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Die rasante Karriere der Deleila Piasko

Burgtheater Wien

"Ich fühle mich wie Alice im Wunderland", sagt Deleila Piasko (28). Sie gehört seit Herbst zum Ensemble des Wiener Burgtheaters. Das ist für Theaterschauspieler der Ritterschlag. Begegnung mit der Schweizerin, die oben angekommen ist.

Berufung: Schauspielerin.
Selbsteinschätzung: “extrem neugierig”.
Status: Aufstrebend.

Das Theater Bern hat sie 2017 verlassen, weil Dresden mit einem Vertrag für zwei Spielsaisons lockte – und mit einer Titelrolle der Ophelia in Hamlet. Natürlich, sagt Deleila Piasko, habe damals auch der Status des Theaters eine Rolle gespielt. Aber es ging ihr weniger um strategische Karriereplanung, mehr um die Freude am Spielen selbst.

Dann, 2019, lud sie der Direktor des Burgtheaters zum Vorsprechen nach Wien ein. Sie wählte ein Stück der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. “Ich finde die Art und Weise, wie Jelinek schreibt, wahnsinnig clever. Ihre Wortgewandtheit ist raffiniert, sie lässt in mir Phantasien entstehen.”

Als ihr das Burgtheater danach anbot, ab Herbst 2019 als festes Ensemblemitglied nach Wien zu wechseln, musste sie nicht lange überlegen.

Piasko wuchs in Zürich als Tochter einer Tänzerin und eines Bankers auf. Von der väterlichen Seite hat sie die Liebe zur Mathematik und klaren Strukturen. Sie entspannt sich beim Lösen von Logikrätseln wie Sudoku.

Von der Mutter hat sie die kreative Leidenschaft. Schon als Kind verkleidete sie sich gerne und tanzte mit ihren beiden jüngeren Geschwistern als Nebendarsteller.

Ein logischer Schritt ist das Kinder- und Jugendtheater Metzenthin in Zürich, wo sie die Theaterschule besucht. In der Schweizer Filmkomödie “Cannabis – Probieren geht über Regieren” schnuppert sie als 15-Jährige erste Filmluft. Zwei Jahre später steht sie für “Boys for us” als Laura vor der Kamera.

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Nach der Matura will sie – inspiriert durch einen Freund – ein theologisches oder philosophisches Studium beginnen. Auch ein längerer Aufenthalt in einem Kibbuz in Israel ist geplant. Die jüdischen Wurzeln ihrer Familie spielen bei diesem Wunsch eine zentrale Rolle.

Entscheid für das Theater

Doch die Liebe zum Theater setzt sich durch. Eine gute Freundin überredet sie, die Ernst Busch Hochschule für Schauspielkunst in Berlin zu besuchen. Sie wird an der renommierten Ausbildungsstätte aufgenommen. Das ist 2011. Zwei Jahre später steht sie in einem Shakespeare-Stück auf einer Berliner Bühne.

Nach der vierjährigen Ausbildung kommt 2016 ein Angebot, als fixes Ensemblemitglied im Konzert Theater Bern zu spielen. Die Hauptrolle in “Anne Frank” ist ihr wie auf den Leib geschrieben. Kritiker loben die Bühnenpräsenz und die Eindringlichkeit der Darstellung des deutsch-jüdischen Mädchens, das in seinem Versteck in Amsterdam am Ende doch noch den Nazischergen in die Hände fällt. “Man geht sehr ehrfürchtig an dieses Stück heran. Ich glaube, das hätte ich auch getan, wenn ich nicht Jüdin wäre”, sagt die Schauspielerin.

In Wien debütiert sie nun mit “Die Vögel”. Das Stück ist gewagt – ein gesellschaftspolitischer Diskurs, der in vier Sprachen aufgeführt wird. Deleila Piasko spielt die arabisch-stämmige Studentin Wahida, die sich in einen jüdischen Genetiker verliebt. Auf der Bühne spricht sie amerikanisches Englisch.

Piasko als Wahida in Wien. Matthias Horn, Burgtheater Wien

Die Kritiken für die Familiensaga sind durchgehend positiv, und bei der Premiere gibt es stehende Ovationen.

Das ist keine Selbstverständlichkeit in Wien.

Die deutschsprachige Theaterfamilie weiss um den Stellenwert und die speziellen Erwartungen des Publikums in Wien. Das ist auch Piasko bewusst: “Vom Ranking her ist Wien die beste oder eine der besten Adressen im deutschsprachigen Raum. Das Burgtheater ist sehr verwoben mit den Wienern. Mich fasziniert das, und das ist auch neu für mich.”

Wien. Das ist die Stadt, die im Expat-Ranking 2019 zur drittunfreundlichsten Metropole der Welt gewählt wurde. Daran sind vor allem die grantigen, mürrischen Wiener schuld.

“Dann sollen sie halt grantig sein”, sagt Piasko. Ihr fröhliches Wesen ist ansteckend – und das überrascht viele, da die zierliche Schweizerin auf der Bühne vor allem auf dramatische Rollen abonniert ist.

Aktuell spielt sie auch in TV-Krimis, etwa in der ARD-Kriminalfilmreihe Wolfsland oder im Zürich-Krimi in “Borchert und der Sündenfall”. Für sie sind Theater- und Filmkarriere keineswegs unvereinbar. “Ich kann mich für beide Welten begeistern”, sagt sie. Es ist auch eine willkommene Abwechslung: “Ich merke, dass ich mehr Lust auf Komödie habe, wenn ich gerade in einem schwereren Stück spielte.”

Deleila Piaska mit Schauspieler Christian Kohlund im Zürich Krimi der ARD 2019. ard

Die ersten Monate

Bei ihren vielen Terminen ist es für sie schwierig, neben den neuen Kollegen auch andere Österreicher kennenzulernen. Auch andere Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer hat sie in den ersten drei Monaten in Wien noch nicht getroffen. “Ich bin nicht so richtig schweizerisch”, lacht sie, “eher chaotisch und unpünktlich”.

Wie aufs Stichwort entdeckt sie, dass sie gerade zu spät zu ihrem Maskentermin kommt. “Ich habe mich verplaudert”, entschuldigt sie sich am Handy und eilt durch das Burgtheater davon. 

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