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Kritik an der Kritik

Richter Edward Korman beim Bankenvergleich im August 2000. Keystone Archive

Die neusten Vorwürfe des US-Richters Edward Korman an die Adresse der Schweizer Banken stossen auf Widerstand.

Richter Korman, der den 1,25 Mrd. Dollar-Vergleich zwischen den Schweizer Grossbanken und den jüdischen Sammelklägern abgesegnet hatte, hatte in den vergangenen Tagen massive Vorwürfe gegen die Schweiz, die Banken und Europa erhoben.

Laut einem Bericht in der “NZZ vom Sonntag” hatte Korman auf einen Artikel in der Schweizer “Weltwoche” reagiert, wonach Juristen reihenweise das für die Verteilung der Gelder aus dem Bankenvergleich zuständige Schiedsgericht in Zürich – das Claims Resolution Tribunal (CRT) – verliessen, weil sie mit dessen Politik nicht einverstanden sind.

Happige Anwürfe

Die Schweizer Banken hätten “gestohlen” und sich geweigert, alle nachrichtenlosen Konten auf dem Internet zu veröffentlichen sowie sämtliche Dokumente herauszugeben, wird Korman von der Zeitung in einem Telefongespräch mit dem Schiedsgericht zitiert.

Ähnliche Vorwürfe finden sich auf der Homepage des Schiedsgerichts. In einer Medienmitteilung zur Reorganisationen des Claims Tribunals heisst es, die Änderungen seien teilweise durch den Schlussbericht der Bergier-Kommission ausgelöst worden.

Der Bericht suggeriere, dass die Überweisungen von Opfer-Konten an das Nazi-Regime bedeutend grösser gewesen sein könnten als bisher angenommen. Und dass mindestens zu einem Zeitpunkt nach dem Ende des Kriegs die Banken eine gemeinsame Regelung getroffen hätten, die auf eine aktive Desinformation oder Irreführung der Nazi-Opfer und deren Erben abgezielt habe.

Pauschalisierend und polemisierend

Diese Interpretation stösst nun bei der Bergier-Kommission auf Widerstand. Die vom Schiedsgericht aus dem Schlussbericht der Kommission gezogenen Schlüsse seien polemisch und pauschalisierend, erklärte die Historikerin Barbara Bonhage.

Die Schlüsse des CRT seien eine unzulässige Verallgemeinerung, sagte Bonhage, welche das Bankenteam der Experten-Kommission geleitet hatte. Der Bergier-Bericht enthalte keine abschliessenden Zahlen über Geldtransfers von Nazi-Opfern an das Hitler-Regime. Die aufgeführten Einzelfälle dürften nicht verallgemeinert werden.

Auch die Bankiervereinigung weist die Vorwürfe Kormans entschieden zurück: “Es trifft nicht zu, dass die Banken systematisch Dokumente vernichtet oder verborgen hätten. Die Schweizer Banken haben sich im Gegenteil einer beispiellosen Untersuchung durch die Volcker-Kommission unterzogen”.

Weder das Volcker-Komitee noch die Bergier-Kommission hätten ein systematisches Fehlverhalten der Banken festgestellt, hielt Sutter weiter fest.

“Hitler hatte die Schweiz im Sack”

Neben den Banken griff Korman laut Bericht auch die Schweiz und Europa insgesamt an. Die Vereinigten Staaten hätten aus Europa das gemacht, was es heute sei. Es seien doch immer junge Amerikaner gewesen, die im 20. Jahrhundert “jede Schweinerei in Europa aufgeräumt haben”. Zudem habe Hitler die Schweiz im Zweiten Weltkrieg “im Sack gehabt”.

Interner Streit beim Schiedsgericht

Kormans telefonische Ansprache an die Mitarbeitenden des Tribunals steht laut “NZZ”-Bericht im Zusammenhang mit internen Auseinandersetzungen beim ICT, die zu Kündigungen und Entlassungen geführt haben. Rund 10 der insgesamt 17 Schiedsrichter sollen den Hut nehmen.

Seit dem Bankenvergleich beaufsichtigt Korman zusammen mit seinen Beauftragten Paul A.Volcker und Michael Bradfield die Arbeiten des Schiedsgerichts. Mitarbeiter würden beklagen, so die “NZZ am Sonntag”, dass Bradfield sie zur “historischen Fiktion” nötige, um die Summen zu erhöhen, die an Inhaber oder Erben nachrichtenloser Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg ausbezahlt werden.

Gelockerte Bestimmungen

Ende Mai hatte Kormann den Berichten zufolge die Bestimmungen für Auszahlungen geändert. Demnach soll bei nachrichtenlosen Konten mit tiefem Kontostand neu auf einen Durchschnittswert aus dem Jahre 1945 abgestellt werden. Damit sollen grosszügigere Auszahlungen ermöglicht werden.

Zudem soll künftig auch die Auszahlung von Vermögenswerten an Schwiegertöchter und Schwiegersöhne sowie an entfernte Verwandte zugelassen werden. Weiter sollen bei bekannten Ansprüchen die gesamten Beträge sofort ausbezahlt werden; bisher war ein Sicherheits-Rückhalt gemacht worden.

Beobachter gehen davon aus, dass die jüngste Attacke gegen die Banken mit Schwierigkeiten zusammenhängen könnte, genügen Anspruchsberechtigte für die 800 Mio. Dollar zu finden, die laut Bankenvergleich für Inhaber nachrichtenloser Konten reserviert worden waren.

Paul A. Volcker hatte am Montag einen Besuch beim International Claims Tribunal auf dem Programm und will sich danach zu den neuen Entwicklungen äussern.

swissinfo und Sonntagspresse

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