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Asylinitiative: Lieber Pragmatismus als Populismus

Viele Asylsuchende kommen via Staaten in die Empfangsstellen, die als sicher gelten - Ruth Metzler will dem einen Riegel schieben. Keystone

Die Justizministerin ruft die Schweizer auf, die Initiative "gegen Asylrechtsmissbrauch" der Schweizerischen Volkspartei (SVP) abzulehnen.

Ruth Metzler qualifiziert die Vorschläge der Asylinitiative als “illusorisch”.

Im Abstimmungskampf rund um die Asylinitaitve der SVP wird die Regierung aktiv. Justizministerin Ruth Metzler lehnt die Initiative ab. Ihr Kernstück ist die “Drittstaatenregelung”. Wer aus einem als sicher eingestuften Land in die Schweiz einreist, soll kein Asylverfahren erhalten. “Illusorisch” sei die Initiative deswegen, weil ohnehin 95% aller Asylsuchenden über den Landweg in die Schweiz gelangen, also via eines der Nachbarländer einreisen.

Suggestive “Drittstaatenregelung”

Diese “Drittstaatenregelung” suggeriere, dass die Anzahl Asylsuchender in der Schweiz auf diese Weise reduziert werden könne, sagte die Justizministerin an einer Medienkonferenz in Bern. Die Drittstaaten würden ohne Gegenrecht so etwas nicht akzeptieren, meint dazu Cécile Bühlmann, Präsidentin der Grünen Fraktion und Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, gegenüber swissinfo.

Ueli Maurer, SVP-Parteichef, sagt hingegen, dass “wir zu viele Personen unter dem Deckmantel ‘Asylbewerber’ aufnehmen, die eigentlich nicht Asyl, sondern Arbeit suchen”. Asylsuchende, die über einen sogenannten sicheren Drittstaat in die Schweiz einreisen, sollen daher dorthin zurückgeschickt werden.

Kontraproduktiv und teuer

Metzler: “Die Initiative ist wirkungslos und in vieler Hinsicht kontraproduktiv. Eine Annahme durch Volk und Stände verursacht Mehrkosten von über 100 Mio. Franken.”

Im Unterschied zur Initiative setzt das Asylgesetz zusätzlich die Bereitschaft des Drittstaates zur Rückübernahme voraus. Zu diesem Zweck hat die Schweiz mit Drittstaaten Rückübernahmeabkommen abgeschlossen. 24 Abkommen sind Mitte September in Kraft, darunter alle Nachbarländer der Schweiz. 33 weitere sind in Verhandlung.

Für oder gegen humanitäre Tradition?

Ausserdem, sagte die Justizministerin, verstosse die vorgeschlagene Drittstaatenregelung der SVP gegen die humanitäre Tradition der Schweiz. Ueli Maurer, SVP-Parteichef, meint demgegenüber zu swissinfo: “Ich bin der Meinung, dass die Schweiz ihre humanitäre Tradition damit stärkt, weil sie endlich wieder Kapazitäten hat, um echt humanitär tätig zu werden, jenen Leuten Asyl und Unterkunft zu geben, die das nötig haben”.

Ruth Metzler sprach sich für eine Drittstaatenregelung aus, bei der die abgewiesenen Asylsuchenden das Land auch tatsächlich verlassen könnten.

Schwarzafrikaner als Drogendealer

Die Justizministerin ist in den vergangenen Wochen in der Asylpolitik stark unter Druck geraten. Auslöser war die Diskussion rund um die Asylsuchenden aus Schwarzafrika, welche häufig als Drogendealer in Erscheinung treten.

So wollen vor allem die Kantone die Gangart gegen diese Dealer verschärfen. Zürich will zur Bekämpfung des Drogenhandels Gebiete der Stadt zur Sperrzone erklären. Auf diese Weise sollen potentielle Dealer von den Innenstädten ferngehalten werden.

Frage der Identitätsangabe

Zudem führte das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) im Auftrag von Justizministerin Ruth Metzler vor kurzem Massnahmen ein, mit denen die Identität des Asyl-Gesuchstellers aus Afrika, das Alter und seine genaue Herkunft bereits während des Aufenthaltes in der Empfangsstelle festgestellt werden kann.

Die Asylbewerber aus Schwarzafrika stellen heute rund einen Fünftel der Asylgesuche. Insgesamt rund 95’000 Asylsuchende halten sich zur Zeit in der Schweiz auf. Davon lebten Ende September etwa 17’000 schwarzafrikanische Asylbewerber im Land. Ihre Asylgesuche sind hängig. Seit 1992 hat sich ihre Zahl praktisch verdoppelt.

Schwieriger Abstimmungskampf

Angesichts des zunehmenden Druckes auf die Asylpolitik der Regierung sprach Ruth Metzler von einem schwierigen Abstimmungskampf, der bevorstehe.

Sie wolle sich deshalb mit persönlichem Einsatz gegen die SVP-Asylinitiative und für die Lösungen des Bundesrates in der Asylgesetzgebung engagieren. “Die Abstimmung wird kein Spaziergang”, sagte sie. Das Volksbegehren kommt am 24. November vor Volk und Stände.

swissinfo und Agenturen

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