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Bern – für zwei Wochen Nabel der Eishockey-Welt

Die Weltmeisterschaft, die am 24. April beginnt, macht Bern für zwei Wochen zur Eishockey-Hauptstadt der Welt. Im Hinblick auf den Grossanlass wurde das 40-jährige Allmendstadion zur modernen Eis-Arena veredelt.

Eher Ameisenhaufen denn Eishockey-Arena: So präsentiert sich der Hauptaustragungsort des Höhepunktes des Schweizer Sportjahres wenige Tage vor Ertönen der Startsirene.

Im Eingangsbereich verleihen Fensterputzer mit breiten Gummischabern grossen Glasflächen durchsichtigen Glanz. Im Bauch des Stadions verwandeln Maler mit Pinselrollen an langen Stangen Betonfluchten in aufgeräumte weisse Gänge.

Hoch über dem Eis fixieren Armeeangehörige Sitzreihen mit je acht Kunststoffschalen auf den Betonstufen – aus den berühmten steilen Stehplatzrampen werden bequeme Sitzplatzreihen.

In den Katakomben

Gut 20 Meter tiefer zaubern Zimmerleute, ebenfalls unterstützt von Armeeangehörigen, aus Zivilschutzräumen WM-Garderoben nach Norm. Dort werden sich Schweden, Amerikaner, Letten, Deutsche, Österreicher und Franzosen in ihre Monturen werfen, Eisbeutel gegen Blessuren auflegen, ausgelassen Siege feiern oder wie begossene Pudel Strafpredigten des Trainers über sich ergehen lassen.

“Der Einbau der temporären Einrichtungen begann nach Ostern”, sagt Marcel Etienne, im WM-Organisationskomitee “Hausherr” der PostFinance-Arena in Bern. Als solcher übernimmt er den ganzen Komplex eine Woche vor Eröffnung in der WM-Ausbaustufe.

Riesiger Medienandrang

Neben den Sitzplatzreihen und Garderoben gehören vor allem das Mediencenter – für die WM haben sich rund 800 Journalisten akkreditiert -, Kommentatorentribünen, TV-Studios, Podeste für knapp 25 TV-Kameras, Gerüste für zusätzliche Scheinwerfer sowie der riesige “Info-Würfel” über der Spielfeldmitte zur WM-spezifischen Einrichtung. Im 31-Mio.-Budget von WM-OK-Präsident Gian Gilli stehen sie mit drei Mio. Franken zu Buche.

Mit den Installationen verwandelten die Handwerker die Arena in einen Sport-, Unterhaltungs- und Multimedia-Palast mit globaler Ausstrahlungskraft. Darin wird René Fasel, der Schweizer Präsident des Eishockey-Weltverbandes (IIHF), am 10. Mai dem Kapitän des Siegerteams den silbernen WM-Pokal überreichen.

Und die frischgebackenen Weltmeister so zu den neuen Eishockey-Königen krönen. Millionen TV-Zuschauer, vorab auf der nördlichen Erdhalbkugel, werden die Zeremonie verfolgen.

Eishockey-Metropole

Dass Bern für 14 Tage Mittelpunkt der Eishockey-Welt wird, verdankt die Bundesstadt nicht einer günstigen Laune von IIHF-Boss Fasel. Denn Bern ist die Eishockey-Hauptstadt schlechthin. Nicht nur der Schweiz, sondern von ganz Europa!

Kein anderer Klub des Kontinents – Russland inklusive – vermag mehr Zuschauer in den Bann zu ziehen als der Schlittschuh-Club Bern: 17’000 Fans verwandeln die PostFinance-Arena bei jedem Heimspiel der Mutzen (Berndeutsch für Bären) in einen Hexenkessel.

Ein Raum im Bauch der Arena ist mit vier riesigen Würfeln gefüllt: die Waschküche. Die mannshohen, Furcht einflössenden Maschinen warten darauf, ihre grossen, runden Glastore zu öffnen, die verschwitzten Tenues ganzer Teams aufzunehmen und sie alsdann in frühlingshafter Frische wieder auszuspucken. “Die Maschinen werden Tag und Nacht laufen”, sagt Marcel Etienne. An der WM wird nicht nur um Punkte gekämpft, sondern auch noch trainiert.

Krönung von zweijährigem Umbau

Wie der Name antönt, ist die SCB-Heimstätte kein Eispalast aus dem Wintermärchen. Unter Ägide des Hauptsponsors, die Schweizer Post respektive deren Zweig PostFinance, avancierte das angejahrte Allmendstadion in zweijährigem Umbau zur PostFinance-Arena, neu der ersten Adresse im Schweizer Eishockey. Kosten: Über 100 Mio. Franken.

Die Berner WM-Organisatoren um Marcel Etienne hoffen, dass sich ihre Investitionen in die WM-Sonderausstattung auszahlen werden, sprich die PostFinance-Arena bei möglichst vielen WM-Partien ausverkauft ist. Wie bei den drei Gruppenspielen der Schweiz gegen Frankreich, Deutschland und Turnierfavorit Russland.

Publikum als sechster Feldspieler

Volles Haus ist aber nicht gleich volles Haus. Denn während der WM fasst das Stadion “nur” 11’500 Zuschauer. Dies aufgrund des Einbaus der Sitzreihen anstelle der Stehplätze.

Trotz Platzreduktion kann sich die Schweiz dank Heimvorteil lautstarker Unterstützung gewiss sein. Vorausgesetzt natürlich, die Spieler Ralph Kruegers geben auf dem Eis alles.

Dazu kommt ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Plus: Das Krueger-Team startet aus der Pole Position zu seinen Spielen, was die Garderoben betrifft: Als WM-Gastgeber fällt der Schweiz gemäss Protokoll des Welteishockeys das Privileg zu, in der Kabine des Heimteams zu logieren. Und diese liegt dem Eis immer am nächsten.

Das bedeutet, dass Mark Streit & Co. mit den frischesten Beine in die Spiele steigen. Zumindest theoretisch. Die Franzosen haben das Pech, den weitesten Weg gehen zu müssen. Kämen sie in den Final, müssten sie in den Katakomben insgesamt über fünf Kilometer zurücklegen.

swissinfo, Renat Künzi

Erwartet werden rund 250’000 Besucher. Zum Vergleich: Die Fussball-EM zog 2008 über eine Million Fans in die Bundesstadt.

Zum Grossanlass findet am 25. und 26. April auf dem Bundesplatz ein Gratis-Festival statt (u.a. mit Stephan Eicher, Bligg, Francine Jordi).

Am Sonntag wird dort im Rahmen des einzigen Public Viewings das Spiel Schweiz-Deutschland auf Grossleinwand übertragen.

Die Hotels in Bern sind während der Weltmeisterschaft zu 90% ausgebucht. Während der Finalspiele sind die Hotelbetten in Bern vollständig belegt.

Während der letztjährigen Fussball-EM wiesen die Hotels eine niedrigere Auslastung auf.

Die Eishockey-Weltmeisterschaft findet vom 24. April bis 10. Mai 2009 in Bern und Zürich statt.

16 Mannschaften nehmen am WM-Turnier teil. Die Schweiz trägt ihre drei ersten Begegnungen in der Gruppe B aus; die Gegner sind Frankreich, Deutschland und Russland.

12 Teams qualifizieren sich für die Zwischenrunde (je drei Erstplatzierte pro Gruppe).

Ab den Viertelfinals mit den besten Acht geht das Turnier in den K.O.-Modus über: Wer verliert, scheidet aus.

Für die Eishockey-WM in Bern und Kloten haben sich rund 800 Journalisten akkreditiert.

Die 56 Spiele werden von 190 TV-Stationen in rund 100 Länder übertragen.

Gesamthaft verfolgen 800 Millionen Zuschauer die WM am Fernsehen.

swissinfo.ch

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