosovos von Serbien nicht bereit.

Belgrad hat die Schweiz auch wiederholt dazu aufgerufen, neutral zu bleiben und bei den Diskussionen über die Zukunft der Provinz Kosovo keine Stellung zu beziehen.

Kosovo ist offiziell Teil von Serbien und Montenegro, das seit 2003 den Bundesstaat Jugoslawien ersetzt. Die Provinz Kosovo befindet sich seit einem 78-Tage-Luftkrieg der NATO 1999, der sich gegen die serbischen Übergriffe auf die Volksgruppe der Albaner richtete, unter der Verwaltung der Vereinten Nationen und der NATO.

Calmy-Rey wird, vor ihrer Rückkehr in die Schweiz am 2. August, den Nationalfeiertag mit der Swisscoy, der in Kosovo stationierten Schweizer Friedens-Truppe begehen. Schweizer Soldaten befinden sich seit 1999 als Teil der internationalen Friedenstruppen in Kosovo.

swissinfo: Was möchten Sie bei Ihrem Kosovo-Besuch erreichen?

Micheline Calmy-Rey: Der Zweck meines Besuches ist, den kosovarischen Behörden die Schweizer Sichtweise zur Zukunft des Kosovos zu erklären. Ich werde auch die Wichtigkeit des Schweizerischen Engagements in Kosovo für Stabilität und Frieden unterstreichen, inklusive der finanziellen und technischen Hilfe.

Kosovo ist eine sehr wichtige Region für unser Land. 10% der kosovarischen Bevölkerung wohnen in der Schweiz. So sind die Interessen Kosovos auch unsere, besonders, was die Sicherheit anbetrifft.

swissinfo: Serbien hat klar ausgedrückt, dass es mit dem Schweizerischen Vorschlag, Kosovo in eine Form der Unabhängigkeit zu entlassen, nicht einverstanden ist. Wie wollen Sie Erfolg haben ohne die Unterstützung von Serbien Montenegro?

M. C-R.: Wir kommunizieren unsere Position weiterhin an beide Seiten. Und unsere Position ist scharf umrissen, unmissverständlich und unparteiisch. Nach unserer Idee soll die Entwicklung in Richtung einer Form der Unabhängigkeit gehen, unter scharfer internationaler Überwachung aber auch durch Verhandlungen mit den Behörden in Belgrad, gegen die eine Unabhängigkeit nicht durchsetzbar ist.

Andererseits bleibt unsere Position bei der Beachtung der Grundrechte in Kosovo unverändert. Wir bieten nicht Hand zu einem Kompromiss, wenn die Grundrechte beschnitten werden. Insbesondere, wenn es sich um Minderheiten und Sicherheits-Angelegenheiten handelt. Eine bedeutende internationale Präsenz in Kosovo wird so lange nötig sein, bis die entsprechenden Grundrechte umgesetzt sind. Die Schweiz erfüllt dabei ihre Verpflichtungen Seite an Seite mit den anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft.

swissinfo: Der Serbische Präsident Tadic hat gesagt, er würde nie ein unabhängiges Kosovo akzeptieren. Er werde alles in seiner Macht stehende tun, eine Abspaltung zu verhindern. Wie wollen Sie ihn überzeugen?

M. C-R.: Wir wollen keine bestimmte Lösung durchdrücken. Wir versuchen nur beide Seiten davon zu überzeugen, dass es Zeit ist, auf höchstem politischen Niveau einen politischen Dialog zur Statusfrage zu beginnen.

swissinfo: Einige Parlamentarier in Bern haben Ihre Position in der Kosovo-Frage kritisiert. Sie sind Ansicht, sie sei eine starke aussenpolitische Verschiebung, die erst vom Parlament hätte besprochen werden müssen. Was meinen Sie dazu?

M. C-R.: Ich kann nur sagen, dass sich unsere Position in Übereinstimmung mit unserer generellen Balkan-Politik befindet. Weiter ist sie im Mai vom Bundesrat, der Regierung, bestätigt worden.

swissinfo: Wenn Sie eine klare Linie was den künftigen Status des Kosovo anbetrifft vertreten, gefährden sie dann nicht die schweizerische Rolle als neutrale Vermittlerin?

M. C-R: In Übereinstimmung mit unserer Neutralitätspolitik haben wir immer klare, unmissverständliche Positionen bezogen, welche auf den Einbezug der Interessen aller Beteiligter basieren.

Wir haben klar ausgedrückt, dass es wichtig ist, beiden gleich legitimierten Bedürfnisen Achtung zu schenken. Da ist erstens das Recht der Minoritäten für ein Leben in Sicherheit, die selben Chancen für wirtschaftliche Entwicklung, den selben Zugang zu den Sozialeinrichtungen und zur Ausbildung. Weiter muss ein Rückkehr-Recht gewährleistet sein. Und zweitens muss der Wille der Mehrheit der Bevölkerung, nämlich über sich selbst bestimmen zu können, gewährleistet sein.

swissinfo-Interwiew: Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Die Schweiz ist eines der wichtigsten Emigrations-Länder für Kosovo-Albaner.

Viele von ihnen kamen als Saisonniers in die Schweiz bevor der Krieg in der Provinz ausbrach.

Nach dem Ausbruch des Konflikts suchten viele Zuflucht in der Schweiz und fanden sie oftmals bei bereits im Land lebenden Verwandten.

Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen, aber man schätzt, dass zur Zeit rund 150’000 Menschen aus Kosovo in der Schweiz wohnen.

Micheline Calmy-Rey beginnt am Samstag ihre viertägige Reise nach Kosovo, eine durch die UNO administrierte Provinz von Serbien und Montenegro.

Sie wird Präsident Ibrahim Rugova treffen und Premierminister Bajram Kosumi.

Calmy-Rey wird auch mit Exponenten von Nichtregierungs-Organisationen und Oppositions-Parteien sprechen.

Während ihrer Reise wird sie auch eine von der Schweiz gestiftete Psychiatrische Abteilung im Universitätsspital in Pristina einweihen.

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