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Erster Schritt zu einer einfacheren Einbürgerung

Einbürgerung in der Schweiz soll etwas einfacher werden. swissinfo.ch

Im neuen Bürgerrechts-Gesetz gibt es kein Beschwerderecht gegen Einbürgerungs-Entscheide. Das Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung sei ausreichend, beschloss das Parlament.

Damit ist die Bürgerrechts-Regelung unter Dach und reif für die Volks-Abstimmung.

Kernpunkte der neuen Regelung sind die automatische Einbürgerung von Kindern der dritten Ausländer-Generation, wenn sie in der Schweiz zur Welt kamen. Zudem sollen in Zukunft Ausländer und Ausländerinnen der zweiten Generation den roten Pass leichter erhalten.

Leichter geworden – Föderalismus bleibt

Die Einbürgerung wird mit dem neuen Gesetz erleichtert. Sie bleibt aber in erster Linie ein Geschäft der Gemeinden und Kantone – Unterschiede in der Handhabung sind deshalb schon heute programmiert. Dennoch verzichtete das Parlament darauf, im Gesetz ein Rekursrecht festzuschreiben.

Im Juni hatte das Bundesgericht in mehreren Fällen den Rekurs gegen negative Einbürgerungs-Entscheide zugelassen. Nach Ansicht der Richter verstossen Einbürgerungs-Entscheide an der Urne (bekannt wurden vor allem die Fälle in Emmen) gegen das Diskriminierungsverbot.

Umstritten war in der Parlamentsdebatte nur noch, ob sich das Rekursrecht von selbst versteht oder ob es einen Gesetzesartikel braucht. Schliesslich folgte der Rat mit 92 zu 82 Stimmen dem Antrag der Mehrheit, das Beschwerderecht als verfassungsmässig gegeben anzunehmen.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) will sich mit dem Entscheid nicht abfinden. Mit einer Initiative will sie die Einbürgerungs-Frage erneut vors Volk bringen. Nun überlegt sich die Partei auch, ob sie gegen das Bürgerrechts-Gesetz das Referendum ergreifen will.

Chancenlos: die linke Mehrheit

Ausländer sollen kein gesetzliches Beschwerderecht gegen ablehnende Einbürgerungsentscheide erhalten. Der Nationalrat strich die entsprechende Bestimmung am Mittwoch aus dem Bürgerrechts-Gesetz und schloss sich damit dem Ständerat an.

Ein solches Rekursrecht sei nicht mehr explizit nötig, nachdem das Bundesgericht anerkannt habe, dass gegen willkürliche Entscheide Rekurs eingereicht werden kann – aufgrund des in der Verfassung festgeschriebenen Diskriminierungsverbots.

Eine linke Mehrheit hatte das Recht auf Beschwerde im Gesetz verankern wollen. Sie wollte sich nicht nur auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes stützen. Aber dieser Ansatz fand keine Mehrheit.

SVP bereitet neue Initiative vor

Chancenlos geblieben war in der Debatte auch ein Antrag der SVP, den Kantonen und Gemeinden bei den Einbürgerungen freie Hand zu geben und damit – entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichts – auch Urnenabstimmungen zu ermöglichen.

Parteipräsident Ueli Maurer kündigte bereits an, das Thema auf dem Weg einer Volksinitiative weiter zu verfolgen. “Heute besteht faktisch ein Recht auf Einbürgerung. Und das werden wir bekämpfen. Weil es ein demokratischer, ein politischer Entscheid bleiben soll”, sagte Maurer gegenüber swissinfo.

In der Debatte hatte Maurer schon erklärt, dass gegen kantonale und kommunale Entscheide kein Bundesrechtsmittel ergriffen werden könne. Die Souveränität des Volkes gehe der Verfassung vor.

Willkürfreies Verfahren

Die Freisinnige Dorle Vallender und der Christdemokrat Ruedi Lustenberger erklärten, dass nach den Bundesgerichts-Urteilen kein Handlungsbedarf mehr bestehe. Auch Ausländer hätten Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren. Die Ablehnung einer Einbürgerung müsse begründet und so anfechtbar gemacht werden.

Die Grüne Fraktionspräsidentin Cécile Bühlmann fühlte sich durch die Bundesgerichtsschelte von SVP-Fraktionschef Caspar Baader an eine Polemik auf die Art und Weise des Italieners Silvio Berlusconi gegen den Richterstaat erinnert. Die SVP wolle den Souverän zu verfassungswidrigem Verhalten verführen.

“Nun haben wir zumindest erfolgreich die Versuche verhindern können, das Beschwerde-Verfahren gegen Einbürgerungs-Entscheide zu verunmöglichen”, sagte Bühlmann zu swissinfo.

Schranken der Volksrechte

Justizministerin Ruth Metzler hielt fest, dass Einbürgerungsverfahren an die Grundrechte gebunden seien und nicht in einem rechtsfreien Raum stattfänden. Auch die Volksrechte hätten Schranken. Die Bundesverfassung habe eine höhere Legitimität als kantonale oder kommunale Entscheide.

swissinfo und Agenturen

Rund 440’000 Ausländerinnen und Ausländer leben in der zweiten oder dritten Generation in der Schweiz. Das sind über 6% der Gesamtbevölkerung, respektive mehr als ein Viertel aller registrierter Ausländer.

Die so genannten Secondos und Secondas sind meist junge Ausländer, die in der Schweiz geboren wurden oder mindestens fünf Jahre hier die Schulbank gedrückt haben.

Besonders die Kinder der Secondos haben oft keine grosse Beziehung mehr zu ihrem Heimatland, dem Land ihrer Grosseltern, sprechen primär eine Landessprache. Zwar bezahlen sie Steuern, doch am politischen Leben dürfen sie nicht teilnehmen.

Das soll sich nun ändern: In der Schweiz geborene ausländische Kinder der dritten Generation erhalten inskünftig automatisch den roten Pass.

Über die erleichterte Einbürgerung der zweiten Generation konnte das Stimmvolk übrigens schon einmal entscheiden. Die Revision der Bürgerrechtsregelung erzielte 1994 beim Volk zwar 52,8% Ja-Stimmen, scheiterte jedoch am Ständemehr der Kantone.

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