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Die Schweiz hält an Genfer Konventionen fest

Die Status der Gefangenen in Guantanamo hat die Debatte über Menschenrechte neu entflammt. Keystone Archive

Die Grundsätze der internationalen Menschenrechte sollen nicht in Frage gestellt werden - auch wenn dies nicht dem Kampf gegen den Terrorismus entspricht.

Als Depositärin der Genfer Konventionen regt die Schweiz die internationale Gemeinschaft jetzt zum Nachdenken in dieser Frage an.

“Den Grundsätzen von Neuem zustimmen bedeutet nicht, sie reformieren zu wollen”, beteuert Peter Maurer, Leiter der Abteilung für humanitäre Sicherheit des Schweizer Aussenministeriums.

Tatsächlich berichtete die Tageszeitung “Washington Post” im vergangenen Monat, dass die Schweiz beabsichtige, die Genfer Konventionen “zu überdenken”.

“Diese Formulierung hat uns nicht gefallen”, bestätigt Maurer. Deshalb hat der Botschafter beschlossen, Klarheit zu schaffen. Vor den Medien präsentierte er Anfang dieser Woche das “Programm von Harvard”.

Start Anfang 2003 vorgesehen

Für Ende Januar 2003 planen Fachleute der renommierten US-Universität ein erstes Treffen von Experten und Diplomaten, dies auf Initiative des Schweizer Aussenministeriums.

An dieser Zusammenkunft soll die Basis für tiefgründige Reflektionen über Kriegsrecht, Gefangenenstatus und Bevölkerungsschutz geschaffen werden.

Diese Fragen sind in den Genfer Konventionen und den Zusatzprotokollen grundsätzlich geregelt. Nur: Diese Texte sind veraltet und sollten den heutigen Realitäten angepasst werden.

Die Komplexität aktueller Kriege

Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, die Attentate des 11. Septembers 2001 und der Feldzug gegen die Taliban in Afghanistan zeigen deutlich: Das alte Schema von zwei Staaten, die einander bekriegen, greift zu kurz.

Krieg ist nicht mehr eine Sache von Soldaten, von regulären Armeen. Das immense Leiden der Zivilbevölkerung war der Anlass für das Schweizer Aussenministerium, das Programm zu lancieren.

Zuerst Konsultationen

“Die Agenda ist noch nicht festgelegt und die Schweiz wird das auch nicht alleine machen”, präzisiert Claude Bruderlein, Direktor des Programms.

17 Staaten nehmen an diesem Prozess teil. Zurzeit sind sie eingeladen, ihre eigenen Prioritäten einzubringen. Und vom Resultat dieser Konsultationen wird die Weiterführung des Programms abhängig sein.

Welches sind die 17 Staaten? – Die Schweizer Diplomaten wollen darüber momentan noch nicht Auskunft geben. Klar ist nur, dass alle 5 Kontinente und die wichtigen geopolitischen Kräfte vertreten sind.

Und es lässt sich problemlos erahnen, dass die grossen Nationen – allen voran die USA – zwingend mit von der Partie sind.

Kein Schritt zurück

Das Alles ist nun in der Vorbereitungsphase. Und niemand wagt zu sagen, wie viel Zeit die Diskussionen in Anspruch nehmen werden.

Auch wenn die Inhalte noch offen sind, ist das Ganze doch ein heikles Unterfangen. Doch für die Schweizer Diplomaten geht es absolut nicht darum, die Genfer Konventionen in Frage zu stellen. Das Ziel sei klar, die bestehenden Verträge nicht zu schwächen.

Diese Haltung wird auch vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bekräftigt. “Wir wollen erreichen, dass die Internationalen Menschenrechte gestärkt und nicht aufgeweicht werden”, sagt Kim Gordon-Bates, Sprecher des IKRK.

Die Haltung der USA

Es bleibt abzuwarten, welche Position die Vereinigten Staaten von Amerika einnehmen. Die USA verweigern den Häftlingen in Guantanamo den Status von Kriegsgefangenen. Noch ist offen, ob dies ein Zeichen ist, dass Washington allgemein versuchen wird, den Schutz zu schwächen, den die Genfer Konventionen garantieren.

Die Schweizer Vertreter wollen sich zu diesem Punkt noch nicht äussern. Beim IKRK heisst es, die USA habe bisher keinen Druck auf die Organisation ausgeübt. In Gefahr seien nicht die Regelungen an sich, doch die Art und Weise, wie sie angewendet würden.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragung aus dem Französischen: Eva Herrmann)

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