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Eine Sekunde für die Ewigkeit

Der Alinghi-Sieg wirft in der Schweiz sehr viel höhere Wellen als im Ausland. swissinfo.ch

Alinghis zweiter Sieg des America's Cup ist keine Überraschung, aber dennoch erstaunlich: Denn Segeln gehört nicht zu den Traditionssportarten der Schweiz.

Für die Medien basiert der Erfolg weniger auf der sportlichen als vielmehr auf der technologischen Leistung: Alinghi als Schweizer Markenzeichnen für Innovation.

“Geschafft”, “Alinghi segelt sich in den Siegesrausch”, “Une seconde pour l’éternité”, “Zweiter Streich von Bertarelli”, “Mit einer Sekunde im Glück” – die Schweizer Presse ist ausser sich.

Lob kommt aber auch aus dem Ausland. “The landlocked Swiss are masters of the ocean. Again”, schreibt die Washington Post, “Wettergötter helfen den Schweizern”, titelt der britische The Independent.

“La Coppa resta in Europa”, schreibt die italienische Sportzeitung La Gazzetta dello Sport, “die Schweizer gewinnen eine unglaubliche Regattenwoche gegen Neuseeland”.

Nationaler Enthusiasmus

Der Tages-Anzeiger führt den Sieg auf die “Schweizer Spitzentechnik” zurück: Alinghi bleibe eine beispiellose Erfolgsgeschichte im Schweizer Sport. Es gehe dabei weniger um die Schweizer Segelkunst als um die “Schweiz als Land mit Spitzentechnik”. Auch diesmal seien die Ingenieure der EPF Lausanne massgeblich involviert gewesen.

Hervorragende Werte

Reservierter gibt sich die Neue Zürcher Zeitung: “So knapp ging in der 156-jährigen Geschichte des America’s Cup noch nie eine Regatta aus.”

“Der Sieger des 32. America’s Cup heisst nicht nur Alinghi, auch das Cup-Segeln selber feierte mit spannenden und dramatischen Rennen eine glanzvolle europäische Ouvertüre.”

Die Neuen Luzerner Nachrichten schreiben”, “ein Sieg von Alinghi ist auch ein Sieg für die Schweiz”. Effizienter als jede Werbekampagne habe das Alinghi-Team in den letzten Wochen hervorragende Werte vordemonstriert: Innovation, Forschungsdrang und Präzision. “Eigenschaften, die jetzt auch wieder ganz direkt mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden.”

Mehr als Weltmeistertitel

Laut dem Bund ist der America’s Cup mehr als nur ein Sportpreis. “Er steht für Technologie, Innovation und Zusammenarbeit. Physisch mag es grössere Leistungen geben. Als Ganzes aber überstrahlt er Medaillen an Olympischen Spielen und Weltmeistertitel.”

Der Westschweizer Le Temps titelt “une splendide vitrine suisse”. Noch mehr als 2003 habe Alinghi diesmal das Interesse auch der Nichtsegler wecken können. Die Schweizer hätten die Regatten entdeckt und versuchten, auch die komplizierten Abläufe zu verstehen. Kurz: “Die Schweizer haben angebissen.”

Alinghi als “Hors-sol-Produkt”

Der Blick bringt 9 Seiten Alinghi und titelt: “Jetzt wollen wir ein Meer!” Die Schweiz bezeichnet das Boulevardblatt als “Segelnation Nr. 1”. Abseits vom Trubel fragt sich die Zeitung jedoch: “Wie wird Bertarelli den Cup wieder los?”

“Jetzt muss Bertarelli den Misserfolg planen.” Denn der Gewinn des America’s Cup ist verbunden mit der Verpflichtung, ihn bei nächster Gelegenheit zu verteidigen. So stehe es in der Stiftungsurkunde von 1857.

Und Alinghi sei, so der Blick, ein “Hors-sol-Projekt”, mit einer “reinen Söldnertruppe”, die den Cup im Auftrag Bertarellis in die Schweiz geholt habe. Alinghi habe es verpasst, einen durchaus vorhandenen Schweizer Nachwuchs an den America’s Cup heranzuführen.

“Eine schweizerische und kostengünstige Truppe würde den Cup nicht mit Stil verlieren, sondern mit einem 0:5 absaufen.”

Neuseeländische Auseinandersetzung

Das deutsche Magazin Focus sieht im Sieg von Alinghi auch diesmal kein Produkt der Schweizer Segelkunst: Unter 17 Mann Besatzung sei nur Team-Gründer Bertarelli als einziger Schweizer an Bord gewesen.

“Das Duell markierte eher die Fortsetzung der Auseinandersetzung zwischen Neuseelands Segelhelden und der jungen “Kiwi”-Generation.”

Über den Segelhelden Brad Butterworth schreibt auch die italienische Gazzetta dello Sport: Er sei zwar noch nicht in die “Hall of fame” aufgenommen, doch seinen Titel habe er sich redlich verdient. Die Schweiz habe ihm und seiner Crew viel am Sieg zu verdanken. Diese Crew habe im Jahr 2000 entschieden, “sich unters Matterhorn zu transferieren”, um den Cup endlich nach Europa zu bringen.

Der deutsche Alinghi-Verdienst

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt bei der Sieges-Meldung den Verdienst des Deutschen Jochen Schümann im Alinghi-Team heraus. Der “deutsche Sportdirektor der Eidgenossen” freue sich unter Feuerwerk und Champagnerfontänen, dass “der Cup nun in Europa bleibt”.

Auch die FAZ kommt auf die beiden Neuseeländer Konkurrenz-Teams zu sprechen. “Nur mit Mühe setzte sich die mit sechs erfahrenen Neuseeländern besetzte Alinghi-Crew gegen das durchschnittlich vier Jahre jüngere gegnerische Team durch.”

swissinfo, Alexander Künzle

Mai 2000: Nur wenige Monate nach der erfolgreichen Titelverteidigung von Team New Zealand schliessen sich der Genfer Milliardär Ernesto Bertarelli, Neuseelands Skipper Russell Coutts und Schiffsarchitekt Rolf Vrolijk zusammen. Sie wollen den America’s Cup erstmals nach Europa holen.

Mai/Juni 2001: Aus “Swiss Challenge” wird Alinghi. In der Décision-Werft über dem Genfersee beginnt der Bau des ersten Boots.

19.1.2003: Das Schweizer Syndikat setzt sich im Louis Vuitton Cup in Auckland mit 5:1 gegen Oracle durch. Damit darf Alinghi Titelverteidiger Team New Zealand im America’s Cup herausfordern.

2.3.2003: Alinghi deklassiert die “Kiwis” auf ihrem Terrain 5:0 und gewinnt den Cup als erstes europäisches Syndikat. Der “Auld Mug” kehrt nach 152 Jahren auf den Alten Kontinent zurück, wo vor der Isle of Wight das erste Rennen stattgefunden hatte.

26.11.2003: Der von Bertarelli formierte und präsidierte Cup-Organisator America’s Cup Management (ACM) gibt in Genf bekannt, dass der 32. Cup 2007 in Valencia stattfindet.

23.6.2007: Das erste Rennen des 32. America’s Cup gewinnt Titelverteidiger Alinghi gegen Herausforderer Team New Zealand mit 35 Sekunden Vorsprung.

3.7.2007: Alinghi entscheidet den spannendsten America’s Cup seit 24 Jahren nach einem 1:2-Rückstand mit 5:2-Siegen für sich. Die Siegertrophäe bleibt in Europa. Der nächste Cup findet voraussichtlich 2009 statt.

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