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Ein Besuch verbunden mit Hoffnungen

Der Schweizer Bundespräsident Joseph Deiss mit Borislav Paravac (links) und Sulejman Tihic. Keystone

Das Präsidium von Bosnien-Herzegowina weilte zu einem Arbeitsbesuch in Bern. Die Gespräche mit der Schweizer Regierung drehten sich vor allem um die wirtschaftlichen Beziehungen.

Das Land hat noch einen weiten Weg zu gehen, bis Normalität einkehrt.

Vom dreiköpfigen Präsidium von Bosnien-Herzegowina (ein Muslim, ein Kroate und ein Serbe) fehlte der Serbe Dragan Covic, der aus familiären Gründen Sulejman Tihic und Borislav Paravac nicht nach Bern begleiten konnte.

Sulejman Tihic als Vorsitzender des dreiköpfigen, multiethnischen Präsidiums von Bosnien-Herzegowina wurde an Dienstag vom Schweizer Bundespräsidenten Joseph Deiss und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey auf dem Landsitz Lohn bei Bern empfangen.

Nach den rund zweistündigen Gesprächen betonte Tihic die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden multikulturellen Ländern.

Er dankte der Schweiz für die in den letzten Jahren geleistete Wiederaufbauhilfe und die Aufnahme von Flüchtlingen während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien.

Reformer haben gesiegt

Deiss hielt fest, dass Bosnien-Herzegowina Tag für Tag Fortschritte mache. So sei dieser Tage der millionste Flüchtling zurückgekehrt.

Der Schweizer Bundespräsident lobte auch die reibungslose Organisation der Gemeindewahlen im jungen Staat vom vergangenen Wochenende. Tihic fügte an, dass entgegen vielen Berichten nicht die Nationalisten, sondern die reformerischen Kräfte gewonnen hätten.

Wirtschaftsbeziehungen ausbauen

Der Schweizer Bundespräsident lobte auch die Fortschritte bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Deiss regte an, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder intensiviert werden sollen.

Verschiedene bereits unterzeichnete Abkommen sollen in nächster Zeit in Kraft treten, darunter ein Investitionsschutzabkommen. Die bosnisch-herzegowinische Delegation besucht am Mittwoch ein Business-Forum in Zürich.

Gemäss dem Staatsekretariat für Wirtschaft (seco) trägt Bosnien-Herzegowina immer noch die Kosten für ein “langjähriges sozialistisches Wirtschaftssystem und die zerstörerischen Kriegsjahre von 1992-1995”. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern sich laut seco aber langsam.

2003 betrug das Wirtschaftswachstum von Bosnien-Herzegowina 3,5%. Auch die durchschnittliche industrielle Produktion sei stark gestiegen, so das seco weiter.

Die Schweiz exportierte 2003 für rund 130 Mio. Franken Güter nach Bosnien-Herzegowina, das sind rund 10% der gesamten Exporte des Landes. Die Schweiz liegt damit an fünfter Stelle.

Bei den Importen aus Bosnien-Herzegowina findet man die Schweiz auf Platz 11 mit lediglich rund 70 Mio. Franken.

Weiterhin Aufbauhife

Trotz der Fortschritte wird die Schweiz laut Deiss auch weiterhin einen Schwerpunkt ihrer Osthilfe in Bosnien-Herzegowina setzen.

Seit 1996 flossen über 300 Mio. Franken für humanitäre Hilfe, technische Zusammenarbeit, als Rückkehrhilfe für Flüchtlinge, für zivile Friedensförderung und für Kulturprojekte nach Bosnien-Herzegowina. Dieses Jahr sind es rund 17 Mio. Franken.

Der südosteuropäische Staat ist ein Schwerpunktland der Schweizer Osthilfe. In der Schweiz selber leben rund 46’000 Personen aus Bosnien-Herzegowina.

Grünes Licht für EURFOR

Schweizer Soldaten sind seit längerer Zeit in die NATO-Schutztruppe SFOR integriert, die Ende 2004 von der EUFOR abgelöst wird.

Am Dienstag stimmte der Ständerat mit 34 zu 0 Stimmen für die Beteiligung der Schweiz an der EU-geführten European Union Force (EUFOR). Damit können maximal 20 Schweizer Armeeangehörige in dieser multinationalen Truppe eingesetzt werden.

Langfristige Entwicklungs-Zusammenarbeit

Bereits 1999 hatte die Schweiz ein mittelfristiges Entwicklungs-Programm für Bosnien-Herzegowina entwickelt. Darin verlagerte sich die Gewichtung von der humanitären Hilfe auf eine längerfristige Entwicklungs-Zusammenarbeit und auf den politischen Reformprozess, der schlussendlich zu einer Versöhnung der verfeindeten Volksgruppen führen soll.

Allein schon durch die grosse Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen in Verbindung mit der Notwendigkeit, die Region zu stabilisieren, befand sich Bosnien-Herzegowina zuoberst auf der politischen Agenda der Schweiz.

Schwerwiegende Flüchtlingsfrage

Das neue Programm 2004-2008 führt nun die Ziele und Strategien der vorausgehenden Programme weiter. Die Schweiz unterstützt das Land auch bei seinen Flüchtlingsproblemen. Bosnien-Herzegowina ist ein Transitland und kämpfe gegen Schlepper, schreibt die DEZA.

swissinfo und Agenturen

Bosnien-Herzegowina zählt rund 3,9 Mio. Einwohner
Die Arbeitslosenrate liegt bei 40%
19% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
Besonders davon betroffen sind Minderheiten und die 370’000 Vertriebenen.

Während des Krieges von 1991 bis 1995 hat die Schweiz für 150 Mio. Franken Nothilfe und humanitäre Hilfe in Kroatien und Bosnien-Herzegowina geleistet.

Seit 1996 hat die Schweiz für mehr als 300 Mio. Franken humanitäre Hilfe geleistet.

Scherpunkte der momentanen Hilfe der DEZA und des seco sind die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie die Unterstützung der institutionellen Reformen.

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