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Langsame Suche – schnelle Ermittlungen

Noch immer steigt Rauch aus den Ruinen des World Trade Centers in New York. Terroristen hatten dort am Dienstag zwei entführte Flugzeuge in das Gebäude gelenkt.. Keystone

Während die Rettungsarbeiten nach den Terroranschlägen in den USA nur langsam vorankommen, geben die Ermittler immer neue Erkenntnisse bekannt. Man geht von etwa 50 Tätern und Mittätern aus. Die US-Regierung hat eine längerfristige militärische Reaktion auf die Terroranschläge angekündigt. Aus Furcht vor einem Vergeltungsschlag der USA sind alle internationalen Flüge durch den Luftraum Afghanistans untersagt worden.

Die amerikanische Bundespolizei FBI hat zahlreiche Hinweise auf Drahtzieher und Mittäter der verheerenden Terroranschläge. In Boston und im Süden Floridas wurden mehrere Personen in Gewahrsam genommen. Alle Hinweise deuten in die Richtung vom mutmasslichen Terroristen-Führer Osama bin Laden, der sich in Afghanistan aufhalten soll.

Laut Medienberichten soll die Polizei bereits 50 Täter und Mittäter identifiziert haben – darunter 12 bis 24 Selbstmord-Attentäter, die bei den Anschlägen ums Leben gekommen waren. Weitere Fahndungen sind im Gang.

Erste Spuren führen auch nach Deutschland. In Hamburg überprüften Beamte am Mittwochabend eine Wohnung, in der drei der Terroristen angeblich zeitweilig gewohnt haben. Zwei davon sollen vom Juli vergangenen Jahres bis zum Januar dieses Jahres eine Flugschule in Florida besucht haben. Eine Person sei voläufig festgenommen worden, sagte der Chef des Landeskriminalamts.

Der Chef des US-Geheimdienstes CIA, George Tenet, wies Vorwürfe über ein Versagen des Geheimdienstes rund um die verheerenden Terror-Anschläge indirekt zurück.

Truppen werden auf Einsatz eingestimmt

Einen Tag nach den verheerenden Anschlägen auf Ziele in New York und Washington hat sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Mittwoch an die amerikanischen Truppen in aller Welt gewandt.

In einer Videobotschaft an alle Soldaten und Beschäftigten des Verteidigungsministeriums sagte Rumsfeld, “in den kommenden Tagen” würden sich die Männer und Frauen in Uniform in die “lange Geschichte amerikanischer Militärhelden” einreihen.

Militärische Vergeltung

US-Präsident George W. Bush hat die Anschläge auf das World Trade Center und das Verteidigungsministerium als Kriegshandlungen bezeichnet – und damit eine entsprechende militärische Antwort angekündigt. Mit dem Kongress hat er schon erste Gespräche über die Ermächtigung zu militärischer Vergeltung für die Terroranschläge geführt. Dabei äusserten sich Republikaner und Demokraten zustimmend.

Am Donnerstag sprachen sich mehrere Abgeordnete für eine formelle Kriegserklärung an die Terroristen aus, auch wenn deren Identität noch nicht eindeutig geklärt sei. Dabei müssten allenfalls auch Verluste in der Zivilbevölkerung hingenommen werden.

Der Kongress debattierte zudem über erforderliche Schritte, mit denen die Regierung die Behebung der Schäden der Terror-Anschläge finanzieren will. Dabie geht es dem Vernehmen nach um Mittel in Milliardenhöhe.

Nato bereit

Als Reaktion auf die verheerenden Terroranschläge in den USA hat die NATO erstmals in ihrer Geschichte den kollektiven Verteidigungsfall festgestellt. Sie betrachtet die Terroranschläge in den USA als Angriff auf das gesamte Bündnis. Das teilte Generalsekretär George Robertson am Mittwochabend in Brüssel mit.

Da es noch nicht klar sei, von wo aus die Terrorangriffe gesteuert worden seien, seien vorerste keine militärische Reaktionen der NATO vorgesehen. Es handle sich um einen Akt der Solidarität.

In verschiedenen europäischen Ländern und auch in Russland drückte die Bevölkerung mit einer Schweigeminute ihr Mitgefühl aus.

Kabul sucht das Gespräch

Das Taliban-Regime bot den USA Gespräche über eine mögliche Auslieferung des gesuchten mutmasslichen Terroristen Osama bin Laden an. Es verlangt jedoch zuerst genügend Beweise. Laut CNN sollen die USA zudem aufgefordert worden sein, von einem Angriff auf Afghanistan abzusehen.

Wie die in Pakistan ansässige islamisch-afghanische Presseagentur AIP berichtete, halten die Taliban es für unwahrscheinlich, dass Bin Laden hinter den Terroranschlägen in den USA steckt. Seine Organisation habe nicht die Möglichkeit, Anschläge von solchem Ausmass durchzuführen, hiess es.

Die UNO hat unterdessen ihr internationales Personal aus Afghanistan abgezogen. Auch westliche Diplomaten, sowie Mitarbeiter des IKRK und verschiedener weiterer Hilfsorganisationen haben das Land verlassen.

Aus Angst vor amerikanischen Vergeltungsschlägen wurden in der Zwischenzeit alle internationalen Flüge durch den afghanischen Luftraum gestoppt, wie die Swissair bestätigt.

Rettungs- und Bergungsarbeiten schwierig

Mehr als 48 Stunden nach den Anschlägen suchen Rettungsteams in den noch immer qualmenden Trümmern weiter nach Überlebenden. Die Arbeiten gestalten sich allerdings schwierig: Immer wieder drohen Gebäudeteile einzustürzen. Das genaue Ausmass der Tragödie ist weiter unklar. Die Behörden gehen von mehreren tausend Toten aus.

Nach Angaben von Bürgermeister Rudolph Giuliani wurden bis Donnerstag offiziell 94 Menschen tot geborgen. Sie seien aus den Trümmern des World Trade Centers geborgen worden. Die Anzahl der offiziell als vermisst gemeldeten Menschen wurde mit rund 5000 angegeben. Giuliani sagte, die Stadt New York halte 30’000 Leichensäcke bereit.

In Washington sind beim Terroranschlag rund 190 Menschen ums Leben gekommen, wie das Verteidigungs-Ministerium am Donnerstag mitteilte. Die Bergungsarbeiten dauern auch hier an. Wegen einer telefonischen Bombendrohung waren die Arbeiten am Morgen vorübergehend eingestellt worden.

Übergriffe auf Moslems

Einen Tag nach den Terroranschlägen in New York und Washington ist es in mehreren Orten der USA vereinzelt zu Übergriffen auf Moslems gekommen. Fensterscheiben von Moscheen wurden von Schüssen getroffen sowie anti-arabische und -islamische Drohungen und Schmähungen ausgestossen.

Flugraum weiterhin gesperrt

Die US-Regierung will die Flug-Einschränkungen für Passagiermaschinen vor Mittag Ortszeit aufheben. US-Verkehrsminister Norman Mineta sagte, es werde einige Unannehmlichkeiten geben, aber die Sicherheit sei oberstes Ziel.

swissinfo und Agenturen

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