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Harte Kritik an der UNO

Der Abschlussbericht wurde am Mittwoch dem UNO-Sicherheitsrat in New York präsentiert. Keystone

Der Schweizer Strafrechts-Professor Mark Pieth spricht gegenüber swissinfo von "gravierenden Mängeln" beim UNO-Programm "Öl für Nahrungsmittel".

Pieth, Mitglied der unabhängigen Untersuchungskommission, sprach nach der Präsentation des Abschlussberichtes von Korruption und Verschwendung.

Der am Mittwoch in New York veröffentlichte Abschlussbericht kritisiert UNO-Generalsekretär Kofi Annan scharf. Aber auch seine Stellvertreterin und die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates werden darin für das Missmanagement bei dem humanitären Programm verantwortlich gemacht.

Pieth, Strafrechtsprofessor an der Universität Basel, ist einer von drei Ermittlern, die im letzten April eingesetzt wurden, um Vorwürfe zu überprüfen, dass Einzelpersonen und Firmen aus rund 50 Ländern Saddam Hussein geholfen hätten, vom Programm zu profitieren.

Der Bericht wurde eine Woche vor dem kommenden UNO-Gipfel präsentiert, bei dem die Staats- und Regierungschefs unter anderem über die Reform der Weltorganisation diskutieren werden.

swissinfo: Welches sind wichtigsten Ergebnisse des Abschlussberichtes?

Mark Pieth: Wir sagen, dass die UNO einfach nicht in der Lage war, das “Öl für Lebensmittel-Programm” richtig durchzuführen. Und so äusserte sich heute auch der Generalsekretär, als er sagte, man hätte es wohl besser sein lassen.

Das Problem ist, dass die UNO in zunehmendem Masse solche Aufgaben übernimmt, obwohl sich die Strukturen der Organisation in den letzten 60 Jahren nicht angepasst haben. Wir haben ein massives Defizit bei der Unternehmensführung, und wir erklären in diesem Bericht auf 900 Seiten, was falsch gelaufen ist.

swissinfo: Welche Rolle spielt die Schweiz in dieser Affäre?

M.P.: Die Schweiz spielt auf drei Ebenen eine Rolle, vor allem im Banken-Bereich. Wir müssen das in zwei Untersektionen aufteilen.

Zuerst einmal haben viele Leute versucht, das Bankensystem zum Geldwaschen zu missbrauchen. Daneben wurde ein sehr wichtiger Teil der Finanzierung des Öl-Deals über Genf abgewickelt. Dies ist an und für sich nichts Negatives, es birgt jedoch Risiken in sich.

Und dann ist da noch der zweite Aspekt, die vielen Öl-Intermediäre oder Öl-Händler, die es in der Schweiz gibt. Sie haben ihr Domizil in Zug oder Genf. Und dies hat Auswirkungen auf die Schweiz.

Drittens gab es Schweizer Firmen, die humanitäre Güter verkauften und Zusatzgelder an die irakische Regierung bezahlten.

swissinfo: Was haben Sie mit den Untersuchungen und diesem Bericht erreicht?

M.P.: Im Bericht haben wir ziemlich deutlich klar gemacht, dass wir eine Reorganisation der UNO ermsthaft für nötig halten.

Wir haben das auch dem Sicherheitsrat so gesagt. Dort war man sehr beeindruckt, und jedes Mitglied des Rates hat auf unseren Vorstoss reagiert.

swissinfo: Sind Sie optimistisch, dass dieser Bericht als Katalysator für die UNO-Reformen dienen wird?

M.P.: Ja, ich hoffe es. Es besteht nun die einmalige Chance, etwas zu tun, aber wir müssen abwarten und schauen, was dabei herauskommt.

swissinfo: Sind sie zufrieden in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem UNO-Personal?

M.P.: Die UNO war sehr hilfsbereit, was man nicht von allen Ländern sagen kann. Die Schweiz war bei einem besondern heiklen Thema – den Aufzeichnungen des Bankenverkehrs – sehr hilfsbereit.

In anderen Ländern klappte die Zusammenarbeit nicht überall. In den USA zum Beispiel gaben sich einige Regierungsstellen sehr hilfsbereit, während andere völlig unkooperativ waren.

(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

Das Öl-für-Nahrungsmittel-Programm der Vereinten Nationen dauerte von 1996 bis 2003.
Es wurde ins Leben gerufen, damit die damalige irakische Regierung begrenzte Mengen Öl gegen wichtige Güter des täglichen Bedarfs tauschen konnte.
Mit dem Programm sollten die Auswirkungen der UNO-Sanktionen vor allem für die armen Bevölkerungsschichten gedämpft werden. Die Sanktionen waren erlassen worden, nachdem Saddam Hussein 1999 in Kuwait einmarschiert war.
Der Schweizer Strafrechts-Professor Mark Pieth ist eines von drei Mitgliedern einer unabhängigen Kommission, die das Programm durchleuchtete, um den Vorwürfen von Korruption und Misswirtschaft nachzugehen.
Vorsitz des Panel hat Paul Volcker, früherer Chef des US Federal Reserve Board (US-Nationalbank).
Der Kommission gehört zudem Richard Goldstone an, der ehemalige Strafverfolger des internationalen Strafgerichts für die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien.

Der abschliessende Bericht der unabhängigen Kommission zur Untersuchung des UNO-Programms “Öl für Lebensmittel” sagt, das Management des Programms habe gegen die Ideale der Vereinten Nationen verstossen und Korruption und Begünstigung ermöglicht.

Die Kommission kritisiert UNO-Generalsekretär Kofi Annan, seine Stellvertreterin und den Sicherheitsrat, die alle zugelassen hatten, dass Saddam Hussein Milliarden unterschlagen konnte.

Die Autoren des Berichts, darunter der Schweizer Strafrechts-Professor Mark Pieth, empfehlen, dass die UNO-Organisation nun dringend vollständig erneuert werden sollte.

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