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Die Friedensbewegung will Atem holen

Ein Jahr danach geht es wieder auf die Strasse. swissinfo.ch

Wie in rund 50 anderen Ländern protestierten auch in der Schweiz am Samstag gegen die Besetzung des Irak – ein Jahr nach Kriegsbeginn.

Die Organisatoren der Manifestation in der Schweiz erwarteten keine grosse Mobilisierung. Die vor Jahresfrist demonstrierte Einheit hat sich verflüchtigt.

Zur Erinnerung: Vor Jahresfrist, drei Tage vor Beginn der anglo-amerikanischen Offensive im Irak, am 20. März 2003, demonstrierten in Bern über 30’000 Personen.

Im Monat davor lag die Mobilisierung noch höher: Rund 40’000 Pazifisten hatten in der Bundeshauptstadt manifestiert, nachdem sie in den Wochen zuvor in einigen Schweizer Städten demonstriert hatten.

«Vor dem Krieg und gerade nach dem Beginn hatten die Leute einen klaren Grund, auf die Strasse zu gehen», schätzt der Zuger Nationalrat Josef Lang von der Sozialistisch-Grünen-Alternative (SGA), «man musste seine Ablehnung ausdrücken».

So brachte dieses Bündnis für den Frieden Massen von Schülern und Studenten zusammen mit zahlreichen linken Organisationen, Gewerkschaften und christlichen Vereinigungen.

«Gegenwärtig fehlt das zündende Moment», fährt der Parlamentarier fort, «Die Situation im Nahen Osten verlangt nach einer komplexeren Antwort, die sich nicht in der Forderung nach dem Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak erschöpfen kann.»

Gespaltene Bewegung

Josef Lang weiter: «Die Bewegung hat nichts von ihrer Bedeutung verloren, befindet sich aber in einer reflexiven Phase. Was die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen der Koalition stärker hervortreten lässt.»

Eines ist sicher: Die institutionelle Linke zieht es dieses Jahr vor, sich von der Anti-Kriegskoalition abzugrenzen. So zum Beispiel die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Schweizer Jungsozialisten (JUSO).

«Wir unterstützen die Kundgebung nicht,» bekräftigt JUSO-Sprecher Cyril Mizrahi.

«Ihre Organisatoren», so Mizrahi, «wollen die Selbstmordattentate und die Organisationen, die sie verüben, nicht klar verurteilen.»

Dazu sagt Josef Lang:» Die JUSO hat diesen Punkt bei den Treffen im Vorfeld der Manifestation nie aufgeworfen.» Wie dem auch sei, der von der schweizerischen Anti-Kriegs-Koalition verfasste Kundgebungs-Aufruf enthält keine solche Verurteilung.

Was die Schweizer Grünen, welche die Kundgebung unterstützen, nicht übermässig zu stören scheint. «Ist es nötig, diese Art von Gewalt jedes Mal zu verurteilen?», fragt sich Hubert Zurkinden, Generalsekretär der Partei.

Die Wirkung von Madrid

Anderswo in Europa scheint die Antwort offensichtlich, besonders nach dem Attentat von Madrid. So ist an der für Samstag geplanten Kundgebung in Paris ein Spruchband vorgesehen mit der Aufschrift: «Gegen den Krieg, gegen Terror-Attentate und Gewalt gegen die Völker.»

«Wir werden auch der Opfer dieser Attentate gedenken», präzisiert Christophe Ventura von der französischen Anti-Globalisierungs-Bewegung ATTAC.

Auch in Bern ist es laut dem Genfer Tobias Schnebli von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) nicht ausgeschlossen, dass eine solche Würdigung stattfinden wird. Aber die helvetischen Kriegsgegner heben vor allem die dem Terrorismus der islamischen Fundamentalisten zugrunde liegenden Ziele hervor.

«Man muss die Wurzeln des Terrorismus bekämpfen», hält Josef Lang fest.

«Und um das zu tun, drängt sich die Frage auf, was zuerst kommt: die Besetzung Palästinas durch Israel oder die Selbstmordattentate; die Besetzung Iraks durch die Amerikaner oder die Attacken gegen die Besatzungstruppen».

«Selbstverständlich verurteilen wir den Terrorismus, aber die grössten Terroristen sind die Vereinigten Staaten», ereifert sich seinerseits Paolo Gilardi, Sprecher der Anti-Kriegs-Koalition.

Erstarrte Positionen

Tobias Schnebli betont, dass die Debatte blockiert wird durch die Feststellung: «Wenn wir die Reflexion weiter vorantreiben, kommen die Uneinigkeiten innerhalb der Bewegung zum Vorschein.»

Eine Analyse, die vom Lausanner Politologen Ahmed Benani geteilt wird: «In der Schweiz berufen sich eine Anzahl Militante auf die Verzweiflung der palästinensischen oder irakischen Bevölkerungen, um Terror-Aktionen zu erklären.» Und er fährt weiter: «Sie verwechseln so die Gefühle der Bevölkerung und die von den Radikal-Islamisten verfolgten Strategien.»

«Im Nahen Osten ist die Debatte viel zugespitzter. Viele Palästinenser betrachten zum Beispiel die militärische Option als Misserfolg. Eine Einschätzung, die auch für eine wachsende Anzahl israelischer Soldaten gegenüber ihrer Regierung gilt.»

Aus diesem Grund setzt der Lausanner Politologe vor allem auf den Weg des Dialogs. «Die Schweizer Gruppierungen – ob sie nun der einen oder anderen Konfliktpartei nahe stehen – sollten sich für eine Alternative zum Krieg einsetzen. Stattdessen verharren die meisten auf ihren Positionen.»

swissinfo, Frédéric Burnand und Philippe Kropf

Nach einer Bombennacht begann am 20. März 2003 die anglo-amerikanische Koalition eine Bodenoffensive.

Im Vorfeld des Waffenganges gingen auf der ganzen Welt Millionen von Menschen auf die Strasse, um gegen den Krieg zu protestieren.

In der Schweiz demonstrierten am 15. Februar 2003 in Bern rund 40’000 Personen; es war eine der grössten Kundgebungen in der Schweiz.

Besonders in den Schulen engagierten sich viele junge Menschen für den Frieden. Man sprach von einer neu politisierten Generation.

Ein Jahr nach Kriegsbeginn riefen die Friedensbewegungen wieder zu Demonstrationen in rund 50 Ländern auf.

In der Schweiz ist die nationale Kundgebung von einem breit abgestützten Bündnis gegen den Krieg organisiert.

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