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Europarat gibt Dick Marty Rückendeckung

Dick Martys Kritik an den Terrorlisten ist beim Europarat nicht auf taube Ohren gestossen. Keystone

Der Europaratsausschuss "Recht und Menschenrechte" ist am Montag dem Schweizer Ermittler Dick Marty gefolgt und hat dessen Kritik an den Terrorlisten der Uno und EU gutgeheissen.

Inzwischen verzeichnen Martys Bemühungen erste Erfolge: Einzelpersonen werden schriftlich informiert, bevor sie auf die Liste gesetzt werden.

Nach Meinung des Ausschusses für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (Pace) sind die vom Uno-Sicherheitsrat und der Europäischen Union (EU) geführten Terrorlisten «völlig willkürlich und ohne jede Glaubwürdigkeit».

Diese Verfahren müssen dringend überarbeitet und fairer werden, entschieden die Parlamentarier am Montag.

Auslöser der Kritik ist der Schweizer Jurist Dick Marty, der im Auftrag des Europarats einen Bericht mit Empfehlungen verfasst hatte.

Bei 370 Einzelpersonen weltweit sind derzeit die Vermögen eingefroren und wurden Reiseverbote verhängt, weil sie vom Uno-Sicherheitsrat auf die Schwarze Liste gesetzt wurden.

Rund 60 Unternehmen werden auf der Schwarzen Liste der EU geführt. Und dennoch können gemäss einem Entschliessungsentwurf, der am Montag vom Pace-Ausschuss verabschiedet wurde, solche Sanktionen «auf der Grundlage des blossen Verdachtes» verhängt werden.

Unabhängige Überprüfung

Dank Martys Bericht sind zwei Beispiele unbescholtener Bürger bekannt, gegen die es keine Beweise einer terroristischen Aktivität gibt, und die trotzdem auf die Listen gelangten. «Dies sind nur zwei Beispiele von vielen», betonte Marty.

Der Schweizer fordert eine unabhängige Instanz zur Prüfung, ob ein Eintrag auf eine Terrorliste auch gerechtfertigt ist. «Heutzutage hat ein Serienkiller mehr Rechte als ein Mensch, der auf einer Terrorliste steht», sagte er bei der Präsentation seiner Ermittlungsergebnisse.

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Europarat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Europarat in Strassburg, 1949 gegründet, ist die älteste zwischenstaatliche politische Organisation Europas. Die Schweiz trat der Institution 1963 bei. Der Rat sieht sich als Hüter der demokratischen Sicherheit, die auf Menschenrechten, parlamentarischer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fusst. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist laut der Schweiz eine der grössten Leistungen des Europarats. Der Europarat unterscheidet sich…

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Fall Nada als Auslöser

Auslöser der Untersuchung des ehemaligen Tessiner Staatsanwaltes war der Fall des 76-jährigen Italieners arabischer Herkunft Youssef Nada, dessen Geschäft durch den Eintrag auf die Schwarze Liste ruiniert worden sei. Nach dem Verdacht des US-Geheimdienstes CIA soll Nada zu den Finanzgebern der Anschläge vom 11. September 2001 gehören.

Nach vierjährigen Ermittlungen der Schweizer Justiz wurde 2005 das Verfahren wegen mangelnder Beweise eingestellt. «Keiner kann sagen, dass ich in meinem Leben irgendetwas Unrechtes getan habe», sagte Nada.

Erste Auswirkungen

Martys Ermittlungen, welche er vor etwa einem Jahr in Angriff nahm, haben erste Erfolge gezeitigt. Personen werden nach Angaben des Europarates heute in aller Regel schriftlich informiert, bevor sie auf die Liste gesetzt werden. Und Länder können einen Antrag stellen, um eine Einzelperson von der Liste zu streichen.

Die schwarzen Listen der Uno waren 1999 eingeführt worden, um Sanktionen gegen die Taliban in Afghanistan durchzusetzen. Dann wurden sie auf alle mutmasslichen Helfer des Al Qaida-Netzwerkes ausgedehnt.

Das Uno-Sanktionskomitee wacht über die Anwendung. Die Uno-Listen sind auf Beschluss des Bundesrates auch für die Schweiz anwendbar. Zudem gelten sie auch für die EU.

Das Plenum des Europarats will Martys Bericht auf einer Plenarsitzung im Januar 2008 beraten.

swissinfo und Agenturen

Im November 2005 vermutete die NGO «Human Rights Watch» die Existenz von geheimen Gefängnissen in Europa und Entführungen von Terrorismus-Verdächtigen durch die CIA.

Darauf beauftragte der Europarat den freisinnigen Schweizer Ständerat und ehemaligen Tessiner Staatsanwalt Dick Marty mit einer Untersuchung.

Marty publizierte im Juni 2006 einen ersten Bericht. Darin beschuldigte er 14 europäische Staaten, CIA-Aktivitäten wie Inhaftierung und Transfers von Terror-Verdächtigten toleriert zu haben.

Der Bericht wirft auch der Schweizer Regierung vor, Vorwürfe über CIA-Überflüge im Schweizer Luftraum nicht ernst genommen zu haben.

Martys zweiter Bericht erschien 2007. Darin zeigte Marty, dass zwischen 2003 und 2005 in Polen und Rumänien Geheimgefängnisse der CIA unterhalten wurden.

Diesen Montag hat der für Menschenrechtsfragen zuständige Ausschuss des Europarats Martys neuen Bericht über die Schwarzen Listen gutgeheissen. Dieser wird im Januar von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats behandelt.

7. Januar 1945: Dick Marty wird in Lugano geboren.

1975: Promotion in Rechtswissenschaften an der Uni Neuenburg.

1975-1989: Tätigkeit als Staatsanwalt.

1989-1995: Regierungsrat.

1995: Wahl in den Ständerat für die FDP.

Ab 1999 Mitglied des Europarats.

Ab 2005 präsidiert er die Rechts-Kommission und die Kommission für Menschenrechte des Europarats.

November 2005: Marty wird Sonderermittler des Europarats zu den umstrittenen CIA-Gefangenentransporten.

Am 10. November 2007 erhält Marty den Menschenrechtspreis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

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